Wohlfühl-Job bei Schwimm-EM Britta Steffen wechselt auf die andere Seite
15.08.2014, 16:02 Uhr
Tribünenplatz statt Medaillenkampf: Bei der Schwimm-EM wird Britta Steffen ihren Freund Paul Biedermann anfeuern.
(Foto: imago sportfotodienst)
Zeiten, Platzierungen und Medaillen - in diesen Kategorien muss Britta Steffen nicht mehr denken. Im Jahr eins nach ihrem Rücktritt genießt die 30-Jährige die zweite Karriere und freut sich auf die EM in Berlin. Dort ist sie nach einem Seitenwechsel auch aktiv dabei.
In Tagen wie diesen wäre Britta Steffen früher längst tief im Titelkampf-Tunnel gewesen. Keine Ablenkung mehr, voller Fokus auf die anvisierten Rennen, keine Fragen zu Medaillen und Zeiten - umso mehr genießt die Doppel-Olympiasiegerin von 2008 ein knappes Jahr nach ihrem Rücktritt vom Schwimmen die neue, unbeschwerte Rolle.
"Auf jeden Fall bin ich absolut erfüllt, auch wenn ich manchmal erschöpft bin. Das ist ein Laster des Leistungssports, dass ich ganz viele Sachen auf einmal machen möchte. Ansonsten bin ich ziemlich glücklich, weil alles sehr rund ist", erklärt die 30-Jährige wenige Tage vor dem Auftakt der Beckenwettbewerbe bei der EM in Berlin.
Während sich die ehemaligen Teamkollegen in Potsdam den Feinschliff holen, kann Schwimm-Pensionärin Britta Steffen sich auf eine neue Aufgabe abseits des Beckens konzentrieren. "Auf jeden Fall werde ich die EM vor Ort erleben, bin für das Organisationskomitee akkreditiert", verrät Steffen. "Es wird auch ein Deutsches Haus geben, in dem ich abends als eine Art Moderatorin den Medaillengewinnern Fragen stelle. Ich wechsele wirklich auf die andere Seite. Ähnlich wie 2010, als ich in Budapest für die ARD dabei war. Ich nutze meine interne Kompetenz, um es nach außen zu tragen."
Mentorin für den Nachwuchs

Christa Thiel (l.) und Britta Steffen (r.) stellen im April 2013 das Maskottchen für die Schwimm-Europameisterschaft in Berlin vor.
(Foto: imago sportfotodienst)
Verbandspräsidentin Christa Thiel hatte schon bei der Eröffnungs- Pressekonferenz zur Schwimm-EM erklärt, dass Steffen "eine Rolle übernehmen" wird. Es sei auch ein "gutes Zeichen" gewesen, dass sie ins Trainingslager nach Sardinien mitgegangen sei, betonte Thiel, die sich mit Steffen SMS schreibt. "Das freut uns, dass sie dem Verband zur Verfügung steht."
Auf Sardinien war Steffen als eine Art Mentorin für junge Sportler dabei - und die Weltrekordlerin könnte sich auch eine weitere Zukunft beim Verband vorstellen. "Ich bin auch da total offen. Wenn man mich fragt, mich zu engagieren, kann man sich Gedanken machen, wie kann es weitergehen", erklärt die Lebenspartnerin von Paul Biedermann.
Für Biedermann geht es nach einem Jahr Langbahn-Pause wieder um Zeiten, Platzierungen und damit auch Medaillen. Über solche Leistungssport-Parameter wird Steffen nicht mehr definiert. "Jawoll", sagt die Erfolgsschwimmerin glücklich. "Ich habe so viel Ruhe in mir und vermisse das gar nicht. Ich brauche kein Lob, 'wow, das hat sie jetzt super gemacht'. Wenn mir eine Klausur, Hausarbeit oder Vortrag sehr gut gelingt, dann ist das für mich das Allerbeste, das Allergrößte", sagt die Wirtschaftsingenieurin und Studentin für Human Ressource Management (Personalwesen).
Aufwand nicht mehr leistbar
Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin, Weltrekordlerin, Sportlerin des Jahres - eigentlich alles hat Steffen in ihrer besonderen Karriere erreicht. "Ich denke, dass ich es genau zum richtigen Zeitpunkt geschafft habe, abzuspringen, weil ich gemerkt habe, okay, es reicht jetzt noch zu Platz vier bei Olympia oder Rang sechs bei der WM. Aber der Aufwand, den ich betreiben müsste, um ganz vorne mitzuschwimmen, ist nicht mehr leistbar. Am Ende war es nur noch Essen, Schlafen und Trainieren", erklärte die 30-Jährige.
"Das Leben als Leistungssportlerin hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht, aber es war Zeit für etwas Neues." Ein weiteres Studium und Vorträge fordern sie schon jetzt, irgendwann steht vielleicht mal eine Doktorarbeit an. Aber erst einmal lockt auch sie die Schwimm-EM.
Quelle: ntv.de, Christian Kunz, Marc Zeilhofer, dpa