Politik

Zschäpe nur ein Anhängsel? Wohlleben will Waffe nicht besorgt haben

Wohlleben bei einem Verhandlungstag im April.

Wohlleben bei einem Verhandlungstag im April.

(Foto: imago/Sebastian Widmann)

Nach der Erklärung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess bricht auch der Mitangeklagte Ralf Wohlleben sein Schweigen. Ähnlich wie die Hauptangeklagte bestreitet er einen Großteil der Vorwürfe. Zschäpe kommt dabei ganz gut weg.

Im NSU-Prozess hat der Angeklagte Ralf Wohlleben eine Unterstützung der Mordserie der rechtsextremen Gruppe bestritten. Er habe den Wunsch seines mittlerweile verstorbenen Bekannten Uwe Böhnhardt nach Beschaffung einer Schusswaffe zurückgewiesen und nicht ausgeführt, sagte der frühere Thüringer NPD-Funktionär vor dem Oberlandesgericht München. Die Aussage des Angeklagten kam überraschend. Wohlleben las eine schriftlich vorbereitete Erklärung vor. Wegen der langen U-Haft leide er an erheblichen Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, daher habe er diesen Weg gewählt, hieß es dazu zur Begründung.

"Ich wollte keine Waffe besorgen", sagte Wohlleben. Er wies auch Aussagen von zwei Mitangeklagten zurück, er habe sie beauftragt, Pistolen zu beschaffen. "Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele lehne ich ab", sagte Wohlleben, der wegen der Vorwürfe in Untersuchungshaft sitzt.

Ähnlich wie zuvor Beate Zschäpe, beschrieb auch Wohlleben Tino Brandt, den Mitbegründer des "Thüringer Heimatschutzes", als treibende Kraft hinter seiner Radikalisierung. Brandt habe ihn zur NPD gebracht. Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe er in den 90er Jahren in der rechten Szene kennengelernt.

Mit Zschäpe habe man gut und lange reden können. Sie sei schlagfertig, witzig und ihm sehr sympathisch gewesen, sagte der 40-Jährige vor dem Münchner Oberlandesgericht. Böhnhardt habe er als introvertierte Person erlebt, die ihr Geld gern für Militaria ausgegeben habe. Mundlos sei ihm hingegen wie "Schwiegermutters Liebling" erschienen. Er sei immer redegewandt und kontaktfreudig gewesen.

Kein Ausländerfeind

Wohlleben sagte, er habe schon Mitte der 90er Jahre nichts gegen Ausländer gehabt - sondern gegen die Politik, die den Zuzug von Ausländern fördere. In Frankfurt am Main habe er damals den Eindruck gehabt, dass es da Stadtviertel gebe, in denen keine Deutschen mehr leben. Das habe er nicht für Jena gewollt, argumentierte Wohlleben.

Man habe sich in der Kameradschaft Jena organisiert, die als Zusammenschluss "aller aktiven und nationalen Menschen" gedacht gewesen sei. Böhnhardt sei dort Mitglied gewesen, Mundlos sei später hinzugekommen. "Beate Zschäpe habe ich nie als Mitglied erlebt." Sie sei mehr Böhnhardts Anhängsel gewesen. "Ausländer- bzw. Asylpolitik spielte in unserer politischen Arbeit eine untergeordnete Rolle", sagte Wohlleben weiter. Wer aussteigen wollte, habe dies tun können. Vor allem, wenn Leute übermäßig viel tranken, sei man sogar froh gewesen. Ideologie-Schulungen habe es nicht gegeben, so der spätere NPD-Funktionär.

Der Mitangeklagte Carsten S. sei jemand gewesen, der junge Leute begeistern und mitziehen konnte. Wohlleben widerspricht S. insofern, dass er andeutet, S. habe sich aus eigenem Antrieb in der NPD engagiert. Das hatte S. bestritten. Über den Mitangeklagten Holger G. hatte er zuvor gesagt, man habe gemeinsam in Spielhallen abgehangen.

Wenig gewusst

Zugleich räumte Wohlleben seine Beteiligung 1997 an einer Aktion ein, bei der ein Puppentorso mit einer Bombenattrappe an einer Autobahnbrücke aufgehängt worden war. Er habe den Polizeifunk abgehört und Schmiere gestanden. Von der Bombenattrappe habe er aber nichts gewusst. Man habe damit Journalisten zwingen wollen, über die rechte Szene zu berichten. Auch bei den später verteilten Bombenattrappen habe es sich seiner Meinung nach um "Provokationen" gehandelt. Weder Böhnhardts noch Mundlos' Verhalten habe Anlass gegeben zu vermuten, dass beide schwere Straftaten begehen könnten. Außerdem sei man in der Szene davon ausgegangen, dass alles mit Spitzeln durchsetzt sei.

Nach dem Untertauchen des Trios sei ein Netz aus Telefonzellen aufgebaut worden, über das kommunziert wurde. Er selbst habe anfangs nicht nur mit Böhnhardt und Mundlos gesprochen, sondern auch mit einer unbekannten männlichen Person. Später habe Carsten S. diese Gespräche übernommen.

Wohlleben bezichtigt Mitangeklagte der Lüge

In seinen Ausführungen belastete Wohlleben den ebenfalls angeklagten Carsten S. Nach der Ablehnung von Böhnhardts Wunsch nach einer Waffe habe das Trio dann S. gefragt. Der habe wiederum ihn gefragt, woher er eine Waffe bekommen könnte. Wohlleben will ihn dann an einen Szeneladen in Jena verwiesen haben. "Ich dachte nicht, dass er dort eine Waffe bekommen werde." Er habe kein Geld für den Waffenkauf gegeben.

S. hatte ausgesagt, Wohlleben habe 2500 DM für den Kauf zugeschossen. Die erworbene Waffe habe ihm S. dann aber gezeigt, bevor er sie zu den Dreien nach Chemnitz gebracht habe. Wohlleben widerspricht auch der Aussage von Holger G., er habe G. beauftragt, eine Waffe zu Mundlos und Böhnhardt zu bringen. Wohlleben bezichtigt G. der Lüge, um zu verschleiern, von wem er die Waffe tatsächlich erhalten habe. Die Anklage wirft Wohlleben vor, die Waffe besorgt zu haben, mit der neun Migranten erschossen wurden. Er ist deshalb wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.

Vom NSU will Wohlleben erst ab dem 4. November 2011, dem Tag des Auffliegens der Gruppe, aus den Medien erfahren haben. Zum Abschluss sagt er: "Ich bin nicht schuldig im Sinne der Anklage. Es war mir unvorstellbar, dass die beiden zu solchen Taten imstande sein können. Ich kann es kaum glauben und habe kein Verständnis dafür. Nur aus Freundschaft habe ich sie bei der Flucht unterstützt – ich hätte es besser nicht getan. Den Angehörigen der Opfer gilt mein Mitgefühl." Am Donnerstag will Wohlleben Fragen des Gerichts zu den persönlichen Verhältnissen beantworten. Zuvor findet allerdings die regulär geplante Zeugenvernehmung statt.

Quelle: ntv.de, sba

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