Person der Woche: Udo Philipp 35.591,92 Euro für die Firma des Staatssekretärs
23.05.2023, 09:48 Uhr
Habecks Staatssekretär Udo Philipp gerät immer stärker unter Druck. Journalisten bringen peinliche Details über die Vermischung von Privatgeschäften und Regierungshandeln zutage. Philipp rühmte sich einst als grüne Heuschrecke - das klingt heute fatal.
Die Entscheidung fiel am 28. Oktober 2022. Die Firma "Africa GreenTec AG" erhält den Förderzuschlag aus dem Bundeswirtschaftsministerium, um autonome Fotovoltaik-Anlagen zu verbessern. Dafür gibt das Ministerium 35.591,92 Euro an das Hainburger Privatunternehmen frei. Ein halbes Jahr später wird daraus ein Problem, womöglich ein Skandal. Denn der Staatssekretär des Ministeriums, Udo Philipp, ist an just diesem Unternehmen mit 4,1 Prozent persönlich beteiligt.
Schon knapp zwei Jahre zuvor, am 22. Dezember 2020, hatte das Ministerium die Firma des Staatssekretärs mit einer Förderung bedacht - 65.000 Euro netto. Mit dem Geld soll "Africa GreenTec" im Senegal Solaranlagenschulungen finanzieren. Zu dieser Zeit war Philipp allerdings noch nicht im Ministerium, das damals CDU-geführt war.
Als Journalisten des Wirtschaftsmagazins "Business Insider" den nun anrüchigen Sachverhalt recherchieren, bekommen sie aus dem Wirtschaftsministerium zu hören, der Staatssekretär habe keine Kenntnis, dass eines der Unternehmen, an denen er beteiligt sei, seit dem Regierungswechsel Förderung aus dem Ministerium erhalten habe. Wenige Tage später kommt das Eingeständnis und die Offenlegung der Vorgänge, allerdings mit dem entschuldigenden Hinweis, Philipps sei nicht direkt in die Entscheidungen eingebunden gewesen.
Weitere heikle Beteiligungen
Wenn man Journalisten derart an der Nase herumführen will, werden die erst recht hellhörig. Und so fanden die Reporter von "Business Insider" als Nächstes heraus, dass Philipp einen schillernden Vertreter der grünen Impact-Investoren-Szene auffallend aktiv förderte. Es geht um den knapp 30-jährigen Sebastian Böhmer, den Gründer von First Momentum Ventures. Der selbstbewusste Venture-Capitalist wurde plötzlich Berater Robert Habecks und stieg offiziell in den Ministeriums-Beirat "Junge Digitale Wirtschaft" auf.
An sich können derart ungewöhnliche Personalentscheidungen erfrischend wirken, doch auch in diesem Fall zeigt sich bei genauem Hinsehen, dass der Staatssekretär ein privates Finanzinteresse am Erfolg Böhmers hat. Er war persönlich am Investmentfonds Böhmers beteiligt. Je prominenter und erfolgreicher Böhmer mit dem Staatsberater-Siegel Geld einsammeln und investieren kann, desto reicher wird der Staatssekretär.
Nachdem nun der Staatssekretär gleich zweimal bei einer Vermischung von Privatinteressen und politischem Handeln aufgeflogen ist, werden Journalisten noch hellhöriger. Unter Wirtschaftsreportern wird nun recherchiert, was Philipps wichtigstes Wirtschaftsengagement, die "aktienähnlichen Rechte an der Triodos Bank" noch zutage bringen. Triodos ist Europas größte Nachhaltigkeitsbank und mobilisiert weiträumig öffentliche Gelder.
Auch die 13,6 Prozent-Beteiligung von Philipp an der französischen LMP - eine Art digitaler Kommunikationslobbyist - wirft Fragen auf. Denn das Unternehmen ist - so die Selbstbeschreibung - auf "B2G"-Geschäfte spezialisiert, also auf Geschäfte zwischen "Business to Government". LMP kümmert sich um "Fachleute, die mit dem öffentlichen Sektor in Kontakt stehen".
Die selbsterklärte Heuschrecke
Philipps hat aus seinen munteren kapitalistischen Aktivitäten nie ein Geheimnis gemacht. Er lässt sich "Business Angel" rufen und hat 2018 einen bemerkenswert offenen Blogeintrag publiziert, in dem er sich selbst als "Heuschrecke" tituliert. Wörtlich schreibt er über sich: "Ich komme aus der Finanzwirtschaft. Ich war im Top-Management eines der größten Private Equity Fonds in Europa. Ich war sozusagen eine der größten Heuschrecken in Deutschland."
