Formel1

"Wasserträger will Champagner" Der Verstappen-Schreck aus den eigenen Reihen

Sergio Pérez bejubelt seinen zweiten GP-Sieg in Aserbaidschan.

Sergio Pérez bejubelt seinen zweiten GP-Sieg in Aserbaidschan.

(Foto: IMAGO/Laci Perenyi)

Schon nach vier Rennen in der F1-Saison 2023 zeichnet sich ab: Der Titel führt erneut über Red Bull Racing. Gefahr droht Doppel-Weltmeister Max Verstappen nur vom eigenen Teamkollegen, der den besten Start seiner Karriere hinlegt. Entwickelt sich der aufmüpfige Sergio Pérez zum Verstappen-Schreck?

Den leichten Trash Talk, das Kitzeln der Konkurrenz, das beherrscht Sergio Pérez schon mal. Nach seinem Erfolg in Aserbaidschan erklärte er, dass Max Verstappen ja durchaus "gepusht" habe. "Aber ich hatte ihn unter Kontrolle", schob der Mexikaner nach. Von wegen Formel Langeweile. In der Motorsport-Königsklasse ist alles angerichtet für ein teaminternes Knister-Duell, das es seit dem Hamilton-Rosberg-Clash Mitte des vergangenen Jahrzehnts nicht mehr gegeben hat.

Es ist keine Übertreibung, zu schreiben: 33 Jahre musste Sergio Pérez warten, zum besten Pérez der Formel-1-Geschichte zu reifen. Jetzt, wo er auf der vorläufigen Karriere-Bestform angelangt ist, will er mehr. Mehr heißt: die WM. Die Voraussetzungen sind gar nicht so schlecht. "Die Leistungskurve geht immer noch nach oben. Er ist ein ausgeruhter, ausgebuffter Typ mit dem irren Glauben, dass er alles reinschmeißen kann, um Weltmeister werden zu werden", analysiert ntv.de-Reporter Felix Görner. "Auch das mexikanische Temperament spielt eine Rolle, er ist ein unbeugsamer Mensch, der sich ungern unterordnet. Das bedeutet auch: Er wird alles versuchen, Verstappen zu schlagen."

Red Bull fährt in einer eigenen Liga

Das Formel-1-Team von Red Bull Racing liegt aktuell Welten vor der Konkurrenz. Ferrari schafft es auch in diesem Jahr nicht, die traditionell überhohen Erwartungen der Tifosi zu erfüllen, Mercedes hat die große Lücke aus dem Vorjahr bisher nicht geschlossen und Aston Martin ist einfach nur froh, einen gewaltigen Sprung an die Spitze des Mittelfelds gemacht zu haben. Nach den ersten vier Rennwochenenden fällt das Saisonanfangszitat düster für die Konkurrenz aus: Die "Bullen" jagen wieder mal allen davon.

Die WM-Wertungen nach 4 von 23 Rennen

Fahrerwertung
1. Max Verstappen (Red Bull) 93 Punkte
2. Sergio Perez (Red Bull) 87
3. Fernando Alonso (Aston Martin) 60
4. Lewis Hamilton (Mercedes) 48
5. Carlos Sainz (Ferrari) 34
6. Charles Leclerc (Ferrari) 28
...
10. Nico Hülkenberg (Haas) 6

Konstrukteurswertung
1. Red Bull Racing 166 Punkte
2. Aston Martin-Mercedes 87
3. Mercedes 76
4. Ferrari 62
5. McLaren-Mercedes 14
6. Alpine-Renault 8
7. Haas-Ferrari 7
8. Alfa Romeo-Ferrari 6
9. AlphaTauri-Red Bull 2
10. Williams-Mercedes 1

Trotzdem bietet die Situation viel Konfliktpotential. Denn Titelverteidiger Verstappen fährt nicht ohne Gegenwehr einem möglichen WM-Triple entgegen. Massives Ungemach im WM-Kampf droht dem ehrgeizigen Niederländer ausgerechnet vom Teamkollegen. Pérez ist nach seinem hervorragenden Start in die neue Saison mit zwei Grand-Prix-Siegen so selbstbewusst wie nie und gibt für sich schon mal die WM-Devise aus: "Natürlich will ich den Titel gewinnen - aber Max will das auch." Es wird wohl zugespitzt das Motto der restlichen Saison.

Schon nach den ersten vier Rennen hat er genauso viele Siege (2) wie in der gesamten vergangenen Saison eingesammelt. In Saudi-Arabien und Aserbaidschan sah der Mexikaner als Erster die Zielflagge. Am vergangenen Wochenende in Baku gelang Pérez der Doppelpack mit GP- und Sprint-Sieg. Die anderen beiden Grands Prix waren ebenfalls Bullen-Beute: Verstappen siegte in Bahrain und Australien. So liegen die Garagennachbarn fast auf Augenhöhe an der Spitze. Lediglich sechs Zähler trennen Spitzenreiter Verstappen (93) von seinem Herausforderer (87). Da gab es selbst von Verstappen Lob. "Checo zeigt bisher richtig starke Leistungen, er fühlt sich gut und selbstbewusst im Auto", sagte der 25-Jährige. Doch die Ruhe trügt.

