Deutsche Parteienfinanzierung Warum FDP, Grüne und Linke gegen mehr Geld für sich klagen
23.01.2023, 19:52 Uhr
Grüne, Linke und FDP sind gemeinsam vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.
(Foto: picture alliance / imageBROKER)
2018 stimmen Union und SPD für eine deutliche Erhöhung der Parteienfinanzierung in Deutschland. Von Seiten der anderen Parteien hagelt es Kritik, die Opposition spricht von einer "Sauerei". Ein außergewöhnliches Bündnis zieht vor das Verfassungsgericht. Nun steht das Urteil an.
56.110.142,99 Euro. Diese stattliche Summe bekam die SPD im vergangenen Jahr vom Bund überwiesen. Sechs weitere Parteien erhielten ebenfalls zweistellige Millionenbeträge, insgesamt konnten sich ganze 20 Parteien über Zahlungen freuen, darunter unter anderem die Satirepartei "Die Partei", die Querdenker-Partei "Die Basis" und - mit etwas mehr als 13.000 Euro auf dem letzten Platz der Parteienförderung - das "Team Todenhöfer".
Jedes Jahr zahlt der Bund dreistellige Millionenbeträge an die deutschen Parteien. Damit soll verhindert werden, dass diese zu abhängig von Spendern, beispielsweise von Großunternehmen, werden. Die Zuschüsse machen neben Spenden und Mitgliedsbeiträgen etwa ein Drittel der Einnahmen von Parteien aus.
Das System funktioniert folgendermaßen: Jede Partei, die bei der letzten Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei Landtagswahlen wenigstens ein Prozent der Stimmen erreicht hat, wird bezuschusst. Je höher das Wahlergebnis einer Partei, desto mehr Geld bekommt sie.
Nach ihrem Sieg bei der Bundestagswahl 2021 steht die SPD aktuell komfortabel da. Doch das war nicht immer so: 2017 hatte die SPD ebenso wie die Union herbe Verluste bei der Bundestagswahl hinnehmen müssen. Die Ergebnisse der Parteien brachen jeweils um mehr als fünf Prozentpunkte ein. Entsprechend geringer fielen auch ihre Zahlungen aus der Parteienfinanzierung aus - zunächst.
Denn ein Jahr später glichen die beiden Regierungsfraktionen diesen Rückgang praktisch wieder aus: Union und SPD hoben die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung im Juni 2018 von 165 auf 190 Millionen an. Gerade einmal neun Werktage hatten die beiden Parteien von der Bekanntgabe des Vorhabens bis zum Beschluss des Gesetzes gebraucht - und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht 1992 geurteilt hatte, die Obergrenze dürfe ausschließlich dann angehoben werden, wenn sich die Verhältnisse der Parteienfinanzierung "einschneidend" geändert hätten. Kritik ließ nicht lange auf sich warten.
"Eine Sauerei"
"Das ist eine Sauerei gewesen, wie das gelaufen ist", wütete der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, damals. Ein solches Vorgehen fördere die Politikverdrossenheit in Deutschland. Dass die Änderung ausgerechnet zum Start der Fußball-WM erlassen wurde, erwecke zudem den Verdacht, dass man sich einen saftigen Zuschlag sichern wolle, während die Wähler gerade maximal abgelenkt seien, so Korte.
Auch der Rest der Opposition zeigte sich entrüstet: Von einem "Hau-Ruck-Verfahren", das gegen die Verfassung verstoße, und einem "frechen Griff in die Kasse der Steuerzahler" sprach die FDP, die Grünen bezeichneten das Vorgehen der Regierungsparteien als dreist, der "Eindruck einer Selbstbedienung" müsse unbedingt verhindert werden.
Der Ärger war so groß, dass die drei doch sehr unterschiedlichen Partner gemeinsam vor das Bundesverfassungsgericht zogen. FDP, Grüne und Linke - ein durchaus außergewöhnliches Bündnis, das sich von Markus Söder in der Vergangenheit schon mal als "humoreske Truppe", deren Zusammensetzung allein schon ihre "hemmungslose Orientierungslosigkeit" zeige, hatte verspotten lassen müssen.
SPD und Union müssen einschneidende Veränderungen nachweisen
Doch das Trio ist überzeugt, das Gesetz auf seiner Seite zu haben: "Hat sich die Situation der Parteien im Jahr 2018 so einschneidend verändert, dass dies eine Erhöhung der absoluten Obergrenze rechtfertigen könnte und das auch noch in einem Umfang von 15 Prozent?", fragt die Bevollmächtigte der Antragsteller, Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf.
SPD und Union müssten im Detail darlegen, dass es einschneidende Veränderungen der Verhältnisse gegeben habe, heißt es von Seiten der Kläger. In der Gesetzesänderung von 2018 hatte diese Begründung gerade mal zwei Seiten eingenommen.
FDP, Grüne und Linke sehen in der Neuregelung außerdem einen Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit von Parteien. Ihr Vorwurf: Das Parlament habe praktisch in eigener Sache entschieden, weil Abgeordnete gleichzeitig Parteimitglieder sind.
Digitalisierung soll neue Herausforderungen für Parteien geschaffen haben
Union und SPD wehren sich gegen die Anschuldigungen: "Die Zeiten ändern sich, und damit auch die Ansprüche an uns und die Parteien", erklärte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling, damals im Bundestag. Den Vorwurf des "Hau-Ruck-Verfahrens" wollen sie nicht gelten lassen: "Gute Gesetzgebung ist nicht immer langwierig", so Mahmut Özdemir von der SPD.
Das Hauptargument der damaligen Koalitionspartner: Die Digitalisierung habe neue Herausforderungen für die Parteien geschaffen. In den sozialen Netzwerken müsse anders kommuniziert werden, zudem müssten Hacker abgewehrt werden, auch im Datenschutz hätten sich neue Herausforderungen ergeben.
Das unterstrichen vor Gericht auch die Sachverständigen Isabelle Borucki von der Universität Siegen und Frank Decker von der Universität Bonn. Die Parteien bräuchten neue, qualifizierte Mitarbeiter für die sozialen Medien, zudem sei die Mitgliederbeteiligung im Internet deutlich größer geworden.
AfD reicht eigene Klage ein
Die Entscheidung darüber, ob die Erhöhung der Obergrenze rechtens war, obliegt nun dem Bundesverfassungsgericht. Wegen der Corona-Pandemie musste das Verfahren immer wieder verschoben werden. Seit der Anhörung im Oktober 2022 beraten die Richter und Richterinnen in Karlsruhe.
Weil die Finanzierung der Parteien regelmäßig an die Inflation angepasst wird, beträgt die Förderung mittlerweile bereits mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr. Geht es nach FDP, Grünen und Linken wird die Summe schon bald wieder deutlich niedriger ausfallen - auch das Trio würde dann entsprechend weniger Geld bekommen.
Und die AfD? Die vierte Oppositionspartei hatte sich 2018 eigentlich der Normenkontrollklage von FDP, Grünen und Linken anschließen wollen, wurde von dem Trio jedoch abgewiesen. Die AfD-Fraktion reichte daraufhin einen eigenen Antrag beim Bundesverfassungsgericht ein, weil sie durch den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens ihre Rechte verletzt sah.
Somit wird das Bundesverfassungsgericht am Dienstag gleich zwei Urteile verkünden, die mit der Parteienfinanzierung in Deutschland zusammenhängen: Am Vormittag wird es zunächst um die Klage von FDP, Grünen und Linken gehen. Am Nachmittag ist dann der Antrag der AfD dran.
Quelle: ntv.de