Nun aber müsse man die Instrumente des Finanzkapitalismus aktiv nutzen, um die Klimawende zu beschleunigen. "Die Politik muss daher für mehr Investitionen sorgen. Das können staatliche Investitionen in Infrastrukturausbau sein oder auch private Zukunftsinvestitionen." Diese Losung hat er offenbar recht persönlich genommen.
Opposition feiert, Koalitionspartner sind entsetzt
Für die Opposition sind die Enthüllungen um Udo Philipp ein gefundenes Fressen. "Einige grüne Netzwerkfreunde scheinen mit einer derartigen Selbstverständlichkeit bei der Vermischung von Regierungs- und privatem Handeln vorzugehen, dass hier eine grundlegende Klärung notwendig ist", mahnt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner.
Aber auch die Koalitionspartner sind von den Machenschaften der Habeck-Staatssekretäre irritiert. Bei der SPD verbreitet man hinter vorgehaltener Hand die Vokabel "unanständig" und verweist darauf, dass der heutige Wirtschaftsberater von Kanzler Olaf Scholz, Jörg Kukies, seine Beteiligungen an Startup-Unternehmen gezielt verkauft habe, als er im Jahr 2018 als Staatssekretär ins Bundesfinanzministerium wechselte.
Die FDP setzt Habeck sogar offen unter Druck und fordert genauere Antworten vom zuständigen Minister. Es müsse "die Frage beantwortet werden, wie es dazu kam, dass Staatssekretär Udo Philipp überhaupt für den Bereich Startups zuständig sein konnte", sagte der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki. "Gerade bei der Aufgabenzuteilung an der Behördenspitze ist höchste Sensibilität angezeigt, da jeder Anschein von Unsauberkeiten vermieden werden muss." Der FDP-Politiker äußerte verschmitzt die Erwartung, Habeck werde hier "volle Transparenz herstellen".
Kein Vertrauen in Selbstkontrolle
Die Geschäftsführerin von abgeordnetenwatch.de Léa Briand, kritisiert derart offensichtliche Interessenkonflikte: "So entsteht Schaden für Vertrauen." Der Verdacht, "dass hier nicht für das Allgemeinwohl gehandelt wird," sei einfach da. Briand fordert: "Bei Graichen und Philipp reicht keine Selbstkontrolle, es braucht jetzt unabhängige, externe Instanzen zur Kontrolle der Vorgänge." Auch der Bundestag will sich mit dem Thema in dieser Woche befassen: Die Ausschüsse für Wirtschaft und Energie- und Klimaschutz sollen am Mittwoch erneut in gemeinsamer Sitzung tagen - diesmal womöglich öffentlich.
Für Wirtschaftsminister Habeck kommt der neue Krisenfall zur Unzeit. Gerade erst musste er seinen anderen Staatssekretär Patrick Graichen wegen politischer Vetternwirtschaft entlassen. Habecks Auswahl seiner Staatssekretärsriege wirkt inzwischen selbst unter grünen Parteifreunden als ein ziemlicher Missgriff.
Was ist Habecks Verantwortung?
Die vielen handwerklichen Fehler seiner Regierungsarbeit - von der grotesk gescheiterten Gasumlage bis zu den unausgegorenen Heizungsverboten - rührten auch daher, dass er ausgerechnet drei Lobbyisten in sein Machtzentrum berufen hatte: Der frühere Attac-Aktivist Sven Giegold avancierte zum Staatssekretär und ebenso Patrick Graichen, Ex-Direktor der Erneuerbaren-Lobbygruppe "Agora" und eben Udo Philipp, Lobbyist der Private-Equity-Impact-Szene. Dass ausgerechnet ein grüner Vizekanzler mehrere Lobbyisten an die Schalthebel der Macht führt, obwohl die Grünen seit Jahren gegen den Lobbyismus im Berliner Politikbetrieb Stimmung machen, wird ihm nun zur Gefahr.
Mit Philipp Nimmermann hat er immerhin auf einem Posten eine kluge Kehrtwende vollzogen. Nimmermann ist ein erfahrener, pragmatischer Ingenieur der Macht, zudem ein ausgleichender Staatssekretär mit Wirtschaftssachverstand. Im Ministerium ist zu hören, dass auch für Udo Philipps Posten schon Nachfolgenamen kursieren, seine Karriere in diesen Tagen am seidenen Faden hänge. Auch er könnte jederzeit "den einen Fehler zu viel" (O-Ton Habeck) machen, der Graichen zum Verhängnis wurde. Die grüne Heuschrecke darf jetzt keinen falschen Sprung mehr machen.
Update: In einer ersten Version des Textes war der Eindruck erweckt worden, die Africa GreenTec AG habe im Dezember 2022 - und damit in der Amtszeit Philipps - eine zweite Förderung aus dem Ministerium erhalten. Dies haben wir korrigiert.
Quelle: ntv.de