
Zwei von ihnen werden Spitzenkandidat: Robert Habeck, Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Cem Özdemir (v.l.)
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Die Grünen haben sich entschieden, wer sie als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl führen wird. Für einige der Bewerber, aber auch für die Partei steht viel auf dem Spiel.
Wer grüner Spitzenkandidat wird, steht wohl schon fest. Vor klickenden Kameras nahm Bundesgeschäftsführer Michael Kellner kurz nach dem Jahreswechsel die ersten Stimmzettel entgegen. Heute treffen die letzten Umschläge mit Wahlunterlagen in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin ein. Bevor am 18. Januar das Ergebnis des Urwahl-Prozesses vorgestellt wird, wird die Partei auf einem gesonderten Termin aber auch noch die Wahlbeteiligung bekannt geben.
Die Grünen zelebrieren jede Etappe ihrer Urwahl. Davon zeugen auch ein knappes Dutzend Podiumsdiskussionen, auf denen sich die Kandidaten seit dem Beginn des Prozesses im September den Parteimitgliedern präsentiert haben. "Basis ist Boss", so das Motto. Ansporn ist aber auch, sich von den anderen Parteien abzusetzen, in denen sich - so das Bild, das die Grünen zeichnen - eher in Hinterzimmern entscheidet, wer Spitzenkandidat wird.
Der Ausgang der Urwahl ist wegweisend für den Kurs der Grünen, aber auch für die vier Bewerber um die beiden Posten. Wer sind die Kandidaten und was würde ein Sieg oder eine Niederlage für sie bedeuten?
Die Gesetzte
Katrin Göring-Eckardt muss sich als Einzige keine Sorgen um ihre Spitzenkandidatur machen. Die 50-jährige Reala ist die einzige weibliche Bewerberin um den Posten. Da es bei den Grünen eine Quotenregelung gibt, ist sie damit gesetzt.
Göring-Eckardt ist das aber noch in anderer Hinsicht: Die Thüringerin war im Wendejahr 1989 an der Gründung der "Bürgerbewegung Demokratie Jetzt" beteiligt, eine Basis für die Grünen im Osten. Zweimal wurde Göring-Eckardt schon zur Fraktionschefin gewählt. Im vergangenen Bundestagswahlkampf war sie zusammen mit Jürgen Trittin schon einmal Spitzenkandidatin. Ihre Reden im Bundestag wirken mitunter fast schon zu routiniert. Der sehr bürgerliche Auftritt der einstigen Theologie-Studentin verstärkt diesen Eindruck. Göring-Eckardt kann allerdings auch sehr scharf angreifen. Beim Urwahlforum in München ahmte sie CSU-Chef Horst Seehofer mit weinerlicher Stimme nach. "Wir schaffen das nicht", säuselte sie nachäffend und verwies dann darauf, dass es in Bayern mit der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen eigentlich sehr gut laufe. "Der Typ sollte stolz sein und alle hierher führen, um zu zeigen, wie es geht."
Der Mann, dem die Themen zufliegen
Cem Özdemir ist wohl der profilierteste unter den vier Kandidaten. Und das nicht nur, weil der 51-Jährige bereits 2008 erstmals zum Bundesvorsitzenden gewählt wurde und oft in TV und Presse zu sehen ist. Özdemir ist der Sohn türkischer Gastarbeiter. Das Thema Zuwanderung wurde ihm in die Wiege gelegt und er zögert in Zeiten der Flüchtlingskrise nicht, mit seiner Autorität in Integrationsfragen zu spielen. Özdemir erzählt nicht nur gern, wie er selbst aufwuchs. Beim Urwahlforum in München etwa griff er heftig die Leitkultur-Debatten der CSU an. Mit Blick auf Muslime sagte er aber: "Wir kämpfen für eure Rechte, Moscheen zu bauen, Friedhofsordnungen ändern wir für euch, aber wir verlangen von euch, dass ihr die Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptiert, da ist mit uns nicht gut Kirschen essen." Omnipräsent war Özdemir in den vergangenen Monaten auch angesichts des demokratischen Verfalls in der Türkei.
So profiliert er ist, so viel hat Özdemir aber auch zu verlieren. Sollte er nicht Spitzenkandidat werden, dürfte er wegen mangelnden Mandats der Basis auch die Parteiführung aufgeben. In einem Interview sagte er bereits: "Ich habe nicht vor, den Job als Bundesvorsitzender der Grünen ein Leben lang zu machen."
Wie Göring-Eckardt gehört Özdemir zum Realo-Flügel der Partei. Sein Baden-Württemberger Landesverband gilt als besonders pragmatisch – und besonders offen für Koalitionen mit der CDU auch im Bund.
Der Herausforderer
Auch Robert Habeck hat viel zu verlieren. Der stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein sagte, er gehe "all in". Klappt es mit der Spitzenkandidatur nicht, sei damit auch seine Karriere in der Landespolitik beendet. Das hat etwas Radikales. Und genau dafür will Habeck auch stehen. Der 47-Jährige ist eigentlich Schriftsteller. Als er 2002 bei den Grünen einstieg, machte er eine steile Karriere. Keine zwei Jahre später war er Landesvorsitzender. Kürzlich veröffentlichte er sein Buch: "Wer wagt, beginnt." Darin spielt er mit seinem Image als "Nicht-Berufspolitiker".
Habeck tut gern so, als schwebe er zwischen den Flügeln der Partei. Er will weg von den Grünen als "Projektpartei", einer "Umwelt-App, die sich CDU und SPD herunterladen können". Habeck spricht von den Grünen als "Orientierungspartei". Beim Blick auf seinen Kurs ist Habeck aller Radikalität zum Trotz letztlich aber eher den Realos zuzuschlagen.
Habecks wichtigstes Thema scheint zumindest bisher im Bundestagswahlkampf keine Schlüsselrolle einzunehmen: die Energiewende. Deswegen ist er der Öffentlichkeit und der Basis auch noch nicht so vertraut wie seine Konkurrenten, die im Gegensatz zu ihm auch entscheidende Posten in der Bundespartei innehaben.
Die letzte Hoffnung
Anton Hofreiter ist der einzige Kandidat des linken Flügels. Sollte der 46-Jährige nicht gewinnen, würden erstmals zwei Realos die Partei in den Bundestagswahlkampf führen – ein herber Schlag für die Linken, die ohnehin als geschwächt gelten.
Zum Urwahlforum in Stuttgart brachte der charismatische Hofreiter eine Machete mit, ein "klassischer Arbeitsgegenstand aus meiner Vergangenheit", wie er sagte. Hofreiter ist promovierter Biologe und war früher viel als Tropenbotaniker in Südamerika unterwegs. Die Artenvielfalt ist ihm ein besonderes Anliegen. Das erinnert viele Grüne an die Anfangstage ihrer Partei.
Als Sachpolitiker tat Hofreiter sich vor allem im Verkehrsausschuss des Bundestages hervor. Seit er 2013 Fraktionsvorsitzender der Grünen wurde, hadern aber einige mit seinen Qualitäten als Redner. Sein eigenwilliger Auftritt ist Geschmackssache.
Quelle: ntv.de