Das Ende der "gemeinsamen Werte" Vance spricht über Demokratie, aber er meint Unterwerfung


J.D. Vance kam nicht zur Sicherheitskonferenz nach München, um über Sicherheitspolitik zu sprechen. Vielmehr skizzierte er den Kern der Trump-Ideologie.
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US-Vizepräsident Vance bringt die Botschaft der Trump-Bewegung nach Europa: Was demokratisch ist, bestimmt Trump. Die europäische Demokratie ist in dieser Welt vogelfrei. Zum Abschuss freigegeben.
CDU-Chef Friedrich Merz hat recht: Der Auftritt von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz war eine Zeitenwende. Drei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine ist diese Rede die zweite Zeitenwende für Europa. Die erste wurde ausgelöst durch den russischen Überfall. Die zweite durch das schamlose Bekenntnis der US-Regierung zum Rechtspopulismus.
Vance sprach zwar viel über "gemeinsame Werte". Aber er machte deutlich, dass die neue US-Regierung unter Meinungsfreiheit und Demokratie etwas völlig anderes versteht als die meisten Europäer.
Die Mehrheit der Europäer dürfte es als Eingriff in die Meinungsfreiheit sehen, wenn der reichste Mann der Welt, Elon Musk - aus europäischer Sicht ein demokratisch nicht legitimierter Ausländer -, sich mit seiner Plattform, seinen Algorithmen und seiner Reichweite in einen europäischen Wahlkampf einmischt. Für Trump und seine Jünger ist es ein Eingriff in die Meinungsfreiheit, wenn eine Plattform wie X reguliert werden soll. Für die meisten Europäer ist es Demokratie, wenn ein Parlament in freien, gleichen und geheimen Wahlen bestimmt wird. Für Trump und seine Jünger ist es Demokratie, wenn der Messias ins Weiße Haus zurückkehrt.
Die USA wollen "Regime Change" in Europa
Trump sucht nicht Verbündete, sondern Gefolgsleute - das gilt nicht nur für die USA, sondern auch in Europa. Vance dürfte sehr richtig analysiert haben, dass diese Art der Gefolgschaft unter den deutschen Mitte-Parteien nicht zu finden ist. Schon vor seiner Ankunft in München hatte er dem "Wall Street Journal" gesagt, er werde die deutschen Politiker drängen, mit allen Parteien zusammenzuarbeiten, einschließlich der AfD. Das Ziel dahinter ist offenkundig: Regime Change in Europa. Partner im Geiste sollen die Macht übernehmen.
Das klang dann so: "Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt. Es gibt keinen Platz für Brandmauern." In den USA kämen Trump und er nicht einmal im Traum auf die Idee, den oppositionellen Demokraten eine faire Zusammenarbeit anzubieten. In München stellte Vance sich als Vertreter eines einheitlichen Volkswillens dar, den es in keiner Demokratie gibt - zu unterschiedlich sind die Positionen der Menschen. Aber Trump und sein Sprachrohr wollen nicht Mehrheiten zu ihrem Recht verhelfen oder Minderheiten eine Stimme geben. Sie wollen die liberale Demokratie zerstören.
Europa werde stärker von innen bedroht als von außen, von Russland oder China, sagte Vance. Er warf Europa vor, "einige seiner grundlegendsten Werte" aufgegeben zu haben, und zwar jene, "die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt".
Die Bedrohung kommt von zwei Seiten
Aus europäischer Sicht sind es die USA, die sich von diesen Werten zurückgezogen haben. Aber richtig bleibt, dass die gemeinsame Basis weg ist. Vance unterstellte gar, dass sich eine Verteidigung der Demokratie in Europa nicht mehr lohne. "Wenn Ihre Demokratie mit ein paar Hunderttausend Dollar an digitaler Werbung aus einem fremden Land zerstört werden kann, dann war sie von Anfang an nicht sehr stark", sagte er mit Blick auf eine russische Unterwanderung der Präsidentschaftswahlen in Rumänien. Nur zur Erinnerung: Hier spricht der Vizepräsident des Mannes, der 2016 mit russischer Unterstützung an die Macht kam.
All diese Sätze sind in mehrfacher Hinsicht infam. Auf rein machtpolitischer Ebene machen sie klar, welches Ziel die neue US-Regierung verfolgt: Unterwerfung unter den Willen des Präsidenten, der aus Sicht der Trump-Jünger sowohl in den USA wie auch in Europa identisch ist mit dem Willen des gesamten Volkes.
Mit Trumps Amtsantritt am 20. Januar 2025 hat Europa seinen wichtigsten Verbündeten für unabsehbare Zeit verloren. Die erste Zeitenwende hat deutlich gemacht, dass Russland Europa unmittelbar bedroht. Die zweite Zeitenwende zeigt, dass es seinen Schutz längst selbst hätte organisieren müssen - nicht nur militärisch, auch vor einer Einflussnahme von Trump-Jüngern wie Elon Musk.
J.D. Vance kam nicht zur Sicherheitskonferenz nach München, um über Sicherheitspolitik zu sprechen. Vielmehr skizzierte er den Kern der Trump-Ideologie: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.
Quelle: ntv.de