Der Rennstall gibt zwar bewusst keine Stallorder aus und betont, dass beide Fahrer gleichberechtigt seien. "Wir lassen sie fahren", sagte Teamberater Helmut Marko energisch. Und bislang schauen die Teamverantwortlichen auch genüsslich bei der RB-Machtdemonstration ihrer Piloten zu. Statt einer Stallorder lautet das Motto: Freie Fahrt für alle! Jedenfalls so lange der Abstand des Teams zur Konkurrenz weiter dermaßen deutlich ist.

Die große Formel-1-Frage ist: Kann Pérez dem Dominator Verstappen über lange Distanz wirklich gefährlich werden und ihn sogar entthronen? Einzelne Nadelstiche wie im Vorjahr reichen nicht, bislang mangelte es dem Mexikaner vor allem an Konstanz über eine komplette Saison.

Wir sehen "den besten Pérez aller Zeiten"

Für den langjährigen F1-Reporter Felix Görner stehen die Chancen für den Herausforderer in diesem Jahr "so gut wie nie". "Die Überschrift ist aktuell: Der Wasserträger findet Gefallen am Champagner. Was feststeht: Pérez traut sich die WM auch gegen Verstappen zu. 'Checo' Pérez hat mit seinen 33 Jahren aktuell das größte Selbstvertrauen und das beste Auto seiner Karriere. Zudem hat er sich im Laufe der vergangenen Jahre zum besten Pérez aller Zeiten entwickelt. Das sieht man im besten Saisonstart seiner Karriere", erklärt Görner.

Für Pérez spricht vor allem seine gute Performance bei engen Stadtstrecken wie in Baku. "Es gibt in dieser Saison acht Stadtkurse bei 23 Rennen: und bei diesen Kursen hat Pérez eine bessere Bilanz gegen Verstappen. Das hat man jetzt auch in Baku gesehen", so Görner. Gute Nachricht für Pérez: Das nächste Rennen in Miami ist ebenfalls ein engerer Kurs um ein Stadion und nach einem Zwischenstopp in der Emilia-Romagna folgt der Stadtkurs schlechthin: Monaco. Dort holte Pérez 2022 seinen ersten Grand-Prix-Sieg. "Er könnte das Momentum nutzen, bei den nächsten Stadtkursen aus eigener Kraft das Ding drehen und die WM-Führung übernehmen. Das wäre für Verstappen eine neue Situation, mit der er klarkommen muss", sagt der ntv.de-Experte.

Nicht vergessen ist auch die Tatsache, dass Verstappen Ende der vergangenen Saison seinem Teamkollegen Schützenhilfe im Kampf um den Vizetitel mit Ferrari-Fahrer Charles Leclerc verweigerte, Pérez wurde schließlich Dritter in der Gesamtwertung. Das brachte dem zweimaligen Weltmeister Ego-Vorwürfe ein. Freunde sind die beiden nicht. Und je länger der WM-Kampf andauert, der Abstand gering bleibt oder sich gar weiter verringert, desto mehr Druck lastet auf dem Champion, der auch gerne mal aus der Haut fährt. Schon in Aserbaidschan fiel Verstappen mit allerlei Gepolter gegen Konkurrenten und auch die eigene Team-Strategie auf.

Erinnerungen an alte Vettel-Fehde

"Pérez wird versuchen, den Druck hochzuhalten, ihn in Fehler und sinnlose Aggressionen reinzutreiben. Verstappen neigt dazu, ein schlechter Verlierer zu sein und nicht nur verbal gegen das Team zu keilen, sondern auch gegen den Kollegen", sagt Görner: "Das raubt Energie. Da könnte eine Chance für Pérez sein, dass er Verstappen mental und auf der Strecke in eigene Fehler reintreibt."

Neu wären harte Zweikämpfe mit Crashs in den eigenen Reihen für Red Bull nicht. Schon in der Ära von Sebastian Vettel lieferte sich die Piloten hitzige Gefechte auf dem Asphalt. Unvergessen sind die Zusammenstöße von Vettel und dem Australier Mark Webber. Der Tiefpunkt: Beide schossen sich 2010 im Rennen in Istanbul ab und aus dem Grand Prix. Schon damals galt bei RB die Maxime: Der Schnellere darf fahren.

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Auch in den kommenden Rennen dieses Jahres sieht Görner erhöhte Unfall-Gefahr. "Crashs nicht ausgeschlossen. Das ist dann die nächste Stufe. Je länger die Saison auf Augenhöhe läuft, desto mehr steigt auch die Crash-Gefahr. Das kann bei engen Starts und bei Stadtkursen immer wieder passieren. Gerade, wenn Verstappen hinter Pérez ist." Trotzdem ist und bleibt RB ein Verstappen-Team bis mindestens 2028, so lange läuft dessen Vertrag. "Das heißt aber nicht, dass man ihn auf der Sänfte zum 3. Titel tragen wird", glaubt Görner.

Für Pérez gelte es nun aus diesem sehr guten Start heraus, "ein Momentum zu kreieren. Gerade die nächsten drei Rennen mit zwei Stadtkursen könnten zur Wende führen. Das schafft er nur, wenn er absoluten Fokus hat, Verstappen zu schlagen." Am Trash-Talk wird es jedenfalls nicht scheitern. Ansonsten bekommt er Hilfe von seinem Vater Antonio Pérez, der schon vor zwei Wochen in der mexikanischen Ausgabe der "Marca" klarstellte, dass sein Sohn nicht nur Wingman bei Red Bull ist. "Das ist eine Lüge, damit das klar ist!"

Quelle: ntv.de

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