
CDU-Generalsekretär Mario Czaja posiert vor dem Plakat zur Unterschriftenkampagne, das die Fassade des Konrad-Adenauer-Hauses ziert.
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Die CDU sammelt mit kruden Argumenten Unterschriften gegen das Verbot fossiler Heizungen, die CSU rückt Robert Habeck in die Nähe von Schwerverbrechern: Im Werben um Wähler verliert die Union ihr Augenmaß. Anstatt Sorgen der Bürger ernst zu nehmen, schürt sie Ängste - zum Schaden aller.
Die sogenannte Trauzeugen-Affäre lässt nach dem gestrigen Tag nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat der sehr kluge und erfahrene Staatssekretär Patrick Graichen einen für seine Verhältnisse unglaublich dummen Fehler gemacht. Oder er hat versucht, einen Vertrauten auf einen strategisch wichtigen Posten zu hieven, sich dabei wissentlich über den Verhaltenskodex des Bundeswirtschaftsministeriums hinweggesetzt und dafür Schaden für das Haus in Kauf genommen. Mit vollem Recht macht nun die Union als größte Oppositionspartei Druck in dieser Affäre und pocht auf Aufklärung. Wie CDU und CSU aber den Vorgang mit dem kommenden Verbot fossiler Heizungen verknüpfen, wie beide Parteien auf Angstmacherei und Kulturkampf setzen, ist jenseits aller guten demokratischen Gepflogenheiten.
Nachdem die Union am Mittwoch im Bundestag das Bild einer "Clique" an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums gezeichnet hat, die den Bürgern die Wärmewende gegen jede Vernunft aufdrücke, startete sie heute eine Unterschriftenkampagne gegen das Gebäudeenergiegesetz. Im Bundestag warf CDU-Generalsekretär Mario Czaja Wirtschaftsminister Robert Habeck vor, er verbreite "Angst und Schrecken im ganzen Land". Mit Blick auf die CDU-Kampagne muss man feststellen: Angst und Schrecken verbreitet vor allem die CDU. Sie wirft der Regierung im Kampagnentext vor, dass niemand wisse, welche Förderungen es geben werde. Tatsächlich ist das Mindestmaß von 30 Prozent schon bekannt und weitere Förderungen zeichnen sich ab. Sie werden rechtzeitig stehen, bevor - voraussichtlich zum Jahreswechsel - das Gesetz greift.
Wer bietet die größte Schreckenszahl?
Doch während die genauen Fördersummen tatsächlich noch nicht in Stein gemeißelt sind, überbieten sich Unionspolitiker mit Horrorszenarien für Hauseigentümer: 100.000 Euro, 150.000 Euro für Umbaukosten. Wer bietet mehr? Im Moment führt Bayerns wahlkämpfender Ministerpräsident Markus Söder die Liste der größten Schreckenszahlen mit 300.000 Euro an. Dass im Gesetzentwurf jetzt schon Härtefallregelungen vorgesehen sind, verschweigt die Union genauso wie die bereits erfolgte Festlegung, dass eben nicht nur Wärmepumpen gefördert werden, sondern jede Technologie, die die Vorgabe von 65 Prozent Erneuerbarer Energien erfüllt. Selbst Gasheizungen können in Verbindung mit einer Wärmepumpe für die nicht so kalten Tage bis 2045 im Keller verbleiben.
Dass Habeck und der Architekt der Energiewende, Patrick Graichen, von besonderer sozialer Kälte getrieben seien, lässt sich frei von Fakten leicht behaupten. Tatsächlich hatte die vom Institut Agora Energiewende, dessen Geschäftsführer Graichen war, entworfene Studie zur Umsetzbarkeit des Heizungstausches Förderquoten von bis zu 100 Prozent vorgesehen, also eine komplette Übernahme der Kosten durch den Staat. Auch Habeck zeigte sich dafür in den vergangenen Monaten offen. Zumindest Förderungen bis 80 Prozent könnten am Ende des parlamentarischen Prozesses herauskommen. Wie sozialverträglich die Wärmewende wird, hängt lediglich an der Frage, wie staatliche Zuschüsse finanziert werden können. Soziale Kälte zu beklagen, aber keine soziale Lösung anzubieten, läuft einzig auf eine Verhinderung der Wärmewende hinaus.
Wasser auf die Mühlen der Staatsverächter
Auf praktikable Lösungen scheint es CDU und CSU unter dem Vorsitz von Friedrich Merz und Markus Söder auch gar nicht anzukommen. Es geht um Stimmungsmache, darum, ein lautest mögliches "Nein!" zu rufen. Anders als auf der Website der Unterschriftenkampagne behauptet, findet sich bei der CDU kein Hinweis darauf, auf welchem anderen Weg Deutschland seiner Verpflichtung zur Klimaneutralität bis 2045 nachkommen könnte. Mit Öl- und Gasheizungen wird es jedenfalls nicht gehen, auch wenn die vergangenen, unionsgeführten Bundesregierungen alles getan haben, um die Bundesrepublik dauerhaft an fossile Energieträger zu binden - weshalb kaum eine andere europäische Industrienation bei der Gebäudewärme so abhängig von Öl und Gas ist. Der Grünen-Vorwurf, die Union habe letztlich gar kein Interesse am Erreichen der Klimaziele, ist schwer zu entkräften.
Natürlich darf die Union Kritik am GEG nutzen, um Wähler für sich zu gewinnen. Dass sie diesen Streit über die Diskreditierung von Einzelnen führt und weniger über Sachargumente, ist so legitim wie destruktiv. Dass sie mit dem Gerede von Clan- oder Mafiastrukturen die Grünen mit der organisierten Kriminalität gleichsetzt, verletzt aber jeden demokratischen Anstand. Und schädlich ist es dazu, weil die Union damit Wasser auf die Mühlen der Demokratieverächter schüttet. Wer den Menschen weismacht, die böse Regierung wolle sie mit krimineller Energie enteignen, trägt auch die Verantwortung dafür, wenn die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in den Staat als ganzes verlieren, sich abwenden oder Extremisten wählen. Das kann unmöglich das Ziel von Christdemokraten und Christsozialen sein.
Quelle: ntv.de