"Die Wahrheit wird ans Licht kommen" Amerell droht mit Nebelkerzen
03.03.2010, 16:10 UhrNeue Verbalattacken und Kritik an DFB-Präsident Theo Zwanziger: Am Tag vor der mündlichen Verhandlung im "Fall Amerell" um die Belästigung von Schiedsrichtern verhärten sich die Fronten zwischen den Prozessgegnern weiter. Die Amerell-Seite sagt: "Der DFB wird Farbe bekennen müssen." Warum die Vorwürfe gegen Amerell unwahr sein sollen, sagt sie wieder einmal nicht.
In der Affäre um Manfred Amerell wird am Donnerstag vor dem Landgericht München I verhandelt, ob der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit Blick auf die Vorwürfe gegen Amerell weiterhin von "sexueller Belästigung und Übergriffen" sprechen darf. Der frühere Schiedsrichtersprecher des DFB bestreitet, jüngere Referees bedrängt zu haben und will dem DFB derartige Aussagen per einstweiliger Verfügung untersagen lassen.
Bereits vor dem Verfahren hat Amerell eine Medienoffensive gestartet und dem DFB eine Verschwörung gegen ihn vorgeworfen. Zudem hat er den Ex-Schiedsrichter Franz-Xaver Wack bezichtigt, mit Hilfe des DFB eine "Schmutz- und Hetzkampagne" gegen ihn gestartet zu haben.
Einen Tag vor dem Verfahren, das trotz der vielen Nebelkerzen etwas Licht in die Affäre um Amerell bringen soll, zeigte sich dessen Anwalt Jürgen Langer siegessicher. "Die Wahrheit wird ans Licht kommen. Der DFB wird Farbe bekennen müssen", sagte er und merkte an: "Unsererseits haben wir alles getan, um noch ein größeres Unglück zu vermeiden." Warum die Vorwürfe der vier inzwischen vier jungen Schiedsrichter, die Amerell der Belästigung beschuldigen unwahr sein sollen, sagt Langer nicht.
Öffentliche Verhandlung
Die Sitzung im größten Saal des Justizpalasts in der Prielmayerstraße 7 ist öffentlich. Allerdings soll der DFB einen Antrag gestellt haben, wonach die Öffentlichkeit beim Verlesen der eidesstattlichen Erklärungen von Michael Kempter und drei weiteren Schiedsrichtern ausgeschlossen werden soll. Kempter und die drei andere Referees, die anonym bleiben wollen, hatten am Sonntag eidesstattliche Versicherungen mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen Amerell unterzeichnet. Dieser weist alle Vorwürfe weiterhin strikt zurück. Mit einer Entscheidung über die von ihrem geforderte einstweilige Verfügung ist bereits am Donnerstag zu rechnen, das Verfahren beginnt um 13 Uhr.
Während Amerell in der Verhandlung anwesend sein wird und Fragen beantworten will, lässt sich die DFB-Spitze von Verbands-Justiziar Jörg Englisch und Anwalt Christian Schertz vertreten. DFB-Boss Theo Zwanziger hatte in der vergangenen Woche betont, dass dem Verband das Ergebnis der Verhandlung "egal" sein könne. "Sollten wir von den staatlichen Behörden gebeten werden, unsere Erkenntnisse in dem Fall herauszugeben, dann werden wir das tun", sagte Zwanziger weiter. Der DFB hatte die "Akte Amerell" für geschlossen erklärt, nachdem dieser von seinen Verbands-Ämtern zurückgetreten war.
Kempter, der Amerell der sexuellen Belästigung beschuldigt und Details als erster Referee öffentlich gemacht hatte, wird nicht anwesend sein. "Ich habe ja eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Damit ist alles gesagt", erklärte Kempter. Seiner für das Wochenende geplanten Rückkehr auf den Platz nach knapp siebenwöchiger Auszeit steht nach Angaben des DFB nichts mehr im Weg. Das bestätigte Lutz Michael Fröhlich, Leiter der Abteilung Schiedsrichter beim DFB: "Wir lassen uns da noch ein, zwei Tage Luft. Aber es ist geplant, dass Michael Kempter am Wochenende ein Spiel pfeift." Die Leitung der Zweitligapartie zwischen Fortuna Düsseldorf und der SpVgg Greuther Fürth am Freitag wird er allerdings nicht übernehmen.
MV kritisiert Krisenmanagement
DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder indes übte vor Prozessbeginn harsche Kritik am Krisenmanagement des Verbandes und attackierte auch Zwanziger. Er verstehe nicht, dass Zwanziger Amerell bereits nach wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit an den Pranger gestellt habe. "Man wäre besser beraten gewesen zu schweigen. Ich persönlich bin der Auffassung, dass jemand unschuldig ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist", sagte Mayer-Vorfelder im "Express". Der 77-Jährige sieht den Ruf des DFB und des Schiedsrichterwesens belastet.
Auch Franz Beckenbauer zeigte sich schockiert. Formen von Amtsmissbrauch und sexueller Belästigung habe er im Schiedsrichterwesen für unvorstellbar gehalten. Der Ehrenpräsident von Bayern München wollte aber nicht ausschließen, dass noch einiges nachkommen könnte.
Lauter Nebelkerzen von Amerell
Der als Vertrauensperson der betroffenen Schiedsrichter fungierende Franz-Xaver Wack erneuerte unterdessen seine Vorwürfe gegen Amerell. Zudem warf Wack der Verteidigung von Amerell eine Politik der Ablenkung vor. "Die Beweislast gegen ihn ist erdrückend. Es wird immer nur abgelenkt, aber der Kern, um den es geht, nie kommentiert. Aber beim Prozess wird deutlich werden, wer Opfer und wer Täter ist", sagte Wack der "Welt".
Für Wack ist im "Fall Amerell" ein klares Schema erkennbar. "Amerell hat es nach Angaben der Betroffenen über Jahre so praktiziert: Erst das Vertrauen der Schiedsrichter zu gewinnen, dann - etwa bei Fahrten ins Stadion - den Betroffenen näher zu kommen, um schließlich beispielsweise durch das Aushändigen von Regeltestantworten oder Ausübung von Druck sexuelle Gefälligkeiten herbeizuführen", erklärte der Münchner Zahnarzt.
Wack betonte erneut, dass er bereits vor fünf Jahren auf einen möglichen Amtsmissbrauch von Amerell hingewiesen habe. Kempter sei beispielsweise bei 34 Spieltagen 28- bis 30-mal in München beim FC Bayern, 1860 München oder Unterhaching angesetzt worden. Wack: "Komischerweise war dort auch immer Amerell der Beobachter." Reagiert hat man beim DFB darauf nicht.
Quelle: ntv.de, sid