Gerackert, gezaubert, gesiegt, geliebt, gehasstDie Triple-Bayern - und ihr Problem
Bayern München hat keine Fans, sondern Anhänger. Diese Fußball-Weisheit mag stimmen, aber sie zeigt auch, dass kein anderer Verein derart polarisiert. Nicht zuletzt nach dieser Rekordsaison. Geschichte. Nun beginnt alles von vorne. Oder besser nicht.
Hass oder Liebe - dazwischen ist nichts. Gar nichts. Entweder man ist Fan der Bayern und davon gibt es allein in Deutschland Millionen. Oder nicht. Entweder man vergöttert diesen Verein, dessen Spieler, die großen Erfolge. Oder nicht. Entweder man jubelt über Siege, Meisterschaften und Pokal-Triumphe. Oder eben nicht. Und wenn sie zu der "Oder nicht"-Fraktion gehören, sind auch sie Teil einer Millionenschar. Das nennt man: polarisieren. Keinem deutschen Fußballklub gelingt das so gut wie dem FC Bayern München - erst recht nach der vergangenen Saison.
Die "Großkopferten" aus München drücken der Saison 2012/2013, der 50. Bundesliga-Spielzeit, ihren Stempel auf. Sie machen sie zu ihrer ganz eigenen Saison. Kein anderer Verein schießt mehr Tore. Kein anderer Klub gewinnt häufiger und verliert weniger. Keiner feiert eine längere Siegesserie. Das gleiche gilt für die Auswärtssiege, für die Spiele zu null … Am Ende steht eine Bilanz von 29 Siegen, 4 Remis und einer einzigen Niederlage im Stammbuch des deutschen Meisters. Es ist übrigens der 23. Titel. Naja: Rekordmeister halt.
23 Meisterschaften in 50 Jahren Bundesliga zeugen schon von einer gewissen Dominanz. Allerdings stehen zuvor auch zwei Spielzeiten ohne Meisterschale - und das aus gutem Grund. Ein Emporkömmling aus dem Ruhrpott macht sich auf, den Bayern den Platz an der Bundesliga-Sonne streitig zu machen. Mit Erfolg zunächst: Borussia Dortmund feiert unter Trainer Jürgen Klopp mit erfrischendem Angriffsfußball Erfolge, will heißen: zwei Meisterschaften in Folge. Das freut den Pott (bis auf die Jungs aus "Herne West") und reizt die "Bazis". Die Meisterschale muss wieder her - und ist den Bayern doch nicht mehr genug.
Endlich zu Potte gekommen
Das große Ziel heißt nun: Champions-League-Gewinn. Auch deshalb, um das verlorene "Finale dahoam" gegen den FC Chelsea aus der Vorsaison vergessen zu machen. Als Favorit geht man damals in das Endspiel in der heimischen Arena - und steht am Ende ohne Pott da. Das soll nicht noch einmal passieren! Es könnte aber, denn im Endspiel wartet Borussia Dortmund. In der Bundesliga bereits weit abgeschlagen, können sie den Bayern in der europäischen Königsklasse noch ein Bein stellen, das Entscheidende dazu, im "Deutschen Finale" im englischen Wohnzimmer Wembley-Stadion.
Könnte, hätte, wäre, wenn: Die übermächtigen Bayern erleben zwar einen gleichwertigen Gegner auf dem nach Wimbledon wohl heiligsten Rasen der Insel. Aber ein Einzelkönner sorgt für den Unterschied: Arjen Robben schießt das spielentscheidende 1:0 - und wieder jubeln die Rot-Weißen. Der Sprechgesang "Super-Bayern, Super-Bayern, Hey, Hey" bohrt sich tief in die Gehörgänge und Herzen der Dortmunder und Bayern-Hasser. Wann sind die Bayern endlich satt?
Sie sind es erst nach dem Pokalfinale. In Berlin steht ihnen der VfB Stuttgart gegenüber. Eine echte Chance wird den Schwaben gegen den Rekord-Pokalsieger schon vor dem Spiel nicht eingeräumt. Aber wer keine Chance hat, nutzt sie vielleicht? Diesmal nicht. Wieder gewinnt der FC Bayern München. Das Team rackert, zaubert ein wenig und siegt. Drei Triumphe in einer Saison bedeuten Triple - und sind natürlich Rekord.
Der ist zudem noch für die Ewigkeit gemacht. Das erkennen selbst die größten Gegner hierzulande an. Die, die behaupten, dass der FC Bayern keine Fans, sondern nur Anhänger hat. Da mag etwas Wahres dran sein. Aber statt sich der Vergangenheit zuzuwenden, sollte man als Anti-Bayer lieber vorausschauen.
