Politik

Was wir wissen und was nicht Wie lebte RAF-Terroristin Klette - und wie wurde sie gefasst?

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Das Fahndungsfoto zeigt die RAF-Terroristin Daniela Klette als etwa 30-Jährige, Ende der 1980er-Jahre.

Das Fahndungsfoto zeigt die RAF-Terroristin Daniela Klette als etwa 30-Jährige, Ende der 1980er-Jahre.

(Foto: picture alliance/dpa/Polizei)

Mehr als 30 Jahre steht Daniela Klette auf der Fahndungsliste des Landeskriminalamtes (LKA). Gemeinsam mit weiteren RAF-Terroristen soll Klette zwischen 1999 und 2016 mehrere Raubüberfälle begangen haben. Am Montagnachmittag melden Ermittler schließlich einen Zugriff. Die 65-jährige Frau lässt sich in einer Wohnung in Berlin-Kreuzberg nach LKA-Angaben widerstandslos festnehmen. Nach dem spektakulären Fahndungserfolg sind jedoch noch viele Fragen offen: Was wir wissen und was nicht.

Wer ist Daniela Klette?

Daniela Marie Luise Klette wurde am 5. November 1958 in Karlsruhe geboren. Als 20-Jährige soll sie sich der linksextremistischen Gruppe Rote Hilfe in Wiesbaden angeschlossen haben. Dort habe sie Mitglieder der Roten Armee Fraktion kennengelernt und sich in der Folge der Terrorvereinigung angeschlossen, heißt es. Klette zählt zur dritten RAF-Generation.

Wie ist die Festnahme abgelaufen?

Sie habe bei ihrer Festnahme keinen Widerstand geleistet, teilte LKA-Präsident Friedo de Vries mit. Anhand ihrer Fingerabdrücke sei es gelungen, sie zu identifizieren. Bei der Durchsuchung der Wohnung fanden die Ermittler den Angaben zufolge unter anderem Magazine einer Waffe und Patronen. Eine Waffe sei bislang nicht gefunden worden. Bei den Überfällen, an denen Klette unmittelbar als Täterin beteiligt gewesen sein soll, sollen sie und ihre mutmaßlichen Mittäter mit Panzerfaust und Maschinengewehren schwerst bewaffnet gewesen sein. Vermutlich konnten sie sich aus den Waffendepots der RAF bedienen, die 1998 ihre Selbstauflösung bekannt gegeben hatte.

Wo ist Daniela Klette jetzt?

Die 65-Jährige sitzt wegen mehrerer Raubtaten in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen in Hannover mitteilten. In welchem Gefängnis sich Klette befindet, halten die Ermittler geheim - es herrscht höchste Sicherheitsstufe. Nach ihrer Festnahme in Berlin flogen Polizisten Klette im Hubschrauber nach Bremen und sollen sie dort in ein gepanzertes Fahrzeug gesetzt haben, um sie zum Ermittlungsrichter in Verden zu bringen. Mit dem hohen Sicherheitsaufwand sollen mögliche Befreiungsaktionen verhindert werden.

Wie sind die Fahnder Klette auf die Schliche gekommen?

Der Festnahme durch Zielfahnder vorausgegangen war jahrelange Ermittlungsarbeit unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Verden. Zielfahnder waren im In- und Ausland Tausenden Hinweisen nach einem flüchtigen RAF-Trio nachgegangen. Doch zum Erfolg führte nicht die großangelegte Öffentlichkeitsfahndung, die die Ermittler vor einigen Tagen auch mithilfe der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" gestartet hatten und bei der mindestens 250 Hinweise eingegangen waren. Der entscheidende Hinweis stammte bereits aus dem November 2023, verrieten die Ermittler. Ob jemand aus ihrem Umfeld Klette verriet, oder ob es ein Hinweis aus der Bevölkerung war, wollen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sagen.

Daniela Klette lebte jahrelang unerkannt in Berlin-Kreuzberg.

Daniela Klette lebte jahrelang unerkannt in Berlin-Kreuzberg.

(Foto: privat)

Was wird Daniela Klette vorgeworfen?

Klette wird sich nach derzeitigem Stand nicht für die Terroranschläge der RAF vor Gericht verantworten müssen. Diese sind verjährt. Aber ihr wird in sechs Haftbefehlen die Beteiligung an sechs Raubüberfällen zur Last gelegt. Die Raubserie startete nach der 1998 erklärten Selbstauflösung der RAF. Dabei ging es um Beschaffungskriminalität für das Leben im Untergrund. Die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen werfen der Beschuldigten neben den Raubtaten auch versuchten Mord vor. Die Taten soll Klette gemeinschaftlich mit den mutmaßlichen Mittätern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg begangen haben, heißt es in der Mitteilung des LKA. Nach den beiden RAF-Männern wird ebenfalls intensiv gefahndet.

