Gefährliche Proteste bei Vuelta Rad-Superstars fürchten sich, Team Israel fährt in "Angst"
05.09.2025, 07:22 Uhr
Nur mit viel Mühe können die Sicherheitskräfte die Demonstranten zurückhalten.
(Foto: Miguel Oses/AP/dpa)
Die Vuelta in Spanien versinkt im Chaos. Die Sorge bei den Fahrern angesichts pro-palästinensischer Demonstranten wächst. Das Team Israel-Premier Tech, gegen dessen Teilnahme sich die Proteste vor allem richten, möchte sich indes nicht zurückziehen.
Jonas Vingegaard fürchtet um seinen Traum. Womöglich, spekulierte der Radsport-Superstar, wird es bei der Vuelta gar keinen Etappensieger mehr geben. "Es ist unvorhersehbar, was in den nächsten Tagen passieren wird. Ich hoffe, wir können weiterfahren", sagte der Top-Favorit und Gesamtführende dem dänischen Fernsehsender TV2, nachdem massive pro-palästinensische Proteste das Finale der elften Etappe lahmgelegt hatten.
Die schlimmsten Befürchtungen sollten sich am Donnerstag nicht bewahrheiten. Zumindest das zwölfte Teilstück ging beim zweiten Tagessieg des Spaniers Juan Ayuso ohne Zwischenfälle über die Bühne. Vingegaard verteidigte ungefährdet sein Rotes Trikot, die Ereignisse vom Vortag aber wirkten nach.
"Das ist der falsche Ort für ihre Proteste"
Im Zielbereich in Bilbao hatten sich viele Menschen mit großen Palästina-Flaggen an den Barrieren versammelt, sie drängten auf die Strecke und zwangen die Organisatoren zu einer schweren Entscheidung: Einen offiziellen Tagessieger des elften Teilstücks mit Start und Ziel in der baskischen Metropole gab es nicht. Die Zeitabstände wurden drei Kilometer vor dem Ziel gewertet. Ein normales Finale war nicht mehr möglich, die Sicherheit der Fahrer schlichtweg nicht gewährleistet.
Der Tour-Zweite Vingegaard, der seinem ersten Gesamtsieg bei der Vuelta entgegenfährt, reagierte mit großem Unverständnis. "Das ist der falsche Ort für ihre Proteste. Was wollen sie von uns Radfahrern?" Er könne, sagte er mit Blick auf den Gaza-Krieg, nichts tun. Mountainbike-Olympiasieger Tom Pidcock, der mit Vingegaard beim vorzeitigen Ende in Führung lag, pflichtete dem Dänen bei. "Uns Fahrer in Gefahr zu bringen, wird ihrer Sache nicht helfen. Es wird einfach nicht dazu beitragen, das zu erreichen, wofür sie protestieren." Er habe sich, ergänzte Vingegaard, auch dank der Arbeit der Polizei alles in allem aber "nicht wirklich unsicher gefühlt."
Bewaffnete Polizisten sichern Mannschaftsbus
Im Team Israel-Premier Tech, gegen dessen Teilnahme sich die Proteste vor allem richten, dürfte die Gemütslage eine andere sein. Schon beim Mannschaftszeitfahren hatten sich Demonstranten den heranrasenden Fahrern entgegengestellt, in Bilbao war der Teambus dann sogar von bewaffneten und mit Schutzschilden sowie Helmen ausgerüsteten Polizisten abgeschirmt.
Die Vuelta fortsetzen will das Team trotzdem. "Jedes andere Handeln würde einen gefährlichen Präzedenzfall im Radsport schaffen, nicht nur für Israel-Premier Tech, sondern für alle Teams", hieß es in einem Statement. "Wenn wir hier aufhören würden, wären wir bei jedem Rennen ein Ziel und müssten überall aufhören – und es wäre realistisch gesehen das Ende des Teams", sagte Sportdirektor Óscar Guerrero. Er berichtete dem Radiosender Onda Cero von Morddrohungen gegen den Rennstall. "Wir haben Angst", sagte der Spanier und bat darum, "das Team nicht anzugreifen". Israel-Premier Tech sei ein Sport-Team. "Wir können die Proteste verstehen, aber sie müssen friedlich sein", so der 54-Jährige.
Vuelta-Chef macht Israel-Premier Tech klare Ansage
Kiko García, der Technische Direktor der Vuelta, sieht angesichts der anhaltenden Widerstände nur eine Lösung - und legte Israel-Premier Tech den freiwilligen Rückzug nahe. "Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden. Meiner Meinung nach gibt es derzeit nur eine: Das Team Israel selbst muss erkennen, dass seine Anwesenheit hier die Sicherheit aller anderen nicht erhöht", sagte der Verantwortliche bei Cadena SER.
Der Weltverband verurteilte die Vorkommnisse in einer Stellungnahme "mit Nachdruck" und betonte die "politische Neutralität, Unabhängigkeit und Autonomie des Sports gemäß den Gründungsprinzipien der Olympischen Bewegung." Ein Bekenntnis, das bei den Demonstranten wenig Wirkung zeigen dürfte. Auf der zwölfte Etappe nach Los Corrales de Buelna begleitete das Feld die Sorge vor neuen Vorkommnissen, die Bergankünfte in Angliru und La Farrapona bieten wieder großes Protest-Potenzial. Auch der Blick auf das Finale am 14. September in Madrid bereitet Sorgen.
Quelle: ntv.de, tno/dpa/sid