UCI wegen Dopingskandal unter Druck Armstrong reißt Radverband mit
11.10.2012, 15:02 Uhr
Lance Armstrong nach einer Doping-Kontrolle bei der Tour de France 2002.
(Foto: dapd)
Es gibt wohl bald einen neuen Rekordsieger der Tour de France - zu erdrückend ist die mehr als 1000 Seiten starke Beweissammlung gegen Lance Armstrong. Der Weltverband des Radsports soll über Schmiergelder beteiligt gewesen sein. Und damit am "hochentwickeltsten Dopingprogramm, das die Sportwelt jemals gesehen hat".
Die Sportwelt ist geschockt, der erneut belastete Weltverband UCI steht mächtig unter Druck: Der erschütternde Bericht der US-Antidoping-Agentur USADA über die erschreckenden Doping-Praktiken von Lance Armstrong und des US-Postal-Teams drohen den Radsport in eine weitere schwere Krise zu stürzen. Die UCI wird in dem auf 202 Seiten ausgearbeiteten Bericht abermals in ein zweifelhaftes Licht gerückt. Das Denkmal des siebenmaligen Tour-de-France-Siegers Armstrong steht vor der engültigen Zerstörung.
"Ich habe Verständnis dafür, wenn die Leute jetzt alle Resultate im Radsport hinterfragen", sagte etwa Dave Brailsford, Chef beim Team Sky des diesjährigen Tour-de-France-Siegers Bradley Wiggins. Die Veröffentlichung, so Brailsford, seien "ein Schock". Auch abseits des Radsports wurde der USADA-Bericht ähnlich aufgenommen, das Urteil über Armstrongs Schuld scheint längst gefallen. "Das ist natürlich eine große Enttäuschung. Lance Armstrong ist vielen Leuten ein Begriff, gerade im Radsport aber auch sonst auf der Welt. Im Nachhinein in der Hinsicht enttäuscht zu werden, ist natürlich sehr, sehr schade", sagte Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel.
Drei Wochen Prüfung
Jetzt richten sich die Augen auf den Weltverband. Die UCI hat den USADA-Bericht zur Überprüfung erhalten. Er enthält Belege für ein wohl beispielloses Dopingsystem, mit dessen Hilfe Armstrong sein sportliches Denkmal aufbaute. Wenn der Weltverband dem Texaner seine sieben Tour-Titel nicht aberkennt, wäre die nächste Glaubwürdigkeitskrise perfekt. "Wir werden alle Informationen auswerten, um Fragen hinsichtlich Einspruch und Bestätigung, Zuständigkeit und Verjährung innerhalb der nächsten 21 Tage zu erörtern", erklärte der Weltverband und versprach eine rasche Rückmeldung, um die "Angelegenheiten nicht länger als nötig zu verzögern".
Doch der Weltverband muss sich selber gegen schwere Anschuldigungen wehren. "Die Beweise sind stärker als stark. Sie sind aussagekräftiger als in jedem anderen unserer Fälle", sagte USADA-Chefermittler Travis Tygart, der vom "zweifellos hochentwickeltsten, professionellsten und erfolgreichsten Dopingprogramm, das die Sportwelt jemals gesehen hat", sprach.
Der UCI, allen voran Präsident Pat McQuaid, dürfte dieses Fazit Magenschmerzen bereiten. Es beruht auf eidesstattlichen Zeugenaussagen von elf früheren Armstrong-Teamkollegen und zahlreicher weiterer Personen, Nachweisen für Zahlungen in Millionenhöhe an den zwielichtigen Arzt Michele Ferrari, belastendem E-Mail-Verkehr und wissenschaftlichen Daten samt Labortests.
Eine solch massive Doping-Verschwörung ohne Wissen des Dachverbandes erscheint unwahrscheinlich, zudem halten sich hartnäckige Vowürfe über eine Mitwisserschaft. So soll Armstrong etwa bei der Tour de Suisse 2001 positiv auf Epo getestet worden sein und dafür ein als "Spende" getarntes Schweigegeld in Höhe von 100.000 Dollar an die UCI gezahlt haben.
Jaksche wollte auspacken
Der frühere deutsche Radprofi Jörg Jaksche, ein geständiger Dopingsünder, belastet McQuaid im USADA-Bericht schwer. Nach seinem Geständnis im Jahr 2007 habe er "Stunden mit der UCI gesprochen. Mit ihren Anwälten. Mit Anne Gripper, der Anti-Doping-Verantwortlichen bei der UCI und mit Präsident McQuaid." Er habe vollständige Transparenz herstellen und dem Verband das Ausmaß klar machen wollen, in dem Doping bei seinen Ex-Mannschaften wie dem Team Telekom, Once oder CSC betrieben worden sei. "Die UCI hat aber null Interesse daran gezeigt. McQuaid sagte mir, er hätte es lieber gesehen, dass ich die Dinge anders geregelt hätte", so Jaksche.
Mit anderen Dingen befasst sich offenbar auch Lance Armstrong. "Was ich heute Abend mache? Ich hänge mit meiner Familie ab, unbeeinflusst, und denke an meine Stiftung", schrieb er über Twitter. In einem weiteren Tweet verlinkte Armstrong einen Song des verstorbenen US-Musiker Elliot Smith mit dem Titel "Coming Up Roses". Übersetzt heißt es dort unter anderem: "Die Dinge, die du dir selbst erzählst, werden dich mit der Zeit zur Strecke bringen." Vielleicht ist Armstrong bei diesem Teil des Liedes nachdenklich geworden.
Quelle: ntv.de, sid