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Trend geht nach rechts Sechs Lehren aus Hessen und Bayern

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Die AfD legte in Hessen und Bayern um mehrere Prozentpunkte zu - das gelang keiner anderen Partei. Die Rechten sind in Deutschland im Aufwind - das gehört zu den Erkenntnissen des Wahlabends.

Die AfD legte in Hessen und Bayern um mehrere Prozentpunkte zu - das gelang keiner anderen Partei. Die Rechten sind in Deutschland im Aufwind - das gehört zu den Erkenntnissen des Wahlabends.

(Foto: REUTERS)

Erwartungsgemäß hat die Union die Landtagswahlen in Hessen und Bayern klar gewonnen - und erwartungsgemäß haben die Parteien der Ampel Federn gelassen. Die AfD dagegen münzt ihren Umfragehöhenflug in echte Wahlergebnisse um. Was heißt das alles? Sechs Lehren aus einem denkwürdigen Wahlabend.

1. AfD neben der Union die Gewinnerin

Der Politik-Kommentator Albrecht von Lucke hatte vor den Landtagswahlen bei ntv eine "Rechtsverschiebung" vorhergesagt. Die ist nun eingetreten. Alle linken Parteien verlieren, die rechten und Mitte-Rechts Parteien in Form von AfD, Freien Wählern und CDU legen zu, während die CSU stabil bleibt, allerdings auf für sie schmerzhaft-niedrigem Niveau. Warum das so ist? Es gibt viele Deutungsmöglichkeiten. Da ist die Migration. Der Streit in der Ampel stößt viele ab. Und die Inflation frisst das Einkommen auf.

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Neben der Union ist die AfD jedenfalls die Gewinnerin des Abends. Keiner anderen Partei gelang es, in beiden Bundesländern so deutlich zuzulegen. Es hat sich gezeigt: Keineswegs schrecken AfD-Sympathisanten davor zurück, tatsächlich ihr Kreuz bei der in wachsenden Teilen rechtsextremen Partei zu machen. Dass ihr das auch in Bayern und Hessen gelang, zwei wohlhabenden Bundesländern im alten Westen, bleibt hängen. Die Zeiten, in denen man die AfD als ostdeutsches Phänomen abtun kann, sind vorbei. Dort könnten im kommenden Jahr die Ergebnisse aber noch stärker ausfallen. Im Herbst 2024 wird in Thüringen, Sachsen und Brandenburg gewählt. Die AfD könnte stärkste Kraft werden.

2. Die Union ist die letzte Volkspartei

Siege in Hessen und Bayern, doch wie unterschiedlich muten diese Erfolge an! Während Boris Rhein mit der CDU in Wiesbaden einen Triumph feiert, muss sich der Abend für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und die CSU wie eine Niederlage anfühlen. Sie fährt erneut ein historisch schlechtes Landtagsergebnis ein. Vor zehn Jahren war sie noch auf 47,7 Prozent gekommen, nun sind es nicht einmal 37 Prozent. Sie ist in einer Zwickmühle: Die Wähler rechts der Mitte, die Freie Wähler und AfD angekreuzt haben, kann sie nicht erreichen, ohne die Mitte zu verprellen. Andererseits: Die Unionsparteien sind die einzigen in Deutschland, die Ergebnisse weit jenseits der 30 Prozent erreichen können. Sie lösen den Anspruch, Volkspartei zu sein, noch am ehesten ein. Im Gegensatz zu allen anderen, allen voran der SPD.

3. Die Ampel muss etwas ändern

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Das Votum ist eindeutig: Sowohl in Hessen als auch in Bayern verlieren die Parteien der Ampelkoalition durch die Bank. Erschreckend ist das Ergebnis für die Kanzlerpartei. Die SPD erleidet in Hessen, einst eine ihrer Hochburgen, die nächste krachende Niederlage. In Bayern taumelt sie weiter der Bedeutungslosigkeit entgegen. Die FDP ist dort in den beiden Bundesländern fast schon angekommen. In Bayern ist sie nicht mehr im Landtag vertreten, in Hessen musste sie zittern. Und die Grünen? Halten sich noch einigermaßen wacker, bekommen aber ebenfalls einen Dämpfer.

