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Pomp, Prunk und SalbungDie Monarchie ist nur eine Lüge

17.09.2022, 15:34 Uhr b58b01e6-b3b2-4108-ace9-39b8c6dbd390Hubertus Volmer
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König nicht durch Wahl oder Leistung, nur durch Geburt und "Gottes Gnade": Charles III. (Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Durch die Geburt auserwählt, Herrscher von Gottes Gnaden? Gerade in diesen Tagen sollte man sich daran erinnern, dass die Grundsätze der Monarchie allem widersprechen, für das demokratische Gesellschaften stehen.

Über die Toten nur Gutes, heißt es, und gegen diesen Grundsatz soll hier nicht verstoßen werden. Die englische Königin Elizabeth war zweifellos eine beeindruckende Frau. Aber um sie geht es hier nicht.

Es geht um die Monarchie, eine archaische Staatsform, die in demokratischen Gesellschaften normalerweise niemand ernst nimmt, eine Angelegenheit von bunten Zeitschriften und Klatschmeldungen, mehr nicht. Und doch wurde nach dem Tod von Elizabeth nicht nur in Großbritannien, auch in Deutschland, mit ungewöhnlicher Hochachtung vom britischen Königshaus und der Monarchie an sich gesprochen.

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Monarchie gegen ein fundamentales Prinzip demokratischer Gesellschaften verstößt: gleiches Recht für alle. Natürlich haben die Kinder von Professoren, Ärztinnen und Großunternehmern auch in Demokratien bessere Chancen als die Söhne und Töchter von Erzieherinnen, Pflegekräften und kleinen Angestellten. Die Meinungen darüber, ob und wie sehr Staat und Gesellschaft bei diesem Thema aktiv werden sollten, gehen auseinander. Aber dass hier Chancenungleichheit vorliegt, auch Ungerechtigkeit, ist doch den meisten klar. In jedem Fall gilt der Grundsatz: Geburt sollte keine Privilegien schaffen.

Er nennt sich ernsthaft "König von Gottes Gnaden"

Zudem ist bei aller Faszination für Pomp und Prunk offenkundig, dass die Idee der erblichen Monarchie auf Mythen und Legenden basiert, man könnte auch sagen: auf einer Fiktion. "Heute geht die Krone - wie schon seit mehr als tausend Jahren - auf unseren neuen Monarchen, unser neues Staatsoberhaupt über", sagte die britische Premierministerin Liz Truss nach dem Tod der Königin. "Wir bieten ihm unsere Loyalität und Hingabe an, so wie seine Mutter so lange so viel für so viele getan hat."

Warum? Was qualifiziert Charles dazu, König zu sein? Rational erklärbar ist das nicht, auch wenn jedes Kind die Antwort weiß: Es ist seine Geburt, sonst nichts. Nicht das Volk oder das Parlament, sondern Gott entscheidet, wer die Nation führt. Und so ist der britische König beziehungsweise die britische Königin auch das Oberhaupt der Church of England. Bei seiner Krönung wird Charles mit geweihtem Öl gesalbt, er nennt sich allen Ernstes Charles the Third, by the Grace of God of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of My other Realms and Territories, King, Defender of the Faith - also König "von Gottes Gnaden" und "Verteidiger des Glaubens".

Gesalbter König eines säkularen Landes - das wirkt albern

"Das Königtum hängt untrennbar mit der Religion zusammen", schrieb der Publizist Max Nordau in seinem 1883 veröffentlichten Buch über "Die konventionellen Lügen der Kulturmenschheit". Ein Diktator könne seine Macht mit Gewalt durchsetzen, aber sobald er sein Reich vererben wolle, brauche er eine religiöse Legitimation. In einer säkularen Gesellschaft wie der britischen wirkt die Monarchie damit nur umso alberner. Dass ein Mensch durch seine Geburt mehr wert sein soll als ein anderer, glauben heute nur noch Rassisten - auch Monarchisten würden einen solchen Gedanken wohl von sich weisen. Dennoch beruht die Monarchie wie auch die - in Deutschland abgeschaffte, in Großbritannien weitgehend entmachtete - Aristokratie genau auf dieser Annahme.

Wenn Menschen sich einen Film ansehen oder ein Buch lesen, stören sie sich in der Regel nicht daran, dass die dort präsentierten Geschichten frei erfunden sind - sie verzichten bewusst darauf, hinter die Fassade der Fiktion zu blicken. Der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge nannte das "willing suspension of disbelief", den freiwilligen Verzicht auf den Unglauben. Was im Kino und beim Lesen sinnvoll und notwendig ist, wirkt absurd, wenn es um die Realität geht. Man muss schon freiwillig darauf verzichten, die Monarchie zu hinterfragen, um an sie glauben zu können.

In Großbritannien ist das Klammern am Königshaus gegen jede Vernunft, das Festhalten an der Fiktion erblicher Macht, ein Ausdruck alternativloser Not. "Königin Elizabeth II. war der Fels, auf dem das moderne Britannien erbaut wurde", sagte Liz Truss. "Ihretwegen ist Britannien das großartige Land, das es heute ist." Das ist zwar ebenfalls nur eine "konventionelle Lüge", zeigt aber, wie schwer es Briten fällt, sich ihr Land ohne das einigende Band der Monarchie vorzustellen. Das erklärt auch, warum 62 Prozent der Briten wollen, dass ihr Land eine Monarchie bleibt - wobei es in Schottland nur 45 Prozent sind. Fiktionen sind schwer zu überwinden. Aber gelegentlich sollte man sich klarmachen, dass sie auch nur schöne Lügen sind - bei allem Respekt vor Elizabeth Windsor.

Quelle: ntv.de

GroßbritannienMonarchieKing Charles III.Queen Elizabeth II.