Fußball

Unions Künstler-Kultfan zeichnet für den Verein Andoras Eiserne Liebe rostet nicht

Andora und der etwas andere Verein - bei dem auch schonmal 25.000 Fans zum Weihnachtssingen kommen -, das passt.

Andora und der etwas andere Verein - bei dem auch schonmal 25.000 Fans zum Weihnachtssingen kommen -, das passt.

(Foto: imago/Karina Hessland)

Verrückter Vogel, lebende Eckfahne und Pop-Art-Künstler: Andora ist Kult-Fan des 1. FC Union Berlin. Schon zu DDR-Zeiten ging er zu den "Eisernen", landete im Stasi-Knast. Die Liebe zu Union trug er später in die Welt hinaus - mit besonderen Bildern.

Fortuna Düsseldorf hat die "Toten Hosen", und zwei bekannte Tatort-Kommissare lieben Borussia Dortmund. Doch im deutschen Profi-Fußball ist es wohl einmalig, dass der prominenteste Vereins-Anhänger Künstler ist und die Leidenschaft für seinen Club mit Öl und gekonnten Pinselstrichen auf einer Leinwand verewigt - oder sie als Tattoo auf der Haut trägt.

Andora zeigt Arm.

Andora zeigt Arm.

"Union kommt gleich nach meinen Eltern", sagt der weltbekannte Pop-Art-Künstler Andora und Kult-Fan des 1. FC Union Berlin mit rauer Stimme und Berliner Dialekt. An seinen ersten Stadionbesuch der "Eisernen" hat Andora, der mit bürgerlichem Namen Andreas-Georg Hoge heißt, indes nur spärliche Erinnerungen.

Union spielt 1968 im DDR-Pokalfinale gegen Carl Zeiss Jena in Halle und gewinnt 2:1. Von der Partie bekommt der damals neunjährige Andreas-Georg kaum etwas mit, weil überall um ihn herum erwachsene Männer stehen, die ihm die Sicht nehmen. Nach der Partie muss er auch noch seinen betrunkenen Vater irgendwie zurück nach Berlin bringen. Dennoch ist dieses Spiel die Initialzündung seiner Leidenschaft für Union. "Ohne Liebe geht es nicht", sagt Andora heute. Die Liebe zum Verein hält nun schon seit 45 Jahren. Sie ist eine Konstante in seinem wechselhaften Leben. Wegen ihr ist der 1980 aus der DDR ausgebürgerte Künstler nach Jahren der Wanderschaft wieder zurück nach Berlin gekommen, "um sich für seinen Verein gerade zu machen", wie er sagt.

Ein Gemälde für den Klub

Die Liebe zum Verein ist auch der Grund, weshalb Andora grellbunte Bilder für Union malt. Wenn die "Eisernen" gegen Dynamo Dresden in den zweiten Saisonteil starten, wird ein Ölgemälde des Künstlers im VIP-Bereich der neuen Haupttribüne aufgehängt. Anlass ist der 48. Geburtstag des 1. FC Union Berlin. "Der 48. ist ein Scheiß-Geburtstag, den man eigentlich nicht feiern will. Ich habe ihn aber zum Anlass genommen, in Erinnerung zu bringen, was wir in dieser Zeit alles erreicht haben", erklärt der 55-Jährige. Das funktioniere mit so einem schnöden Geburtstag besser als mit dem 50., bei dem das Jubiläum im Mittelpunkt stehe. Da trifft es sich gut, dass der Klub aus dem Berliner Stadtteil Köpenick seinem bislang größten Erfolg noch nie so nah war wie in dieser Spielzeit: dem Aufstieg in die erste Bundesliga.

Der Sprung in die deutsche Eliteliga wäre ein Traum, doch Andora ist Realist. Der 55-Jährige sieht Union als festen Bestandteil der zweiten Liga. So richtig gut Fußballspielen habe der Verein ohnehin noch nie gekonnt. "Union ist ein Verein mit geilen Typen, die bis zum Schluss kämpfen", erklärt der Künstler, der von sich sagt: "Ich bin selbst Malocher, auch in der Kunst."

