TV-, Rasen- und Jets-Debatten Der Rodgers-Schock mischt die gesamte NFL auf
16.09.2023, 09:04 Uhr
Der bittere Achillessehnen-Riss von New York Jets-Quarterback Aaron Rodgers beim Debüt für sein neues Team hat viele geschockt. Und zugleich viele Fragen aufgeworfen - für Verein, Liga, TV-Anstalten. Und auch, warum überhaupt auf Kunstrasen gespielt wird.
Und nun? Was tun? Natürlich wird es weitergehen, irgendwie. Aber halt nicht mehr so, wie gewünscht und geplant. All die Vorfreude, all die Erwartungen und natürlich all die großen Hoffnungen, vor allem bei den New York Jets: zerstört. Man könnte auch sagen, so kaputt wie die gerissene Achillessehne von Aaron Rodgers.
Seine schwere Verletzung nach nur wenigen Minuten im ersten Saisonspiel gegen die Buffalo Bills und das damit verbundene, vorzeitige Saison-Ende für den Quarterback trifft viele hart. Natürlich zuerst Rodgers selbst - und seinen neuen Verein. Aber auch die Liga und die TV-Stationen. Und die Verletzung hat auch die jahrzehntelange Diskussion wieder in Gange gebracht, warum die reichste Sportliga der Welt ihre Protagonisten überhaupt auf Kunstrasen spielen lässt? Schließlich ist bekannt und erwiesen, dass das Verletzungsrisiko dort größer ist, als auf Naturrasen.
Doch zunächst einmal zum Haupt-Protagonisten. "Vielen Dank an alle, die sich auf verschiedensten Wegen bei mir gemeldet haben. Das hat mir viel bedeutet", teilte Rodgers nach seiner Operation am Mittwoch auf seinem Instagram-Kanal mit. Er sei "schlichtweg untröstlich und emotional, aber auch tief berührt von all der Unterstützung und Liebe", so der 39-Jährige weiter.
Das fehlende Puzzleteil Rodgers
Er galt als das Puzzleteil, das den Jets noch fehlte, um um die Meisterschaft mitspielen zu können. Davon waren sie im Verein überzeugt. Die Jets gelten als Team mit einer starken Defensive und vielversprechenden Talenten auf den entscheidenden Positionen. Und nun hatten sie mit Rodgers, dem viermaligen MVP und Super Bowl-Champion von 2011, endlich auch einen starken Quarterback.
Doch die Titelträume platzten im "Monday Night Game" am 11. September 2023 nur rund dreieinhalb Minuten nach Spielbeginn, als Buffalos Outside Linebacker Leonard Floyd Rodgers zu Boden riss. Er habe sofort gemerkt, dass seine Saison vorbei sei, sagte Rodgers am Freitag in der "Pat McAfee Show". Für gerade mal vier Spielzüge stand er auf dem Platz, hatte nur einen Pass geworfen, der nicht ankam. Und so liest sich seine Jets-Bilanz wie die eines Ersatz-Quarterbacks des Ersatz-Quarterbacks, der bei einer 27:3-Führung oder einem aussichtslosen 7:42-Rückstand die letzten zwei Minuten der Partie zum Einsatz gekommen ist.
Dass New York die Partie gegen die favorisierten Gäste auch ohne ihn 22:16 nach Verlängerung gewann, war eher eine Randnotiz. Was vor allem von diesem Abend bleibt: etliche Fragezeichen. Oder wie das Online-Portal "The Athletic" am Mittwoch titelte: "Eine Verletzung, viele Dominos".
Reha-Plan wird "manche Leute schockieren"
Die wichtigste Frage ist die nach der Zukunft von Rodgers. Er wird am 2. Dezember 40 Jahre alt. Er spielt seine 19. NFL-Saison. Und er hat sich jetzt die schlimmste Verletzung seiner Karriere zugezogen. Wie lange die Reha dauert, wie schnell alles verheilt, kann derzeit niemand genau sagen. Rodgers betonte lediglich, dass er bereits "einen ziemlich guten Reha-Plan zusammengestellt" habe, der "manche Leute schockieren" werde. Allerdings sei ihm auch klar, dass er aufgrund seines Alters "schlechte Karten" habe.
Die Jets hoffen, dass Rodgers bald an die Seitenlinie zurückkehren kann, um so seinen Job als Mentor für Zach Wilson fortzusetzen. Ihn hatte New York 2021 bei der Draft bereits an zweiter Stelle ausgewählt. Wilson galt als großes Versprechen für die Zukunft, wirkte jedoch bislang ziemlich überfordert. Deshalb sollte der 24-Jährige in dieser Saison auf der Bank bleiben, von der täglichen Zusammenarbeit mit Rodgers profitieren und nach dessen Karriere-Ende wieder die Rolle des Spielmachers übernehmen.
