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Flüchtlingstalk bei Illner "Wir brauchen Humanität und Ordnung"

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Der Aufenthalt in Deutschland soll für Flüchtlinge unattraktiver werden, meinen die Teilnehmer der Talkrunde von Maybrit Illner.

Der Aufenthalt in Deutschland soll für Flüchtlinge unattraktiver werden, meinen die Teilnehmer der Talkrunde von Maybrit Illner.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die EU-Staaten haben sich am Mittwoch auf wichtige Punkte zur Bekämpfung der Flüchtlingskrise verständigt. Die werden jedoch kurzfristig die Probleme nicht beseitigen. In der ZDF-Talkshow Maybrit Illner haben sich die Gäste am Abend über mögliche schnelle Lösungen unterhalten.

Es ist nichts Neues: Die Zahlen der Geflüchteten in Deutschland sind zu hoch. Offenbar ist Deutschland für Asylsuchende zu attraktiv. Das meinen jedenfalls fast alle Gäste am Abend in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner. Erst am Mittwoch hatten sich die 27 EU-Staaten auf eine Krisenverordnung verständigt. Die sieht unter anderem vor, dass Migranten aus Ländern, die als besonders sicher gelten, nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in besonders sicheren Aufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Dort soll innerhalb von etwa drei Monaten ein Asylantrag geprüft werden. Stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland soll künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen, Länder, die keine Geflüchteten aufnehmen, sollen zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.

Zwar hätten sich die EU-Staaten geeinigt, doch ein Regelwerk sei das noch nicht, sagt Thorsten Frei von der CDU. Dazu brauche es die Beteiligung des Europäischen Parlaments. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion geht davon aus, dass dort Teile der Krisenverordnung verändert werden. Und: "Wenn Sie sich das genau anschauen, sehen Sie: Das wirkt erst in zwei, drei Jahren. Das bedeutet im Klartext: Nationale Maßnahmen werden nach wie vor notwendig sein", so Frei.

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour lobt die Vereinbarung, die im Krisenfall wirksam wird und die durch die Vorschläge der Bundesregierung verbessert worden sei: "Es ist nicht mehr so, dass dann, wenn ein Staat Krise ruft, alle Standards ausgesetzt werden." Und weiter: "Wir brauchen Humanität und Ordnung. Die Situation an den EU-Außengrenzen zeigt weder das eine noch das andere." Seine Partei ist jedoch über die Krisenregelung zerstritten. "Die Diskussion hat die Kraft, die Grünen unter Hochspannung zu setzen", meint Journalistin Anja Maier von der "Zeit". "Die Grünen haben im November Parteitag. Da freue ich mich drauf."

"Wir sind nicht am Kontrollverlust"

Ulf Kämpfer hat seinen Namen zu Recht. Der Kieler Oberbürgermeister kämpft vor Ort mit den hohen Flüchtlingszahlen. "Jetzt wird es langsam schwierig", sagt er bei Maybrit Illner. "Wir sind noch nicht am Kontrollverlust. Aber wir haben die Situation, in der ich weiß, dass jede Woche vierzig neue Flüchtlinge ankommen, und wir haben nur noch 150 Plätze. Eigentlich sind wir jetzt voll." Er weiß sich nur noch zu helfen, indem er in den großen Unterkünften "verdichtet". Konkret bedeutet das: "Da ist eine Familie mit zwei Kindern, die habe ich vielleicht jetzt noch im Sechs-Bett-Zimmer. Die müssen sich jetzt verkleinern, weil ich die sechs Betten für andere brauche." Das sei nicht Integrations-würdig, das sei nicht gut, sagt Kämpfer.

Ihm kann die Einigung in Brüssel nicht helfen, und die käme ohnehin zu spät, sagt Migrationsforscher Ruud Koopmans von der Humboldt-Universität in Berlin. Er fordert eine Offensive bei den Verhandlungen mit Drittstaaten und spricht sich erneut dafür aus, Geflüchtete während der Prüfung ihres Asylantrages nicht nur in Nordafrika, sondern auch in europäischen Ländern wie Albanien unterzubringen.

"Das attraktivste Angebot für Migranten"

Um die Zahl der Geflüchteten zu senken, die nach Deutschland kommen, soll der Aufenthalt unattraktiver werden. Das will die Union erreichen - und damit eine Anpassung an europäische Standards. Tatsächlich sind die Sozialleistungen in keinem Land der EU so vorteilhaft wie bei uns. Das regelt das Asylbewerberleistungsgesetz. Danach haben Asylbewerber nach 18 Monaten ein Anrecht auf "erweiterte Leistungen", wie sie auch Empfängern von Bürgergeld zustehen. Für CDU-Chef Friedrich Merz ist das zu früh. Er will, dass diese Regelung erst nach drei Jahren greift, sagt Thorsten Frei bei Maybrit Illner. Selbst das wäre humaner als die Regelungen für abgelehnte Asylbewerber in anderen EU-Ländern. So gibt es in Frankreich oder Dänemark kein Geld für abgelehnte Asylbewerber, in Griechenland gibt es Unterkunft und Verpflegung - bis zur Ausreise.

"Deutschland hat das attraktivste Angebot für Migranten", sagt Migrationsforscher Koopmans. Und Nouripour fordert: "Es ist zwingend notwendig, darauf zu schauen, wovon die Leute leben." Er will, dass die Arbeitsmöglichkeiten für abgelehnte Asylbewerber erleichtert werden. Thorsten Frei spricht sich dafür aus, dass abgelehnte Asylbewerber kein Geld mehr bekommen und Lebensmittel stattdessen per Chipkarte einkaufen sollen. Das sei jetzt schon möglich, erklärt Kämpfer, würde jedoch in den Kommunen wegen des hohen Bürokratieaufwandes nicht umgesetzt. Auch Journalistin Anja Maier ist skeptisch: "Ein Land, das während der Corona-Krise nicht mal seine Gesundheitsämter digitalisiert bekommen hat, möchte jetzt plötzlich Chipkarten für Leute ausgeben", spottet sie.

Für den Kieler Oberbürgermeister ist eins wichtig: "Dass ich eine planbare, gesteuerte und verlässliche Migration brauche. Wir wollen unseren humanitären Pflichten nachkommen. Wir wollen die Leute integrieren. Und das könnten wir auch, wenn wir die Flüchtlinge in Europa gut verteilen würden."

Quelle: ntv.de

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