Das Problem
Der Triple-Trainer Jupp Heynckes ist Geschichte. Er coacht derzeit nur zu Hause. Sein Nachfolger steht bereits früh fest: Josep "Pep" Guardiola, Ex-Erfolgstrainer des FC Barcelona. Mit den Katalanen gelingt ihm das Kunststück, in seiner ersten Saison als Cheftrainer der ersten Mannschaft, nicht nur das spanische Triple zu gewinnen. Nein, er packt noch drei weitere Titel drauf und ist damit weltweit der erste Coach mit sechs Triumphen in einem Jahr. Wer also, wenn nicht er, ist der geborene Heynckes-Nachfolger für die Bayern?
Aber er ist auch das Problem: Hält er dem enormen Druck stand? Wie nehmen die Spieler sein System auf? Wie hält er die unzufriedenen Bankdrücker bei Laune? Wie reagiert der Verein nach den ersten Hiobsbotschaften?
Seinen ersten Kredit, oder besser seinen ersten richtigen Titel, hat Guardiola bereits verspielt. Gut, die Bayern gewinnen den Telekom-Cup und beweisen, dass ihnen bereits 60 Minuten reichen, um Bundesliga-Teams zu demütigen. Aber hey, es war doch nur der HSV … Und die Bayern gewinnen den Uli-Hoeneß-Cup. Gut, bei dem geht es nicht um Steuerschulden, schwarze Konten oder Selbstanzeigen, sondern gegen Guardiolas Ex-Klub Barcelona. Doch den ersten wirklichen Titel der Saison, den Deutschen Supercup, den vergeigen sie - gegen Borussia Dortmund. Weder stehen bei den Bayern hinten die Null noch vorne mehr Tore als beim Gegner. Die bajuwarische Übermacht schon vor der Saison auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt?
Wohl nicht, aber schau an, die Bayern werden nervös: Plötzlich soll laut britischen Medienberichten noch einmal kräftig Geld in die Hand genommen werden, für einen Innenverteidiger oder besser Abwehrspieler, denn im Guardiolaschen System muss fast jeder Bayern-Spieler mehrere Rollen übernehmen können. Spezialisten sind da nicht gefragt, wie es scheint. Das Team ist der Star - neben dem Trainer, der allerdings ziemlich unaufgeregt und unprätentiös daherkommt. Immerhin. Granden gibt es bei den "Großkopferten" schließlich genug, leise (Sammer) und laute (Hoeneß, Rummenigge).
Mia san mia
Kurzum: Die 51. Bundesliga-Saison wird spannender denn je. Die Bayern werden wieder polarisieren. Der Fan kann sich an ihnen reiben, mit deren Anhänger streiten und am Ende hoffen, dass die Bayern nicht wieder mit einem T-Shirt rumrennen, auf dem steht "Oans, Zwoa, Drei, Gwinna". Das berühmte "Mia san mia" reicht bereits völlig. Und mit ein bisschen Glück und einem Fußballgott, so es einen gibt, der diesmal einen guten Tag erwischt, feiern diesmal vielleicht die Anti-Bayern-Fans. Oh, wie wäre das schön ... Oh, wie wäre das schön ...
Für die Millionen "Anhänger" der Bayern, davon allein rund 220.000 Vereinsmitglieder, bliebe in diesem unwahrscheinlichen Fall dann zumindest das Schwelgen in Erinnerungen: dem Rückbesinnen an das "Triple 2013". Die passenden emotionsgeladenen Bilder und Texte liefert das gleichnamige offizielle Bayern-Buch. Es ist im Verlag Die Werkstatt erschienen und zeichnet die Erfolgswege des FCB in der Bundesliga, in der Champions League und im Pokal der Saison 2012/2013 nach. Statistiken mit jeder Menge interessanter Zahlen und Fakten sowie ein Interview mit Karl-Heinz Rummenigge und ein Porträt des Erfolgstrainers Jupp Heynckes runden das rot-weiße Gesamtpaket ab.
Damit das 164 Seiten starke Buch auch wirklich nur in Bayern-Liebhaber-Hände gelangt (wie gesagt, es gibt Millionen davon) und nicht in die berühmtem falschen, dafür ist auch Sorge getragen: Das Vorwort stammt von Philipp Lahm. "Triple 2013", ein Muss für jeden Bayern-Anhänger und ein Kann für Anti-FCBler. Schließlich sollte man alles über seine Feinde wissen, bis ins kleinste Detail.
