Schmelzer und die unfrohen Sieger Löws DFB-Elf krankt am System
12.09.2012, 14:56 Uhr
Marcel Schmelzer erwischte einen gebrauchten Tag - wie eigentlich immer im Nationaltrikot.
(Foto: AP)
Da starten Deutschlands Fußballer mit zwei Siegen in die WM-Qualifikation, und dennoch ist die Stimmung gedrückt. Denn auf dem Rasen läuft es nicht rund, weil die Dortmunder nicht spielen können wie die Münchner - und umgekehrt auch nicht. Bundestrainer Joachim Löw muss sich nun entscheiden, was er will.
Martin Harnik fühlte sich wie nach einer unheimlichen Begegnung der dritten Art, zumindest aber, da der Gegner ja nicht in einem UFO daher kam, wie einer, den täglich das Murmeltier grüßt. "Im Grunde genommen war es ein Déja-vu vom letzten Jahr. Wir haben es unglaublich gut gemacht über 90 Minuten und müssen das Spiel unbedingt gewinnen", sagte Österreichs Mittelstürmer. Doch am Ende siegten die Deutschen in Wien mit 2:1. Glücklich zwar, aber sie sind es, die in der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in der Gruppe C mit sechs Punkten aus zwei Partien auf Platz eins stehen. Den Österreichern blieben die Gewissheit, gut mitgehalten zu haben, und viel Lob von allen Seiten. Mehr aber auch nicht. Sie stehen mit leeren Händen dar. Wie immer halt.
Doch während die Verlierer sich feiern ließen, war die Stimmung bei den Gewinnern arg gedrückt. Wie die Zeiten sich ändern. Vor 15 Monaten hatte die deutsche Nationalmannschaft in der Ausscheidung zur Europameisterschaft in Österreich gespielt, Mario Gomez vom FC Bayern erzielte beide Tore, das siegbringende in letzter Minute, und die DFB-Elf gewann ebenfalls mit 2:1. Damals war es der sechste Sieg im sechsten Qualifikationsspiel, obwohl fast alle Akteure im Team von Bundestrainer Joachim Löw nicht das zeigten, was sie können. Vor allem die Außenverteidiger, Marcel Schmelzer und Philipp Lahm, blieben unter Form. Nur damals hat sich niemand groß darüber aufgeregt. Hauptsache gewonnen, hieß es allenthalben, abhaken und weiter. Das ist jetzt anders. Nur: warum?
Mischmasch aus Ballbesitzfußball und Pressing

Joachim Löw bemüht sich derzeit um einen Systemwechsel, den seine Spieler noch nicht ganz hinkriegen.
(Foto: dpa)
Es liegt, kurz gesagt, an der Erwartungshaltung, die mit paradoxerweise jedem verpassten Titelgewinn wächst. An den Kritikern, die die Perspektive gewechselt haben und nun alles in Frage stellen, als wollten sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen, nicht frühzeitig auf ein mögliches Aus im Halbfinale der Europameisterschaft hingewiesen zu haben. Und an der Leistung der Mannschaft, die stagniert, wenn nicht gar schlechter geworden ist. Das ist der Kern des Problems. Denn der Bundestrainer scheint, anders als früher, auf die Kritik zu reagieren - und versucht, seiner Mannschaft eine neue Spielweise zu verordnen.
Nur funktioniert das nicht so, wie Joachim Löw sich das vorstellt. Nun hängt im Fußball nicht alles am System, aber die Partie in Österreich war weder Fisch noch Fleisch. Ein Mischmasch aus Ballbesitzfußball, wie ihn der FC Bayern München häufig pflegt, und aggressivem Überfallfußball nach Dortmunder Art. Ein fauler Kompromiss, der Fehler generiert und den Österreichern so in die Karten spielte. Die betrieben ihrerseits, getrieben vom begeisterungsfähigen Publikum im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion, einen enormen läuferischen Aufwand und zelebrierten ein Pressing, mit dem die deutsche Mannschaft nicht wirklich etwas anfangen konnte. Letztlich fehlte den Gastgebern nur das Quäntchen Glück und ein zielsicherer Marko Arnautovic, und sie hätten zumindest einen Punkt ergattert. Und das völlig verdient.
"Mir fehlt diese Selbstsicherheit aus dem Verein"
Es liegt nun am Bundestrainer, das richtige Rezept zu finden. Er muss entscheiden, welche Fraktion sich durchsetzt. Münchens Toni Kroos zum Beispiel interpretiert Aggressivität offensichtlich dahingehend, dass er möglichst oft seinen Gegenspieler foult. Ansonsten gehören Pressing, also das frühe Angreifen des Gegners, wenn der versucht, ruhig das Spiel aufzubauen, und Gegenpressing, also das Verteidigen direkt nach einem Ballverlust, nicht zu seinen Hobbys. Aber vor allen die Spieler des BVB wirken in der Nationalmannschaft verloren. Innenverteidiger Mats Hummels spielte ungewohnt viele Fehlpässe, Marco Reus war bis zu seinem Tor überhaupt nicht zu sehen - und Marcel Schmelzer, mit den Dortmundern zuletzt in tragender Rolle zweimal Deutscher Meister, war völlig von der Rolle. Und hinterher dementsprechend geknickt, weil auch er weiß, dass bei allem Kudelmuddel die Position des linken Außenverteidigers die Problemseite in der DFB-Elf bleibt. "Mir fehlt diese Selbstsicherheit aus dem Verein, und dann ist es schwierig, im Eins-gegen-Eins zu bestehen."
Sorgen, dass er nun wieder aus der Mannschaft fliegt, muss sich der Dortmunder allerdings nicht machen. Abgesehen davon, dass Joachim Löw bereits zuvor versprochen hatte, dass er sich auch in den Qualifikationsspielen Mitte Oktober in Irland und gegen Schweden bewähren darf, bleiben dem Trainer nicht viele Möglichkeiten. "Man muss sehen. Wir haben links nicht allzu viele Alternativen. "Deswegen wird man weiter mit Marcel Schmelzer arbeiten und hoffen, dass er sich weiterentwickelt auf diesem internationalen Niveau" Das klang jetzt nicht restlos überzeugt. Aber Marcel Schmelzer ist auch nicht das Problem. Das Problem liegt zum großen Teil im System.
Quelle: ntv.de