Nun musste er nach Rodgers Verletzung bereits gleich im ersten Spiel ran - und er wird auch bis auf Weiteres der Starting Quarterback sein, betonte Trainer Robert Saleh. Er war in den vergangenen Tagen spürbar bemüht, Optimismus zu verbreiten, nach vorne zu schauen und Zach Wilson stark zu reden. So sagte er Sätze wie: "Wir haben alle großes Vertrauen in Zach und wir glauben, dass er um ein Vielfaches besser ist, als noch vor einem Jahr." Oder auch: "Ich verstehe nicht, warum Leute eine Traueranzeige für unser Team aufgeben wollen."
Ein dickes Problem für ESPN
Nicht nur Saleh muss umdisponieren, sondern auch Liga und TV. Sechs Primetime-Spiele waren in dieser Saison mit Rodgers geplant. "Die Geschichte von Aaron Rodgers ist eine, die die Menschen begeistert. Und das sieht man an unserem Programm", sagte Brian Rolapp vor Saisonbeginn. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der NFL und für den Bereich Medien und Business zuständig.
ESPN hatte die NFL gebeten, in ihrer ersten "Monday Night Football"-Übertragung der neuen Saison Rodgers' Premiere im Jets-Trikot zeigen zu dürfen. Die Liga willigte ein. Es wurde für beide ein Volltreffer. ESPN vermeldete eine Rekord-Zuschauerzahl von 22,6 Millionen Fans. Noch nie hatten bei "Monday Night Football" - ESPN überträgt diese Partien seit 2006 - so viele Menschen eingeschaltet. In der ersten Halbzeit sei zwischenzeitlich sogar ein Wert von 25,2 Millionen Zuschauenden erreicht worden, so ESPN.
Am 1. Oktober gibt's die Jets zur Hauptsendezeit, dann am Sonntagabend. Gegner ist Meister Kansas City Chiefs. Es ist das erste "Sunday Night Game" für die New Yorker seit zwölf Jahren. Ein Duell zwischen Aaron Rodgers und Patrick Mahomes hätte Top-Quoten garantiert. Nun aber wird wohl Wilson der Jets-Quarterback sein. Trotzdem bleibt es bei der Übertragung. Auch das Jets-Heimspiel am 6. November gegen die Los Angels Chargers, erneut ein "Monday Night Game", soll, wie geplant gezeigt werden. Allerdings betonte Hans Schroeder von der Abteilung Medien-Vertrieb der NFL bereits, dass man ständig schaue, "wer sich in den Mittelpunkt spielt und wo es interessante Stories gibt."
"Minderwertiger Kunstrasen"
Nun kann niemand genau sagen, ob Rodgers' Saison auch beendet gewesen wäre, wenn die Jets auf Rasen gespielt hätten. Doch die Verletzung und ihre Folgen sorgten dafür, dass die Forderung nun wieder laut wird, in allen 30 NFL-Arenen auf Gras zu spielen. Es sei, die "leichteste Entscheidung, die die NFL treffen" könne, schrieb Lloyd Howell, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft NFLPA in einer Pressemitteilung. Die Hälfte aller Stadien hat Kunstrasen. Da sich die Jets und Giants ebenso eine (Kunstrasen)-Spielstätte teilen, wie die Los Angeles Rams und Los Angeles Chargers, verfügen 17 der 32 Teams über einen Turf-Untergrund. Die überwältigende Mehrheit der Spieler bevorzuge jedoch Rasen, betont Howell. Zudem hebt er hervor, was Datenerhebungen bestätigt hätten: "Gras ist einfach ungefährlicher als Turf."
Howell macht aus seinem Frust kein Geheimnis - und verweist auf die bevorstehende Fußball-WM 2026, sowie die allsommerlichen Fußball-Freundschaftsspiele von Teams der Major League Soccer gegen Vereine aus der Bundesliga oder Premier League. Eigens für diese Begegnungen werde "ausgezeichneter Rasen" in den Stadien verlegt. Dass die NFL jedoch für "die eigenen Spieler minderwertigen Kunstrasen" akzeptiere, ergebe "keinen Sinn", so der NFLPA-Geschäftsführer. Unterstützung bekam er von David Bakhtiari. Der Offensive Tackle der Green Bay Packers fragte die NFL in einem Post auf seinem X-Account, "wie viele weitere Spieler sich noch auf Kunstrasen verletzen", müssten? "Ihr interessiert euch mehr für Fußballspieler, als für uns." Er habe "die Schnauze voll", so Bakhtiari weiter.
NFL-Commissioner Roger Goodell betonte bei ESPN, dass sich die Liga die Fakten ansehen werde. Er hob jedoch zugleich hervor, dass es am ersten Spieltag zwei Verletzungen gegeben habe, die für die betroffenen Profis das Saison-Aus bedeuteten. Die von Rodgers. Aber auch die von Cleveland Browns' Right Tackle Jack Conklin, der sich beim 24:3-Heimsieg gegen Cincinnati das Kreuzband riss - und zwar auf Rasen.
Quelle: ntv.de