Zufluchtsort Union

Das Herz der Arbeiter schlägt traditionell für Union, den Verein, der anders sein will als der Mainstream, der sein Image als Underdog pflegt und der noch nie ein Liebling der Obrigkeit gewesen ist - weder im 3. Reich als Union Oberschöneweide, noch in der DDR. Und auch heute hält er eine kritische Distanz zu den Mächtigen des modernen Fußballs.

Grell, bunt, plakativ: Andoras Kunst.

Grell, bunt, plakativ: Andoras Kunst.

Andora kommt selbst aus dem Arbeitermilieu. Sein Vater war Möbelträger und seine Mutter Köchin. Schon als Heranwachsender wurde ihm bewusst: Dieser Verein ist anders. "Union war früher ein Sammelbecken der Dissidenten", sagt Andora. Dort hätten sich junge Leute wie er getroffen, die neben dem Fußball auch politisch aktiv gewesen seien. "Mit 14 galt ich als renitent und dem Staat nicht zugetan", erklärt er. Was ihm die Enge des sozialistischen Staates vorenthält, findet er beim Verein: "Bei Union konnte ich mich entwickeln und meine individuelle Freiheit behalten." Allerdings verbietet ihm die Staatssicherheit ab 1977, zu den Union-Spielen zu gehen. Ein Jahr zuvor landet er zum ersten Mal wegen Vorbereitung zur Republikflucht im Gefängnis. "Ich wollte nicht abhauen. Ich saß aber in der Wohnung von jemanden, der wollte."

Da er im Fokus der Stasi steht, sucht er Unterschlupf in der Kirche. In der Marienkirche am Alexanderplatz arbeitet Andora als Küster und Totengräber. Dennoch verurteilt ihn die Stasi 1980 wegen Spionage und Störung der staatlichen Ordnung zu sechseinhalb Jahren Haft. Nach einem halben Jahr wird er allerdings ausgebürgert, weil ihn Westdeutschland für 40.000 DM freigekauft. "Der damalige Gegenwert war ein Waggon Bananen", erinnert sich Andora und muss dabei schmunzeln.

"Er ist ein verrückter Vogel"

Von da an beginnt sein zweites Leben. Andora bereist die Welt; er lebt in Moskau, New York, Afrika und Israel. Er wird zu dem Künstler, der er heute ist. Zu Beginn fördert Alfred Biolek seine Karriere. Für Prominente wie Mick Jagger, Roger Moore, Liza Minelli oder Roman Polanski bemalt er Schuhe, Uhren oder Champagnerflaschen. Andora verschönert Formel-1-Wagen und verziert 1992 eine Protonrakete, die von Moskau aus ins All geschossen wird. Besonders stolz macht ihn allerdings, "dass ich die einzig lebende Eckfahne im europäisch bezahlten Fußball bin. Das ist ja wohl das Allergrößte." Die in den Vereinsfarben rot und weiß bemalten Eckfahnen mit dem abgebildeten kleinen Biss im Union-Stadion An der Alten Försterei sind das Werk des Künstlers.

Seine künstlerischen Werke würde es bei Union gar nicht geben, hätte das Heimweh Andora nach knapp 25 Jahren Weltenbummelei nicht zurück nach Berlin getrieben. Dass er den "Verein künstlerisch begleitet", wie er sagt, hängt auch eng mit Union-Präsident Dirk Zingler zusammen. "Der hat aus dem Verein wieder eine Familie gemacht." Jeder bringe sich ein, sei es als Bauarbeiter für die Stadionsanierung, als Musiker, Weihnachts-Sänger oder eben als Künstler. "Dirk Zingler ist der Götterbote bei Union", stellt Andora fest.

Der Unternehmer Zingler ist seit 2004 Präsident und gilt als Baumeister des Erfolges der vergangen Jahre, in denen Union von der vierten in die zweite Liga durchmarschierte und die eigenen Fans das Stadion sanierten. Zingler sieht Andora als Botschafter des Vereins. "Er ist ein verrückter Vogel. Genau deshalb passt er auch so gut zu uns."

Quelle: ntv.de

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