Schalker verzücken Fußball-Europa Wieviel Magath steckt im Sieg?
06.04.2011, 11:41 Uhr
Magische Nacht: Die Schalker Fans feiern im Guiseppe-Meazza-Stadion.
(Foto: dpa)
Der FC Schalke 04 sorgt mit seinem 5:2-Triumph bei Inter Mailand für eine der größten Überraschungen im europäischen Vereinsfußball der vergangenen Jahre. Die Mannschaft tritt unter Trainer Ralf Rangnick wie verwandelt auf. Doch sein Vorgänger war es, der das Team zusammengestellt hat.
So einfach kann Fußball sein. Da verjagen sie den alten, ungeliebten Trainer, holen einen neuen - und prompt feiert die Mannschaft ungeahnte Erfolge. So geschehen in Gelsenkirchen. Der FC Schalke 04 triumphiert mit dem neuen Übungsleiter Ralf Rangnick im Hinspiel des Viertelfinales der Champions League mit sage und schreibe 5:2 (2:2) beim Titelverteidiger Inter Mailand, alle sind glücklich und Felix Magath ist Geschichte.
Aber ist der das wirklich? Schließlich war der Sieg in San Siro erst Rangnicks zweites Spiel mit den Schalkern, die er seit zwei Wochen trainiert. Was, um alles in der Welt, soll er in dieser Zeit beim Tabellenzehnten der Bundesliga bewirkt haben? Erntet Rangnick jetzt nur das, was sein Vorgänger gesät hat? Zur Erinnerung: Das ist der Mann, der den FC Schalke im vergangenen Jahr auf Platz zwei in der Liga führte, in dieser Saison ins DFB-Pokalfinale - und eben ins Viertelfinale der Champions League. Magath, das ist der Mann, der die Spieler geholt hat, die nun in Mailand sich und den königsblauen Fans einen Abend für die Ewigkeit bereitet haben. Und dem Gegner konditionell haushoch überlegen waren. Kurz: Wieviel Magath steckt in diesem Sieg?
"Magath hat die Gruppe kaputt gemacht"
Er selbst, nun beim VfL Wolfsburg am Ruder und mit seiner neuen Mannschaft an diesem Samstag zu Gast in Gelsenkirchen, sagt dazu nur: "Ich habe schon vor dem Spiel den Einzug ins Halbfinale für realistisch gehalten. Dass die Schalker die Sache schon im Hinspiel klarmachen, hat mich dann aber doch überrascht." Ansonsten, so machte er der Tageszeitung "Die Welt" weiter weis, habe er das Spiel in Mailand "im Fernsehen angeschaut, aber nur teilweise". Leise Töne für einen, der jüngst noch über seinen Nachfolger gespottet hatte: "Der Herr Rangnick ist doch Professor, der wird sich schon was einfallen lassen."

Dass die Schalker die Sache schon im Hinspiel klarmachen, hat mich dann aber doch überrascht": Felix Magath.
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Aber wieviel Magath steckt denn nun in diesem Sieg? Wer Jefferson Farfan danach fragt, bekommt eine klare Antwort. "Bis vor kurzem lebten viele Spieler in Angst. Der psychische Druck von Herrn Magath ist nun weg. Wir lachen endlich wieder in der Kabine", sagte der Stürmer im Interview mit der "Sportbild". "Magaths unterschiedliche Behandlung hat die Gruppe kaputt gemacht. So kannst du auf Dauer nicht zusammenhalten."
Und bleiben will Farfan jetzt auch. "Ich bin sehr glücklich auf Schalke und werde alles für den Verein tun. Wir sind in Gesprächen." Schließlich ist jetzt alles besser. "Rangnick legt sehr viel Wert auf Kommunikation. Das Verständnis unter uns Spielern ist schlagartig besser geworden, da sich viele einfach besser fühlen. Wir Spieler bekommen vom Trainer Vertrauen. Auch meine Kollegen blühen auf. Einige haben sofort eine noch bessere Einstellung und mehr Lust gezeigt."
Tatsächlich wie von einer schweren Last befreit
Abgesehen davon, dass es ein nicht allzu günstiges Licht auf die Profis wirft, dass ihr Einsatzwille offenbar stark davon abhängt, wer auf der Trainerbank sitzt, wirken die Schalker an diesem denkwürdigen Abend im Guiseppe-Meazza-Stadion tatsächlich wie von einer schweren Last befreit. Und schon vor diesem Sieg bewertete die "Süddeutsche Zeitung" den Stimmungswandel in Gelsenkirchen unter dem neuen Trainer als nahezu radikal: "Den Spielern ergeht es, als wären über Nacht die Mauern und dornigen Hecken verschwunden, die sie im Trainingsalltag umgeben hatten; der peruanische Angreifer Jefferson Farfan war angeblich schockiert, als ihn Rangnick zur Unterhaltung zur Seite nahm. So viel Aufmerksamkeit hat ihm der Professor, wie er Magath nannte, selten geschenkt."

"Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil. Magath war sehr erfolgreich bisher, auch auf Schalke": Ralf Rangnick.
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Hinzu kommt, dass Rangnick tatsächlich etwas von Fußball versteht. Er hat seiner Mannschaft die Angst davor genommen, Fehler zu machen. Und er ließ sie offensiv auftreten wie lange nicht mehr, sie spielten – gegen eine zugegeben schläfrige Mailänder Abwehr - mutig und herzerfrischend nach vorne. Zudem erwiesen sich seine Personalentscheidungen für die Partie in Mailand als richtig, auch wenn die zum Teil aus der Not heraus geboren waren, schließlich fehlten mit Christoph Metzelder, Peer Kluge, Mario Gavranovic und Klaas-Jan Huntelaar vier Akteure, die sich unter Magath als Stammkräfte bezeichnen durften und auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.
"Es hat jetzt keinen Sinn, das zu vergleichen"
Aber zum Beispiel den Spanier José Jurado ins defensive Mittelfeld neben den 19 Jahre alten Kyriakos Papadopoulos zu beordern und den Brasilianer Edu, der gleich doppelt traf, als zweiten Stürmer neben Raúl auflaufen zu lassen, das war ganz alleine Rangnicks Idee. "Für mich ist klar: Edu ist nur ein Mann für die zentrale Spitze, er kann nicht außen spielen", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" und distanzierte sich damit von seinem Vorgänger, der das anders gesehen hatte. Und auch die unter Magath in die Regionalligamannschaft abgeschobenen Hans Sarpei und Alexander Baumjohann einzusetzen, erwies sich als kluger Schachzug.
Wieviel Magath steckt in diesem Sieg? Wenig überraschend mochte sich Rangnick nach dem Spiel damit nicht beschäftigen. "Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil. Magath war sehr erfolgreich bisher, auch auf Schalke. Es hat jetzt keinen Sinn, das zu vergleichen." Warum sollte er auch? Er weiß, dass er nicht viel falsch gemacht haben kann. Das Ergebnis spricht für sich. 5:2 in Mailand. So herrlich kann Fußball sein.
Quelle: ntv.de