Klette steht zudem im Verdacht, als RAF-Mitglied an einem Schusswaffen-Angriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen zu sein. Vermutet wird außerdem eine Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt 1993. Spuren deuten darauf hin, dass sie auch bei der Anti-Terror-Aktion 1993 im mecklenburgischen Bad Kleinen am Tatort war. Bei der Aktion starben damals der Polizist Michael Newrzella und der RAF-Mann Wolfgang Grams. Die frühere RAF-Terroristin Birgit Hogefeld wurde verhaftet.

Wie konnte sie sich so lange unbemerkt verstecken?

Klette lebte nach LKA-Angaben rund zwei Jahrzehnte unter falscher Identität in einem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg. Als die Spezialeinsatzkräfte des niedersächsischen Landeskriminalamts in Klettes Unterschlupf eintreffen, weist diese sich mit einem italienischen Pass unter falschem Namen aus. Ob der Pass gefälscht ist oder Klette sich mit falschen Angaben einen echten Pass besorgen konnte, ist bisher unklar. Womöglich war eine neue Identität das Hilfsmittel, um ihr mehr als 30 Jahre dauerndes Leben im Untergrund zu organisieren. Wie Klettes Leben im Untergrund ablief, ist ebenfalls noch nicht bekannt.

Was sagen die Nachbarn über die RAF-Terroristin?

Klette soll nach Angaben eines Nachbarn unter dem Namen Claudia Ivone gelebt haben. Um Geld zu verdienen, soll sie privaten Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben, erzählte der Nachbar mittleren Alters. Sie soll dort im 5. Stock rund 20 Jahre gewohnt haben, ist zu hören. Er habe sich öfter mit Klette, die einen anderen Nachnamen nutzte, unterhalten. Klette habe aber nur eher oberflächliche Kontakte zur Nachbarschaft gepflegt. "Sie hat immer Hallo gesagt und war eigentlich ganz nett", berichtete eine Jugendliche aus der Nachbarschaft. "Ich habe sie immer nur alleine gesehen, mit ihrem Hund und ihrem Fahrrad." Klette sei nie in Begleitung gewesen, sagen mehrere Anwohner.

Nach wem wird aus Klettes Umfeld noch gefahndet?

Nach dem 69-jährigen Ernst-Volker Staub und dem 55-jährigen Burkhard Garweg wird weiterhin gefahndet. Das Trio, das lange im Ausland vermutet wurde, wird der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. Deren Vertreter sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder ermordet haben. Täter und Motiv sind bis heute unbekannt. Rohwedder war am 1. April 1991 in Düsseldorf in seinem Haus am Schreibtisch erschossen worden. Das RAF-Kommando reklamierte die Tat für sich. Es war der letzte Mordanschlag, der der RAF zugeordnet wird.

Worüber könnte Klette auspacken?

Ermittler hoffen, nach Klettes Festnahme auch auf die Spur von Garweg und Staub zu kommen sowie die Geheimnisse um die 3. RAF-Generation lösen zu können. Jedoch verweigerte die 65-Jährige im Sinn des Schweigegelübdes der RAF zunächst jede Aussage. Auch ihr weiteres Verhalten gegenüber der Justiz ist unklar. Klette stehe natürlich die gesetzlich geregelte Kronzeugenregelung offen, sagt Oberstaatsanwalt Eimterbäumer. Dafür müsse sie aber deutlich über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus aussagen - vor einer drohenden langen Haft kann sich Klette demnach also nur retten, wenn sie umfassend auspackt.

Was ist über die weitere Festnahme bekannt?

Kurz nach der Festnahme von Klette nahmen die Fahnder in Berlin eine weitere Person fest. Es handele sich um einen Mann im "gesuchten Alterssegment", sagte der Präsident des niedersächsischen Landeskriminalamts, Friedo de Vries. Am Morgen wird dann klar: Der Festgenommene ist keiner der beiden gesuchten RAF-Terroristen.

Wer ist die Dritte Generation der RAF?

Viele Jahre tappten die Ermittler im Dunkeln und wussten nicht, wer der dritten Generation der linksterroristischen Rote Armee Fraktion zuzurechnen ist. Immerhin 10 der laut Bundesanwaltschaft 34 Morde der RAF sollen auf das Konto dieser dritten Generation gehen. Wer verübte vor mehr als 30 Jahren den letzten Mordanschlag auf Rohwedder in Düsseldorf und 1993 den Anschlag auf den Neubau der JVA Weiterstadt in Hessen?

Was ist die Rote Armee Fraktion?

Die RAF steht in der Bundesrepublik über Jahrzehnte für den Inbegriff von Terror und Mord. Insgesamt ermordete sie mehr als 30 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. Opfer waren unter anderem Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Die Rote Armee Fraktion war 1970 unter anderem von Andreas Baader und Ulrike Meinhof gegründet worden. Neun Morde gelten als nicht aufgeklärt. Einen Höhepunkt erlebte der Terror 1977 im "Deutschen Herbst".

Quelle: ntv.de, mit dpa und AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen