Politik

Ditib, Islamrat & Co. Wer spricht für die Muslime in Deutschland?

Versammelte Vertreter der Muslime in Deutschland.

Versammelte Vertreter der Muslime in Deutschland.

(Foto: dpa)

Für heute Abend hat ein Bündnis türkischer und islamischer Verbände zu einer Mahnwache in Berlin aufgerufen, organisiert unter anderem vom Zentralrat der Muslime. Wer aber sind diese Vertreter der Muslime eigentlich? Ein Überblick.

Ein Bündnis türkischer und islamischer Verbände will heute Abend an einer Mahnwache am Brandenburger Tor in Berlin teilnehmen. Organisiert wird die Kundgebung vom Zentralrat der Muslime und der Türkischen Gemeinde zu Berlin (TGB). Zusätzlich haben eine Reihe religiöser und politischer Verbände zur Teilnahme aufgerufen. Die Verurteilung der islamistisch motivierten Anschläge in Paris vereint Organisationen, von denen einige sonst kaum gemeinsam auftreten.

Zu den Unterstützern des Aufrufs zählen unter anderem die Ditib, der Islamrat, der VIKZ sowie der Koordinationsrat, der Liberal-Islamische Bund, die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland, Schura Berlin, die türkische Oppositionspartei CHP, Islamische Föderation Berlin (IFB) und Atib.

Wer aber verbirgt sich hinter diesen vielen Namen und einem unübersichtlichen Geflecht aus Dachverbänden und Überorganisationen? Es lässt sich zwar nur schwer sagen, inwiefern sich die individuellen Mitglieder von einzelnen Moscheegemeinden von den großen und kleinen Verbänden vertreten fühlen. Dennoch verfügen die islamischen Gemeinden in Deutschland über eine seit Jahrzehnten verfeinerte Organisationstruktur.

Ein Überblick über die muslimischen Verbände in Deutschland:

Koordinationsrat der Muslime (KRM)

Im KRM haben sich 2007 vier muslimische Verbände zusammengeschlossen, die ihrerseits Dachverbände für insgesamt mehrere tausend örtliche Vereine sind: Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD), der Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Die im KRM organisierten Moscheen bieten jedes Jahr am 3. Oktober einen "Tag der offenen Moschee" an.

1. Ditib

Die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion" wurde 1984 gegründet. Die Ditib ist ein Dachverband für bundesweit mehr als 900 Ortsgemeinden und vertritt türkische Sunniten. Unter Ortsgemeinden sind Moscheen mit angeschlossenen Bildungs-, Sport- und Kulturangeboten zu verstehen. Sie sind selbständig, müssen aber die Satzung der Ditib anerkennen. Die Ditib untersteht der Aufsicht der staatlichen Religionsbehörde der Türkei (Diyanet), die wiederum dem Ministerpräsidentenamt angegliedert ist.

Nach eigener Darstellung vertritt die Ditib über 70 Prozent der Muslime in Deutschland. Sie ist die größte Migrantenorganisation in Deutschland. Die Ditib bekennt sich auf ihrer Homepage zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum Grundgesetz. In den Grundsätzen heißt es auch: "Jede Art von Gewalt und Aufruf zur Gewalt wird abgelehnt." Seit 2012 ist Izzet Er Vorstandsvorsitzender der Ditib. Sitz der Organisation ist Köln-Ehrenfeld.

2. Islamrat

Der Islamrat wurde 1986 in Berlin gegründet mit dem Ziel, ein gemeinsames Beschlussorgan für islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland zu bilden. Der Islamrat ist wie die Ditib eine Dachorganisation für sunnitische Gemeinden. Die Mehrheit stellen Türken, Mitglieder sind aber auch zum Beispiel der "Deutsch-Somalische Verein", die "Union Marokkanischer Imame" und die "Vereinigung islamischer Gemeinden der Bosniaken". Vorsitzender ist seit 2002 Ali Kizilkaya.

Ali Kizilkaya ist Vorsitzender des Islamrats.

Ali Kizilkaya ist Vorsitzender des Islamrats.

(Foto: dpa)

Der Islamrat vertritt 37 Vereine und damit geschätzt 40.000 bis 60.000 Mitglieder. Einer der bekanntesten Mitgliedsvereine des Islamrats ist die türkische Milli Görüş, die mit islamistischen Organisationen sympathisieren soll. Der Islamratsvorsitzende Kizilkaya war zuvor Funktionär von Milli Görüş. Der Islamrat arbeitet mit dem anderen KRM-Gründungsmitglied Zentralrat der Muslime zusammen, wenn es um Islamunterricht an deutschen Schulen oder Ausnahmegenehmigungen für das Schächten geht.

3. Zentralrat der Muslime

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wurde 1994 gegründet und ist Dachorganisation von 22 muslimischen Organisationen, die ihrerseits Dachverbände von insgesamt rund 300 Moscheegemeinden in Deutschland sind. Der ZMD ist wohl der bekannteste Verband von Muslimen, sein Vorsitzender ist Ayman Mazyek. n-tv.de veröffentlichte am Montag ein Interview mit Mazyek.

