Fußball

Bundesliga-Wettskandal Schnitzler: Spieler als Zocker

Im Fußball-Wettskandal kommen immer neue Details ans Licht. Ex-Bundesliga-Profi René Schnitzler gibt zu, 100.000 Euro von einem Wettpaten erhalten zu haben. Betrogen habe er aber nicht, obwohl er mit dem Tod bedroht worden sei. Der DFB lässt die Partien überprüfen.

Nahm Geld, will aber dem Wettpaten ein Schnippchen geschlagen haben: René Schnitzler, hier im Trikot des FC St. Pauli.

Nahm Geld, will aber dem Wettpaten ein Schnippchen geschlagen haben: René Schnitzler, hier im Trikot des FC St. Pauli.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Im Fußball-Wettskandal hat sich ein weiterer Profi offenbart. Der frühere Stürmer des FC St. Pauli, René Schnitzler, gab im Magazin "Stern" zu, 100.000 Euro von einem Wettpaten namens Paul kassiert zu haben. Er bestritt aber, im fraglichen Jahr 2008 Spiele manipuliert zu haben, berichtet das Magazin. Schnitzler räumte ein, spielsüchtig zu sein. "Seit ich 18 Jahre alt bin, gab es kaum einen Tag, an dem ich nicht gespielt habe."

"Das hat uns sehr geschockt, auch wenn hier anscheinend keine Manipulation vorliegt. Wenn sich ein Spieler mit der Wettmafia einlässt, dann wird der Sport mit Füßen getreten", sagte St. Paulis Pressechef Christian Bönig. In diesem Fall habe es den Anschein, dass Schnitzler einen Betrüger betrogen habe. "Wenn wir etwas gemerkt hätten, dann hätten wir es umgehend gemeldet." Schnitzler bestritt für den FC St. Pauli zwischen 2007 und 2009 insgesamt 33 Partien und erzielte sieben Tore. Zuletzt spielte er beim NRW-Ligisten FC Wegberg-Beeck in der 5. Liga. Sein Vertrag dort wurde am 15. Dezember aufgelöst, offiziell, um ihm die Rückkehr in den Profifußball zu ermöglichen.

Top-Spieler als notorische Zocker?

Dort geht es, glaubt man Schnitzler, permanent um Wetten. Die Mehrzahl der Top-Spieler seien notorische Zocker. "Viele Profis haben gewettet wie Wahnsinnige. 70 oder 80 Prozent der Spieler einer Mannschaft setzen auf irgendwelche Partien in irgendwelchen Ligen."

Aus seiner Zeit bei Bayer Leverkusen berichtet Schnitzler, ein Nationalspieler habe den Kollegen am Flughafen vor einem Testspiel gegen Legia Warschau einen Hut hingehalten: Jeder Profi sollte 500 Euro in den Jackpot einzahlen. "Da segelten die Scheine, mehr als 5000 Euro lagen drin. Und die hat der kassiert, dessen Koffer zuerst aufs Gepäckband fiel."

Geständnis wie ein schlechter Krimi

Auch sonst liest sich das Geständnis Schnitzlers wie ein schlechter Krimi. So habe ein Begleiter des Wettpaten Paul R. gedroht, den Spieler "an einen Pfosten in der Elbe zu binden und auf die Flut zu warten". Ein Schuldeneintreiber habe Schnitzler eine Pistole an die Schläfe gehalten; er habe in der Angst gelebt, entführt oder getötet zu werden. Dennoch: "Ich habe Geld genommen, ja, aber ich habe nicht manipuliert. Ich habe nicht einmal daran gedacht."

Der Profi behauptet, wegen seiner Spielsucht in einer Zwickmühle gesteckt zu haben. Um seine Verluste auszugleichen, habe er seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Am 15. Mai 2008 sei er von Paul R. in einem Hotel im niederländischen Noordwijk angeworben worden. Ab diesem Tag sei die Spirale nicht mehr aufzuhalten gewesen. Nach und nach habe Schnitzler das Geld des Paten verzockt, sei bedroht worden, habe weiteren Manipulationen zugestimmt – und dann habe alles wieder von vorne begonnen. Dabei habe er, als am Anfang eine Begegnung nach Wunsch mit einer Niederlage endete, gedacht: "Mein Gott, ist das einfach!"

