
Eine Ansage, die Bahn-Kunden gern hören würden: "Liebe Reisende, die nächste Bonus-Zahlung für den Bahn-Vorstand muss leider ausfallen, Grund sind Verzögerungen im Betriebsablauf."
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Auch wenn weder die Belegschaft noch die Kunden der Bahn es spüren: Nach eigenen Maßstäben war der Bahn-Vorstand so erfolgreich, dass Bonuszahlungen fällig werden. Das ist in höchstem Maße peinlich und gehört abgestellt.
Wer am gestrigen Sonntagabend von Nordrhein-Westfalen nach Berlin fahren wollte und mehr als eine Stunde in der Kälte auf dem Bahnhof von Hamm stehen musste, weil mal wieder ein ICE ausgefallen war, der ist genau in der richtigen Stimmung für diese Meldung: Für ihre Leistungen im Jahr 2022 erhalten die Mitglieder des Bahn-Vorstands im kommenden Jahr knapp fünf Millionen Euro.
Diese Boni sind ein Skandal, und nicht nur, weil die Tickets gerade erst verteuert wurden. Seit Jahren operiert die Bahn "hart an der Grenze zum Chaos", wie GdL-Chef Claus Weselsky mal mit Recht befand. Gerade erst musste das Unternehmen seine niedrigste Pünktlichkeitsquote seit acht Jahren verkünden. "Im November haben 52 Prozent der ICE- und IC-Züge ihr Ziel pünktlich erreicht", heißt es trotzdem fröhlich in der entsprechenden Pressemitteilung der Bahn. Mit anderen Worten: Fast jeder zweite Zug im Fernverkehr kam zu spät. Kleines Schmankerl am Rand: Ausgefallene Züge tauchen in der Unpünktlichkeitsstatistik der Bahn nicht auf.
Ausgezahlt werden die Boni, weil die staatliche Strompreisbremse zum 1. Januar abgeschafft wird. Damit werden Zahlungen frei, die bis dahin laut Gesetz nicht ausgeschüttet werden durften. Das mag formal korrekt sein, ist angesichts des Zustands der Bahn dennoch hochnotpeinlich. Hier ist die Bundesregierung als Eigentümerin der Bahn gefordert: Die Regeln müssen der Realität entsprechen. Ein Unternehmen, das sein eigenes Pünktlichkeitsziel so deutlich verfehlt, obwohl die Latte schon tief gehängt worden war, sollte seinem Vorstand keinen einzigen Cent an Boni überweisen - und auch nicht überweisen dürfen.
Boni für die Mitarbeitenden-Zufriedenheit
Auf Freiwilligkeit sollte man hier nicht setzen, dafür ist der Bahn-Vorstand offenbar zu schmerzfrei. Auch ein Vergleich mit anderen Konzernen geht fehl. Denn die Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber die Aktien gehören der Bundesrepublik Deutschland. Also uns allen. Wollen wir uns wirklich einreden, dass man gute Manager nur dann bekommt, wenn man bereit ist, ihnen Unsummen hinterherzuwerfen? In der Praxis hieße das, schlechte Arbeit besonders gut zu bezahlen, in der Hoffnung auf die Zukunft. Das kann es ja wohl nicht sein.
Wie in anderen Unternehmen sind Boni bei der Bahn daran geknüpft, dass eine Führungskraft sogenannte Zielvereinbarungen erfüllt. Allein 1,3 Millionen Euro an Bonuszahlungen gehen an Vorstandschef Richard Lutz. Knapp 440.000 Euro erhält er dem NDR zufolge, weil die Bahn beim Thema CO2-Einsparung ihr selbstgestecktes Ziel um zwei Prozentpunkte übererfüllt hat. Kunststück: Züge, die ausfallen, stoßen kein CO2 aus.
Weitere 384.000 Euro gehen an Lutz, weil die Bahn sich für 2022 besonders zufriedene Mitarbeiter und einen gestiegenen Anteil an weiblichen Führungskräften bescheinigt, wie NDR und WDR, die den Vorgang zusammen mit der "Süddeutschen Zeitung" enthüllt haben, schreiben. Laut NDR war die Bahn im Bereich "Frauen in Führung und Mitarbeitenden-Zufriedenheit" so erfolgreich, dass der Bonus für diesen Bereich noch erhöht wurde. Dummerweise dürften die Zahlungen die Zufriedenheit der Belegschaft drastisch und nachhaltig reduziert haben.
Das Geld wäre besser bei denen aufgehoben, die sich vor Ort darum bemühen, den täglichen Betrieb trotz aller Widrigkeiten so gut wie möglich am Laufen zu halten. Der Bahn-Vorstand hat eine Gratifikation für gute Arbeit jedenfalls nicht verdient.
Quelle: ntv.de