Der ZMD betont in seiner Selbstdarstellung, nicht von einer Gruppe, wie etwa türkischen Muslimen, dominiert zu sein, sondern "die ganze Vielfalt der Muslime in Deutschland" abzubilden. "So sind im ZMD Türken, Araber, Deutsche, Albaner, Iraner, Bosnier u. v. a. m. sowie Sunniten und Schiiten integriert, was sich auch im theologischen Sinne niederschlägt", heißt es auf der Webseite des KRM über den ZMD. Der ZMD vertritt 15.000 bis 20.000 Muslime.

Mitglieder im ZMD sind unter anderem die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V. (ATIB) mit ca. 10.000 Mitgliedern, die Deutsche Muslim-Liga und die Islamische Gemeinschaft als älteste islamische Verbände in Deutschland sowie das schiitische Islamische Zentrum Hamburg.

- ATIB

Die ATIB wurde 1987 von der ersten Generation türkischer Einwanderer gegründet. In ihrer Selbstdarstellung heißt es: "Als muslimisch-türkische Minderheit in Deutschland betrachten wir uns als Teil dieser Gesellschaft und Deutschland als unsere zweite Heimat." Kritiker werfen der ATIB wie auch Ditib und Milli Görüş zu viel Nähe zu extremistischen Verbänden vor. Weil die ATIB eine Abspaltung der Auslandsorganisation der Grauen Wölfe handelt, wird ihr auch diese Vergangenheit vorgehalten, allerdings hat sich die Organisation von den Gewalttaten der Grauen Wölfe in den 1970er Jahren in Deutschland und in der Türkei distanziert. Die Imame der Mitgliedsmoscheen der ATIB werden zum Teil vom türkischen Staat bezahlt.

- Deutsche Muslim-Liga

Die DML betont, die älteste islamische Vereinigung in Deutschland zu sein. Informationen über die Zahl ihrer Mitglieder liegen nicht vor. Die DML ist seit 1954 im Hamburger Vereinsregister eingetragen. Sie ist Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime. Auf der Webseite der DML heißt es: "Die DML stellt durch ihre aktive, konstruktive und gestalterische Präsenz gerne und für alle sichtbar fest, dass Muslime und Islam seit mindestens 60 Jahren ganz selbstverständlich zu Deutschland gehören und Bestandteil der deutschen Gesellschaft sind."

- Islamische Gemeinschaft in Deutschland

Die IGD vertritt als Gründungsmitglied des ZMD vor allem arabische Sunniten in Deutschland. Auch sie gehört zu den ganz alten islamischen Verbänden, wurde 1958 als Moscheebaukommission in München gegründet. Heute ist ihr Sitz in Köln. Die IGD gibt Schriften in deutscher Sprache zum Islam heraus und betreibt in München das "Islamische Zentrum" in Schwabing. Es ist der Moschee angegliedert, die auf Betreiben der Moscheebaukommission errichtet und 1973 schließlich fertiggestellt wurde. Auf der Webseite der IGD heißt es: "Die Herausbildung einer islamischen Identität im deutschen Kontext bleibt auch für die kommenden Jahre die größte Herausforderung der sich die IGD gegenüber gestellt sieht."

- Islamisches Zentrum Hamburg

Das IZH ist ebenfalls Mitglied im ZMD und vertritt dort die schiitische Konfession. Es ist gleichzeitig eines der ältesten Islamzentren in Europa und die größte Vertretung von Schiiten in Europa. Es gibt immer wieder Kontroversen wegen Verbindungen des IZH zur iranischen Führung. So heißt es über den aktuellen Leiter Reza Ramezani, er sei ein Verfechter der iranischen Staatsdoktrin. Das IZH wird vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet. Am 10. Januar veranstaltete das IZH eine Konferenz mit anderen Islamverbänden zum Thema "Extremismus als islamische und gesellschaftliche Herausforderung".

4. Verband der Islamischen Kulturzentren

Der VIKZ war der erste islamische Dachverband, als er 1973 in Köln gegründet wurde. Heute sind dem Verband bundesweit rund 300 Moscheevereine angeschlossen. Der VIKZ versteht sich als politisch neutral, die Mitglieder gelten als tief religiös. Seit den 1980er Jahren bildet der Verband islamische Theologen in Deutschland aus.

Verbände außerhalb des KRM (Auswahl):

Alevitische Gemeinde Deutschland

Nach den Sunniten bilden die Aleviten die zweitgrößte Konfession bei den Türken in Deutschland. Die AABF abgekürzte Organisation ist der Dachverband der alevitischen Gemeinden und wurde 1989 gegründet. Die AABF ist zwar nicht Mitglied im KRM, entsendet aber regelmäßig Vertreter zur Deutschen Islamkonferenz und zum Integrationsgipfel der Bundesregierung.

Liberal-Islamischer Bund

Der LIB mit Sitz in Köln tritt für eine offene und moderne Auslegung des Koran ein. Anders als die meisten anderen Islam-Organisationen setzt sich der LIB unverkrampft mit Themen wie Homosexualität auseinander. Unter den Mitgliedern sind viele Intellektuelle und Akademiker.

Türkische Gemeinde in Berlin

Die TGB versteht sich als soziale, politische und kulturelle Interessenvertretung von türkischstämmigen Bürgern in der Bundeshauptstadt. Ihr gehören nach eigenen Angaben 76 Vereine an. Berlin ist auch der Sitz der Türkischen Gemeinde in Deutschland, dem Bundesverband.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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