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Unwissen und Show-Effekte Trump hat keinen "Friedensplan" für die Ukraine

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Die Fixierung des US-Präsidenten auf Show-Momente und sein sehnlicher Wunsch, weltweit bewundert zu werden, bergen ein hohes Risiko sowohl für die Ukraine als auch die USA, schreibt Boris Bondarew in seinem Kommentar.

Die Fixierung des US-Präsidenten auf Show-Momente und sein sehnlicher Wunsch, weltweit bewundert zu werden, bergen ein hohes Risiko sowohl für die Ukraine als auch die USA, schreibt Boris Bondarew in seinem Kommentar.

(Foto: AP)

Der US-Präsident will der Welt beweisen, dass er das Zeug zum Friedensstifter hat. Offenkundig möchte er den Krieg schnell beenden, indem er Putin gibt, was der will. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem geheimen Zusatzprotokoll nach Vorbild des Hitler-Stalin-Pakts.

Wir erinnern uns: Innerhalb eines einzigen Tages wollte Donald Trump den Krieg in der Ukraine beenden. Kaum im Amt, musste er das Ziel einkassieren, von dem jedes ukrainische Schulkind weiß, dass es utopisch ist. Wieder einmal erwies sich der US-Präsident als Sprücheklopfer, der Ankündigungen macht, die nicht ansatzweise zu realisieren sind. Erstaunlich ist allerdings, dass Trump vor der ganzen Welt offen zur Schau stellte, dass er und seine engsten Mitstreiter schlichtweg keine Ahnung von Putin und seinem eiskalten Charakter haben.

Die Verlautbarungen aus Washington zur Erzwingung des Friedens in der Ukraine reihen sich bislang ein in die erratische Außenpolitik Trumps, der sich offenbar für unfehlbar hält und Experten generell misstraut. Nicht nur seine Verbal-Angriffe auf Kanada und Mexiko, seine Andeutungen über die mögliche Annexion Grönlands und sein Gerede über den Gazastreifen unter US-Kontrolle lösen Kopfschütteln aus. Auch seine Personalpolitik sorgt für Verwunderung.

Trumps designierte Geheimdienstchefin klingt wie der Kreml

Außenminister Marco Rubio hat keine ernsthafte Erfahrung in der Außenpolitik. Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein ehemaliger Fox-News-Moderator, hat keine ernsthafte Erfahrung in Verteidigungspolitik. Beide streben nun aber im Auftrag ihres Herrn die "schnellstmögliche diplomatische Beendigung des Krieges in der Ukraine" an. Begleitet von Tulsi Gabbard, ebenfalls bis vor Kurzem bei Fox News beschäftigt, die die Geheimdienste leiten soll. Sie warf der Führung der Demokraten vor, "elitäre Kriegstreiber" zu sein - das klingt zu 100 Prozent wie Kreml-Propaganda.

All dies deutet darauf hin, dass nicht Kompetenz und Professionalität maßgeblich für den Erhalt eines wichtigen Amtes in Trumps Regierungsapparat sind, sondern Loyalität gegenüber dem Präsidenten. Man könnte argumentieren, dass Chefs einer Behörde oder eines Ministeriums keine Fachleute sein müssen, weil sie sich auf Beamte und Mitarbeiter mit notwendigem Wissen verlassen können. Aber die will Trump bekanntlich in Massen loswerden.

Helfen tut ihm dabei Elon Musk, der für die "Verbesserung der Effizienz der Regierungsbehörden" zuständig ist, womit in Wahrheit gemeint ist, das Hirngespinst namens "tiefer Staat" zu erledigen. Es stellt sich die Frage: Wer soll die derzeitige Bürokratie ersetzen? Der Rest der Fox-News-Moderatoren? Die Mitarbeiter von X oder Space X? Sie dürften gegenüber der neuen Regierung loyal sein. Die Nachrücker verfügen aber nicht über die erforderliche Erfahrung und Kompetenz, was heißt, sie können die Behörden nicht auf dem gewohnten Niveau halten und fallen als Ratgeber aus.

Trump und Putin basteln an einem Diktatfrieden

Man mag gar nicht daran denken, wie sich das auf den Verlauf des russisch-ukrainischen Krieges auswirken wird. Zumal die maßgeblichen US-Politiker wild durcheinander reden. Trump selbst, Außenminister Rubio und der Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, schlagen mal dies und dann wieder jenes vor. Einen Tag ist von schärferen Sanktionen gegen Russland die Rede, am nächsten wird Entgegenkommen für Putins Interessen signalisiert. Dies lässt nur den Schluss zu: Trump und seine Leute haben keinen einigermaßen klaren Friedensplan - also auch keine Vision für die Beendigung des Krieges und die Zukunft der Ukraine.