Wie viel von diesen Verlusten geht auf das Konto der Ampel? Fakt ist, dass der Bundestrend in den Ländern immer eine wichtige Rolle spielt. Klar ist nun, dass es so nicht für die Ampel in Berlin weitergehen kann. Der Dauerstreit zwischen FDP und Grünen bleibt ein zentrales Problem – so treten durchaus vorhandene Erfolge immer wieder in den Hintergrund. Der Eindruck drängt sich auf, dass die drei Parteien sich bis zur nächsten Bundestagswahl aneinanderklammern. Denn durch ein Ende der Ampel und womöglich vorgezogene Neuwahlen hätte keine von ihnen etwas zu gewinnen.

4. Migration entschied die Wahlen mit

Seit Wochen bestimmt die Zuwanderung die politische Debatte. Dabei schaffte es die Ampel nicht, ihre Erfolge herauszustreichen. Es gibt nämlich einen: Die Einigung auf EU-Ebene für ein neues Gemeinsames Asylsystem (GEAS). Doch stattdessen bestimmte die Forderung nach Grenzkontrollen die Schlagzeilen. Davon profitierte in Bayern besonders die AfD.

Das ist zumindest die Deutung von Ministerpräsident Markus Söder. Der schob der Ampel in Berlin die Schuld für das starke Abschneiden der Rechtspopulisten in die Schuhe - was für ihn bequem ist. Es hatten aber alle seriösen Parteien schwer, weil sich Migration nicht mit einem knackigen Drei-Punkte-Plan wegmanagen lässt. Eher ist es eine Jahrhundertaufgabe, die viele kleine und große Maßnahmen erfordert. Mit solchen unbequemen Wahrheiten lässt sich aber nur schwer Wahlkampf machen.

5. Von Berlin aus Landtagswahlkampf machen, das funktioniert nicht

Vielleicht die größte Verliererin des Abends ist Nancy Faeser. Dass sie als Bundesinnenministerin auch die Spitzenkandidatur der SPD in Hessen übernahm, hat sich gerächt. Wie sollte das auch gehen? Beide Tätigkeiten erfordern die volle Aufmerksamkeit, lassen sich nicht nebenbei erledigen. Hinzu kam schlechtes Management im Fall Schönbohm und ihre Zuständigkeit für das Mega-Thema Migration. In der Frage der Grenzkontrollen wirkte Faeser unentschlossen. Erst war sie strikt dagegen, dann zeigte sie sich doch offen dafür. Nun stellt sich sogar die Frage, ob sie diese Klatsche politisch überlebt. Ihre Gegner werden ihr einen Autoritätsverlust bescheinigen, der sie als Innenministerin untragbar mache. So hat es bereits Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht gesagt.

6. Söder kann die Kanzlerkandidatur abschreiben - oder?

Vor dem Wahlabend hieß es in Berlin: Wenn Söder 40 Prozent plus x holt, dann wird er nach der Kanzlerkandidatur greifen. Nun sind es nicht einmal 37 Prozent und damit weniger als vor fünf Jahren. Damit müsste er die Kanzlerkandidatur abschreiben. Und das tut er auch: Bei ntv versicherte Söder, dass er Ministerpräsident bleiben wolle. Alles andere wäre aber auch seltsam gewesen. Doch wer weiß, was in einem Jahr ist, wenn die Union die K-Frage entscheiden will. Verspielt CDU-Chef Friedrich Merz weiter das Vertrauen seiner Partei und kommt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nicht aus der Deckung, richten sich die Augen vielleicht doch wieder auf Söder. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser Spree, Isar und Rhein hinunter.

Quelle: ntv.de

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