"Iran ist völlig schockiert" Was über das Attentat auf Ismail Hanija bekannt ist


Ismail Hanija ist der bisher ranghöchste Hamas-Anführer , der bei einem Attentat getötet wurde.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Hamas hat nach eigenen Angaben einen ihrer wichtigsten Anführer verloren. Laut der radikalislamischen Terrororganisation wurde Ismail Hanija bei einem israelischen Angriff auf seine Residenz in Irans Hauptstadt Teheran getötet. Die Nachricht von der Tötung des Vorsitzenden des Politbüros versetzt den Nahen Osten in Aufruhr. Hanijas Blut werde Israel zum Verhängnis werden, droht die iranische Führung. Doch speziell in Teheran mischt sich unter die Wut auch eine furchterregende Erkenntnis. Was bisher über das Attentat auf den wichtigen Kopf der Hamas bekannt ist:
Wer ist für den Tod von Ismail Hanija verantwortlich?
"Ich kann dazu nichts sagen", antwortete US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin bei einem Termin auf die Frage, ob Israel in die Ermordung des Hamas-Führers verwickelt sei und ob die USA Bescheid gewusst hätten. Auch die israelische Regierung schweigt wie in solchen Fällen inzwischen üblich eisern. Doch die Hamas selbst und die Verbündeten der Terrororganisation haben keinen Zweifel: Sie machen Israel für den Tod von Ismail Hanija verantwortlich. "Das kriminelle zionistische Regime hat unseren Gast in unserem Haus ermordet", wird der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, auf seiner Website zitiert. "Es wird eine harte Bestrafung geben."
Wie wurde der Hamas-Führer getötet?
Über den Ablauf des Anschlags ist bisher sehr wenig bekannt. Mutmaßlich handelt es sich um einen Luftschlag: Iranische Staatsmedien berichten, das Attentat habe sich um 2 Uhr nachts (Ortszeit) ereignet. Hanija soll sich zu diesem Zeitpunkt in einer Residenz für Kriegsveteranen im Norden Teherans aufgehalten haben. Demnach wurde das Gebäude von einem "Projektil aus der Luft" getroffen. "Die weiteren Details dieser terroristischen Operation werden untersucht", heißt es weiter.
Wann wurde Hanija das letzte Mal lebendig gesehen?
Hanijah besuchte am Dienstag in Teheran die Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian. Wenige Stunden vor dem Anschlag traf er sich zudem mit dem obersten iranischen Führer, Ajatollah Ali Chamenei, wie offizielle Bilder aus dessen Büro belegen.
Das letzte Bild von Hanija wurde laut der "New York Times"-Reporterin Farnaz Fassihi beim Besuch einer Ausstellung in einem Themenpark über die Wahrzeichen der "Achse des Widerstands" aufgenommen. Darauf posiert er mit einer Gruppe von Männern mit einem Modell der Al-Aksa-Moschee, die in Jerusalem steht.
Was macht das Attentat auf Hanija so besonders?
Israel hat in den vergangenen Jahren immer wieder wichtige Köpfe seiner Feinde ausgeschaltet. So wurde nur wenige Stunden vor dem Anschlag auf Ismail Hanija nach Angaben der israelischen Armee bei einem Angriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandeur der Hisbollah-Miliz. Nahostexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik bemisst diesem Attentat eine größere Bedeutung zu: Hanija sei zwar ein prominentes Opfer, sagt er im "Tagesspiegel" aus Berlin. Die Hamas habe aber "so gut wie keine Möglichkeiten, den Tod ihres Anführers zu rächen", führt Steinberg aus. "Die Hisbollah dagegen ist viel mächtiger und besitzt die militärischen Mittel, Israel schwer zu treffen."
Dennoch geht der Tod von Schukr in der öffentlichen Wahrnehmung beinahe unter. Das dürfte daran liegen, dass Hanija als Vorsitzender des Politbüros der bekannteste und ranghöchste Hamas-Anführer ist, der seit Beginn des Gaza-Krieges vor rund zehn Monaten getötet wurde. Sein Tod hat das Potenzial, die Verhandlungen über eine Waffenruhe, bei denen Katar, Ägypten und die USA vermitteln, zu verzögern oder sogar zu stoppen.
Zusätzlich wirkt das Attentat aufgrund der Treffen Hanijas mit dem iranischen Präsidenten Peseschkian und dem obersten iranischen Führer Chamenei nur wenige Stunden zuvor ungewöhnlich unverfroren. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wenn Israel möchte, kann es jederzeit und an jedem Ort zuschlagen. Anscheinend auch im Herzen von Teheran.

Dieses Bild hat das Büro von Ajatollah Ali Chamenei (r.) am Dienstag veröffentlicht. Nur wenige Stunden später war Ismail Hanija (M.) tot.
(Foto: via REUTERS)
Wie reagiert der Iran?
Wütend. Und geschockt. Der Iran werde "seine territoriale Integrität, seine Würde, seine Ehre und seinen Stolz verteidigen und die terroristischen Besatzer dazu bringen, ihre feige Tat zu bereuen", erklärte der neue iranische Präsident Massud Peseschkian. "Wir betrachten seine Rächung als unsere Pflicht", tobte Atjatollah Chamenei. Israel habe "sich selbst eine harte Strafe beschert".
Gleichzeitig scheint der iranische Führungsapparat spürbar eingeschüchtert, denn der Hamas-Führer wurde in Teheran sehr wahrscheinlich strengstens beschützt. Auch die iranische Führung wird sich fragen, was das Attentat über die Fähigkeiten ihres eigenen Sicherheitsapparats aussagt. "Quellen zufolge sind iranische Beamte völlig schockiert von der Ermordung Hanijas. Das Attentat bedeutet einen schweren Schlag für das Ansehen des Irans", schreibt "New York Times"-Reporterin Fassihi auf der Plattform X. Der radikalrechte Niederländer Geert Wilders wird deutlicher: "Khamenei, Nasrallah, die Verantwortlichen. Sie werden jetzt nicht sehr glücklich sein und wahrscheinlich auch nicht sehr gut schlafen."
Der Nahost-Forscher Vali Nasr merkt zudem an, dass der Iran das Attentat nicht ungesühnt lassen darf. "Die Führung ist gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die sie wahrscheinlich nicht treffen will", schreibt er auf der Plattform X. Iranischen Berichten zufolge wird in der Residenz des Obersten Führers bereits eine Dringlichkeitssitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates abgehalten, die nach Angaben zweier iranischer Beamter unter außergewöhnlichen Umständen stattfindet.
Quelle: ntv.de