"Gewalt immer abgelehnt" Wohlleben gibt den enttäuschten Freund
16.12.2015, 14:52 Uhr
Mit Ralf Wohlleben sagt im Münchner NSU-Prozess der zweite Angeklagte innerhalb einer Woche aus. Seine Version nach zweieinhalb Jahren Schweigen ist der der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ziemlich ähnlich.
Eine Aussage nach Beate Zschäpe, aber noch vor Weihnachten hatten die Anwälte von Ralf Wohlleben angekündigt. Zwischendurch hatten Prozessbeobachter gemutmaßt, die Aussage könnte sich erledigt haben. Da meldete sich Wohlleben überraschend noch schnell vor der Mittagspause zu Wort.
Auch er will bis zum Auffliegen der Terrorgruppe im November 2011 nichts vom "Nationalsozialistischen Untergrund" und dessen Morden gewusst haben. "Wie alle anderen" habe er erst dann davon erfahren, sagte Wohlleben vor dem Münchner Oberlandesgericht. Unvorstellbar sei es für ihn, dass seine früheren Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu diesen Taten in der Lage gewesen seien. Er könne es kaum glauben. "Meine ablehnende Haltung gegenüber Gewalt erfasst erst recht die Begehung von Morden."
Er habe Böhnhardt und Mundlos auch nur aus alter Freundschaft bei ihrer Flucht unterstützt, aber längst nicht so umfassend, wie es die Anklage vermutet, so Wohlleben. So habe er ihnen zwar ein Auto geliehen, aber mit der Beschaffung der Waffe, die ihm zur Last gelegt wird, habe er nichts zu tun gehabt.
Offensiv gegen Mitangeklagte
Stattdessen belastet auch Wohlleben Tino Brandt, der inzwischen wegen Kindesmissbrauchs eine Haftstrafe verbüßt. Der später als V-Mann des Verfassungsschutzes enttarnte Chef des "Thüringer Heimatschutzes" sei die treibende Kraft gewesen. Außerdem versucht Wohlleben, die mitangeklagten Carsten S. und Holger G. als Lügner dastehen zu lassen. Vor allem S. hatte ihn bereits zu Beginn des Prozesses in einer umfassenden Aussage stark belastet. S. sagt damals aus, er habe im Auftrag Wohllebens und mit Geld, das von Wohlleben gekommen sei, eine Waffe für das Terrortrio beschafft. Aussage steht gegen Aussage. Die Anklage wirft Wohlleben vor, die Waffe besorgt zu haben, mit der neun Migranten erschossen wurden. Er ist deshalb wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Wohlleben erklärt wenig, seine Familiengeschichte bleibt, anders als bei Zschäpe, unerzählt. Zeitbezüge kommen nur dort zur Sprache, wo Wohlleben berichtet, wem er wann begegnet sei. Ansonsten streitet er einfach alles ab. Nicht einmal ausländerfeindliche Gedanken will Wohlleben, der frühere NPD-Funktionär, gehegt haben. Er habe nur den Zuzug von Ausländern nicht fördern wollen, sagt der Mann, der noch immer völlig selbstverständlich von "Netzseiten" und "T-Hemden" spricht. Seine Anwältin, Nicole Schneiders, hatte aber auch angekündigt: "Herr Wohlleben ist seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben. Seine Aussage ändert hieran nichts."
Dass Wohlleben sich noch immer auf sein Unterstützernetz verlassen kann, war am Tag seiner Aussage mehr als deutlich. Während die Öffentlichkeit von der Ankündigung seiner sofortigen Aussage überrascht worden war, galt dies für zahlreiche Besucher im Gerichtssaal und auch für die sonst nicht ständig anwesende Ehefrau Wohllebens offenbar nicht.
Im Sinne der Anklage hält sich Wohlleben für unschuldig. Wie Zschäpe verneint er jede juristische Verantwortung. Wie Zschäpe versucht er eine Formulierung für Reue und Mitgefühl zu finden. Und wie Zschäpe klingt er nicht sehr überzeugend.
Quelle: ntv.de