"Paul hat zwei Millionen Euro verloren"

Dann sei es nicht mehr gelaufen, und der Pate habe Druck gemacht. Schnitzler soll weiteres Geld erhalten haben, um Mitspieler zu bestechen - er leugnet, etwas davon ausbezahlt zu haben. Angeblich habe er alles verspielt, teilweise im Rausch, 36 Stunden am Stück. Das Problem: Paul R. wollte nun Spieler sehen, die eingeweiht sind. Zwei Kollegen sollen das Theater für Schnitzler mitgespielt haben.

Dennoch sei er mit dem Tod bedroht worden. Schnitzler habe sich überreden lassen, ein Spiel in Mainz zu verschieben, doch es endete 2:2. Danach habe er einen Anruf eines Wettbüro-Betreibers erhalten, der auch in die Deals involviert gewesen sein soll. "Sieh zu, dass du abhaust", habe er gesagt, "Paul hat zwei Millionen Euro verloren."

DFL lässt die Begegnungen überprüfen

Die Deutsche Fußball Liga reagierte relativ gelassen auf die Aussagen Schnitzlers. Ihr seien "keine Auffälligkeiten bekannt. Man habe aber den Wettkontrolleur Sportradar beauftragt, die Spiele erneut zu prüfen. Der DFB teilte mit, dass ihm die Verdachtsmomente "seit einiger Zeit bekannt" seien. Der Kontrollausschuss prüfe das. "Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Bochum signalisiert, dem Kontrollausschuss weitere Informationen zur Verfügung stellen zu wollen", sagte Rainer Koch, der für Rechtsfragen zuständige DFB-Vizepräsident.

Zentrale Figur im Wettskandal?

Bei den fraglichen Partien, die Schnitzler hätte manipulieren sollen, soll es sich laut "Stern" um Auswärtsspiele der Hanseaten bei Mainz 05 (Saison 2007/2008), bei Hansa Rostock, beim FC Augsburg, beim MSV Duisburg und erneut bei Mainz 05 (jeweils 2008/2009) handeln. Vor Schnitzler hatte der frühere Profi des VfL Osnabrück, Marcel Schuon, seine Verwicklung in den Wettskandal teilweise gestanden und war vom DFB gesperrt worden.

Laut "Stern" handelt es sich bei dem Wettpaten um den Niederländer Paul R., mutmaßlich eine zentrale Figur im Bundesliga-Wettskandal. Die dem Magazin vorliegenden Akten der Bochumer Staatsanwaltschaft sollen zeigen, dass dieser engen Kontakt mit vielen der im Prozess Beschuldigten hatte. Er war "Boss und Lenker", so das Magazin. Die Unterlagen sollen nahelegen, dass der Niederländer für zahlreiche mutmaßliche Spielmanipulatoren hohe Wetten in Asien platzierte, die von deutschen Wettanbietern nicht gehalten worden wären.

Die Liste der fraglichen Spiele:

18. Mai 2008: FSV Mainz 05 - FC St. Pauli 5:1 (3:0) / 34. Spieltag
Tore: 1:0 Borja (10.), 2:0 Baljak (14.), 3:0 Baljak (28.), 4:0 Gunkel (60.), 4:1 Bruns (86.), 5:1 Baljak (87.) - Schnitzler wurde nicht eingesetzt
26. September 2008: Hansa Rostock - FC St. Pauli 3:0 (1:0) / 6. Spieltag
Tore: 1:0 Dorn (30.), 2:0 Cetkovic (71.), 3:0 Cetkovic (87.) - Schnitzler spielte 90 Minuten
19. Oktober 2008: FC Augsburg - FC St. Pauli 3:2 (0:0) / 8. Spieltag
Tore: 0:1 Ebbers (49.), 1:1 Torghelle (58.), 1:2 Schultz (60.), 2:2 Möhrle (79.), 3:2 Thurk (90.) - Schnitzler wurde nicht eingesetzt
29. Oktober 2008: MSV Duisburg - FC St. Pauli 1:2 (0:0) / 10. Spieltag
1:0 Kouemaha (51.), 1:1 Bruns (70.), 1:2 Hennings (73.) - Schnitzler wurde nicht eingesetzt
23. November 2008: FSV Mainz 05 - FC St. Pauli 2:2 (0:1) / 14. Spieltag

 

Quelle: ntv.de, dpa/sid/sgi

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen