Politik

"Es hat nichts gebracht" Wie Viktor Orbán Bayerns Grenze verteidigt

"Die Südgrenzen Bayerns werden heute von Ungarn geschützt", sagte Viktor Orbán noch vor ein paar Tagen.

"Die Südgrenzen Bayerns werden heute von Ungarn geschützt", sagte Viktor Orbán noch vor ein paar Tagen.

(Foto: AP)

Für die CSU ist Ungarns Regierungschef Orbán ein leuchtendes Beispiel in der Flüchtlingskrise. Er schütze Bayerns Grenze, sagte Generalsekretär Scheuer. Ein genauer Blick beweist: Das Gegenteil ist der Fall.

Jetzt ist die Grenze zu Ungarn wieder zu, hier am kleinen Übergang in Petrovo Selo in Kroatien. Für zwei Stunden wahrscheinlich, so viel lässt sich der grimmige Polizist in der blauen Uniform entlocken. Auf die Frage nach dem Warum presst er nur ein "Syrians" über die Lippen, dann setzt er sich fröstelnd in seinen Wagen, der Wind zieht kühl über die weiten Ebenen zwischen Ungarn und Kroatien.

Hier wird also gerade die bayerische Grenze geschützt. So hat das CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor einigen Tagen formuliert, als seine Partei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zu Gast hatte - und der Gast hat es dann auch gleich noch einmal gesagt: "Die Südgrenzen Bayerns werden heute von Ungarn geschützt." Das klingt griffig, hemdsärmlig und ein bisschen wie der legendäre "Hindukusch"-Satz von Peter Struck. Nur: Es stimmt nicht.

"Nickelsdorf – Bayern nonstop"

Flüchtlinge an der kroatisch-ungarischen Grenze

Flüchtlinge an der kroatisch-ungarischen Grenze

(Foto: imago/Pixsell)

Hier am Grenzübergang kontrolliert Ungarn die Flüchtlinge nicht, sie werden einfach übernommen. Die Menschen steigen aus kroatischen Bussen aus und in ungarische wieder ein. Seit Tagen geht das so, alle paar Stunden trifft ein Konvoi aus den kroatischen Auffanglagern ein. Derzeit kommen sie vor allem aus Opatovac, 20 Kilometer von der serbischen Grenze entfernt. In einem auch für die Presse abgesperrten Bereich stehen Dutzende Militärzelte, ohne Boden, die Menschen schlafen auf Stroh oder nacktem Beton, es gibt viel zu wenig Decken.

Ihr einziges Glück: Meist werden sie schon innerhalb von 24 Stunden in den Bus gesteckt, der dann Richtung ungarische Grenze fährt. Dort werden sie von Militärfahrzeugen empfangen, es ist ein aufwendig inszeniertes Spektakel. Die ungarischen Behörden bringen die Flüchtlinge dann zu einem Bahnhof, mit dem Zug geht es 300 Kilometer Richtung Norden nach Hegyeshalom.

Von da aus sind es nur noch vier Kilometer Fußmarsch nach Nickelsdorf in Österreich, und in der Regel dauert es dann noch ein paar Tage, bis die Flüchtlinge die bayerische Grenze erreichen. Doch dafür macht der CSU-Generalsekretär nicht Viktor Orbán verantwortlich, sondern lieber Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann: "Der Sozialdemokrat Faymann führt ein Busunternehmen, das nur Nickelsdorf-Bayern nonstop anbietet."

Orbán, der Schlepper

Damit trifft er einen Punkt: Die Kontrollen der letzten Wochen haben das Geschäft der Schlepper fast vollständig zum Erliegen gebracht. Den Transport übernehmen die Staaten meist einfach selbst. Wenigstens ist so die Sicherheit gewährleistet, einer der Auslöser für die Kontrollen war ja auch der Tod von 71 Menschen in einem Lastwagen auf der Autobahn von Budapest nach Wien, unweit von Nickelsdorf.

Autos werden dort am Grenzübergang nicht mehr kontrolliert. Wer Polizisten darauf anspricht, sieht verdrehte Augen. Nicht mehr nötig, lautet der Tenor. Die Leute kommen doch schön geordnet in Zügen an. Registriert werden sie nicht. Nicht in Nickelsdorf, schon gar nicht auf der Durchreise durch Ungarn, offenbar auch nicht in Kroatien.

Mehrere Flüchtlinge erklären auf Nachfrage, sie seien in Kroatien zwar von der Polizei fotografiert worden - ihre Fingerabdrücke seien allerdings nicht genommen worden. Die sollten eigentlich in der Eurodac-Datei gespeichert werden, auf die Behörden zugreifen können, um zu klären, welches EU-Land für ein Asylverfahren zuständig ist.

Die nächste Route kommt bestimmt

Ein Zaun sei die Lösung für die Flüchtlingsfrage, das verkündet Viktor Orbán immer wieder. Die Zahl der Flüchtlinge aber nimmt nicht ab. Der Nato-Draht, die Soldaten, all die Symbolpolitik: Die meisten sehen das gar nicht mehr, sie nehmen einfach eine andere Route.

Derzeit reicht ein kleiner Umweg über Kroatien, und dann landen die Flüchtlinge doch irgendwann in Nickelsdorf. Rund 60.000 Menschen waren es in den letzten anderthalb Wochen, seit Ungarn den Zaun an der Grenze zu Serbien fertiggestellt hat. "Es hat sich nichts geändert", sagte ein österreichischer Polizeisprecher. "Der Zaun hat nichts gebracht." Nun hat Orbán angekündigt, auch die Grenze zu Kroatien dichtmachen zu wollen. Dann hätte Europa die Flüchtlingskrise immer noch nicht gelöst, aber Ungarn seine Ruhe. Und in Bayern werden weiter Flüchtlinge ankommen, nur eben über Slowenien.

Quelle: ntv.de

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