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Lockdown statt Corona-Feiertage Wie viele Tote ist uns Weihnachten wert?

Jeden Tag sterben in Deutschland Menschen, die ohne die Corona-Pandemie Weihnachten erlebt hätten.

Jeden Tag sterben in Deutschland Menschen, die ohne die Corona-Pandemie Weihnachten erlebt hätten.

(Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa)

Der bisherige Teil-Shutdown hat die Zahl der Corona-Neuinfektionen nicht gesenkt. Dennoch sollen sich an Weihnachten wieder mehr Menschen auf engstem Raum treffen dürfen. Das Gegenteil ist geboten: strenge Kontaktbeschränkungen über die Feiertage und Silvester.

Machen wir uns nichts vor: Für das Weihnachtsfest mit der Familie zahlt unser Land in diesem Jahr einen hohen Preis. Menschen werden vorzeitig sterben, obwohl es dazu nicht hätte kommen müssen. Noch mehr Menschen werden an Covid-19 erkranken, es überleben, aber an den Symptomen leiden und Tage existenzieller Sorge durchleben. Tausenden Ärzten und Pflegern, die ja angeblich unser aller Helden sind, bürden wir noch mehr Arbeit und Stress auf - obwohl bei vielen kaum noch Luft nach oben ist.

Das muss jedem klar sein, der darauf besteht, Weihnachten in großer Runde zu feiern. Schließlich gestattet der Gesetzgeber über Weihnachten Treffen von bis zu zehn Personen über 14 Jahren. Da kommen schnell drei bis vier Haushalte zusammen - und das schlimmstenfalls an jedem einzelnen der drei Weihnachtsfeiertage. Ein unwissentlich Infizierter kann so binnen drei Tagen locker Dutzende Menschen anstecken, die ihm besonders lieb sind. Besuche bei weiter entfernt wohnenden Verwandten tragen das Virus schnell durch die halbe Republik (was im Übrigen gegen lockerere Regeln in Regionen mit niedrigen Ansteckungszahlen spricht).

Umgang mit Pandemie ist keine individuelle Verantwortung

Wer all das riskiert und darauf verweist, dass er es schließlich darf, dem muss gesagt werden: Er trifft nicht nur eine Entscheidung darüber, welcher Gefahr er sich selbst und seinen Nächsten aussetzt. Derjenige riskiert auch das Leben unzähliger Unbekannter, die sich aus Einsicht in die Notwendigkeiten einer Pandemie freiwillig zurücknehmen. Wenn wegen der Corona-Weihnachtsfeiern Mitte Januar ganze Kliniken überlastet sein sollten, könnte die Zahl der zu vermeiden gewesenen Toten neue Höhen erreichen.

Dies zu verhindern, ist Aufgabe der Politik und nicht die individuelle Verantwortung jedes Einzelnen. Das Drama jedweder Pandemie-Politik ist aber, dass nie ersichtlich wird, wie viel Leid durch getroffene Maßnahmen verhindert wurde. Wir wissen nicht, wie viele Leben Hunderttausend Menschen retten, die konsequent Maske tragen und Abstand halten. Wir wissen nicht, wie viele Infektionen genau der anhaltende Teil-Lockdown verhindert hat und noch verhindern wird. Deshalb gibt es für die politisch Verantwortlichen nur wenig zu gewinnen, wenn sie den Menschen noch mehr Freiheiten nehmen und der Wirtschaft noch mehr Belastungen zumuten. Was wir durch die Auflagen verlieren, sieht und spürt jeder einzelne unmittelbar. Was wir aber gewinnen, das verhinderte Sterben, bleibt diffus.

Jeder Hausstand bleibt für sich - Ausnahmen möglich

Klar ist allerdings: Das Vorhaben von Bund und Ländern, sichere Weihnachten mit der ganzen Familie zu ermöglichen, ist gescheitert. Trotz aller Einschränkungen sind die Ansteckungszahlen weiter zu hoch und müssen deshalb schleunigst sinken. Ein strengerer Shutdown ist unvermeidlich. Strenge Kontaktbeschränkungen sollten auf die Zeit vorgezogen werden, in der sie am meisten bewirken und am wenigsten Schaden anrichten: auf die Tage um Weihnachten und Silvester. Ein Lockdown erst im Januar kostete mehr Geld und mehr Tote und wäre auch nicht populär. Für Eltern mit Kindern wie auch für die Wirtschaft wäre die Zumutung deutlicher Kontaktbeschränkungen in der an Feiertagen reichen Zeit ohnehin am erträglichsten.

Sinnvoll wäre also, prinzipiell gar keine Treffen verschiedener Hausstände zu erlauben und zugleich Ausnahmen zu definieren - etwa für Alleinlebende, für sonst getrennt lebende Eltern mit kleinen Kindern oder um Besuche bei Alten und Kranken zu ermöglichen, die womöglich ihr letztes Weihnachten erleben. Derartige Regeln - oder zumindest Empfehlungen - würden die Zahl der zu erwartenden Feiertagskontakte drastisch reduzieren. Weihnachten würde zwar weniger festlich ausfallen, aber das wäre eine einmalige Zumutung. Schließlich kommt mit dem neuen Jahr auch der Impfstoff. Und wer mit der religiösen Bedeutung von Weihnachten argumentiert: Gibt es einen christlicheren Gedanken als selbst zu verzichten, um das Leid anderer zu mildern? Nein, gibt es nicht.

Quelle: ntv.de

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