Trump redet viel, aber sagt wenig. Und bewirkt gar nichts. Man darf nicht den Fehler machen, ihn und seine Annäherung an Putin schon jetzt zu verurteilen, bevor es nicht eindeutige Beweise gibt, dass er vor dem russischen Machthaber kriecht. Aber deutlich ist schon, dass der Kreml bei dem mitmischt, was über den "Friedensplan" nach außen dringt. Wie ließe sich sonst erklären, dass Verlautbarungen die Bedingungen Russlands eins zu eins wiedergeben, die im Wesentlichen eine vollständige Kapitulation der Ukraine bedeuten würden. Auf die Spitze getrieben: Trump und Putin basteln an einem Diktatfrieden.

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Dabei muss man dem US-Präsidenten zugutehalten, dass er mit der Hinterlassenschaft seines Vorgängers umgehen muss. Joe Biden zeigte sich schwach und unentschlossen gegenüber Putin. Sein Motto "weder Frieden noch Krieg mit Russland" stellt Trumps Regierung vor eine schwierige Wahl. Russland mit harten Mitteln zu einem für die USA vorteilhaften Frieden zu zwingen, brächte eine ernsthafte Eskalation durch eine Verschärfung der Konfrontation mit sich, auch die Notwendigkeit, Russland endlich als Gegner zu betrachten. Dazu ist Trump offensichtlich nicht bereit. Das zeigt sich schon darin, dass er Putin oder Russland nicht als Kriegsverursacher benennt. Stattdessen zieht er es vor, den Schrecken des Krieges ganz allgemein zu beschreiben: "Menschen sterben, Städte werden zerstört."

Im schlimmsten Fall kommt ein geheimes Zusatzprotokoll

Die Fixierung des US-Präsidenten auf Show-Momente und sein sehnlicher Wunsch, weltweit bewundert zu werden, bergen ein hohes Risiko sowohl für die Ukraine als auch die USA. Das Bestreben, in kurzer Zeit große Erfolge verkünden zu wollen, und die Unprofessionalität seines Teams bilden ein gefährliches Gemisch. Das Ansinnen eines raschen "Deals" schwächt Trumps Verhandlungsposition. Sein Interesse, schnellstmöglich Ergebnisse vorzulegen, spielt Putin in die Hände. Der Kreml-Chef kann mit umfassenden Zugeständnissen rechnen, damit Trump der Weltöffentlichkeit zeigen kann: Seht her, ich bin der Friedensstifter.

Im schlimmsten Fall kommt es zu einem geheimen Zusatzprotokoll nach Vorbild des Hitler-Stalin-Pakts. Im August 1939 sicherte das Deutsche Reich der Sowjetunion zu, sie nicht anzugreifen - und umgekehrt. Es folgte der deutsche Überfall auf Polen und später der sowjetische Einmarsch in Ostpolen. Gut zwei Jahre später brach Hitler die heimliche Verabredung und überfiel die Sowjetunion.

Es wäre möglich, dass Trump im Verborgenen Russland territoriale Zugeständnisse in der Ukraine macht und Pläne Moskaus zur vollständigen Unterwerfung des Landes billigt. Putin brächte das den ersehnten Sieg, er käme seinem Ziel einer Neuauflage der Sowjetunion näher. Man muss vermuten: Noch ehe Trump den erhofften Friedensnobelpreis in den Händen hält, wird Russland die Ukraine unter irgendeinem Vorwand erneut angreifen und auf das geheime Zusatzprotokoll verweisen.

Wir können nur hoffen, dass die USA doch noch ihre Interessen klar definieren und Trump ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen seriöser Politik und schwatzhaften Show-Einlagen herstellt. Bis jetzt sieht es aber leider weiter so aus: Die Trump-Regierung ist mit der Situation total überfordert und nicht in der Lage, eine kompetente Friedenslösung zu finden. Der US-Präsident entscheidet sich offenkundig für den Weg des geringsten Widerstands: Wir beenden den Krieg, in dem wir tun, was Putin will. Territoriale Zugeständnisse an Putin? Na klar. Kein NATO-Beitritt für die Ukraine? Selbstverständlich. Wahlen in der Ukraine, um Selenskyj loszuwerden und das Land im Krieg zu spalten, um seine Verteidigungsfähigkeit weiter zu schwächen? Ja, natürlich!

Vor allem wird Europa den Preis dafür bezahlen. Und man ahnt schon, wen der US-Präsident am Ende für das Scheitern seines Kurses verantwortlich machen wird. Biden. Selenskyj. Die Woken. Schuld wird in Wahrheit nur einer haben: das Großmaul Donald Trump.

Der Autor: Boris Bondarew hat als Diplomat für das Außenministerium des Kreml gearbeitet, bis er 2022 gegen den Ukrainekrieg protestierte und kündigte. Er lebt heute unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Exil, 2024 erschien sein Buch "Im Ministerium der Lügen".

Quelle: ntv.de

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