Collinas Erben

"Collinas Erben" sind betrübt Schiri weiß, dass der BVB zu Recht schimpft

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Alle schauen genau hin und am Ende entscheidet der Schiedsrichter falsch.

Alle schauen genau hin und am Ende entscheidet der Schiedsrichter falsch.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Nach dem Spitzenspiel zwischen Bayern und Dortmund bedauert der Schiedsrichter öffentlich zwei Fehler zum Nachteil des BVB. Vor allem der nicht gegebene Elfmeter fällt ins Gewicht. In Leipzig trifft der Unparteiische trotz eindeutiger Bilder eine falsche Entscheidung.

Wo Menschen am Werk sind, passieren nun mal Fehler - das ist auch bei den Unparteiischen im Fußball nicht anders, selbst wenn sie in besonders bedeutsamen Fällen seit fünf Jahren auf Video-Assistenten zurückgreifen können. Gut ist es, wenn sie gelegentlich gegenüber der Öffentlichkeit transparent machen, wie es zu einem Fehler gekommen ist, denn Transparenz kann die Akzeptanz und das Verständnis deutlich verbessern. Am Tag nach dem Topspiel des 31. Spieltags der Fußball-Bundesliga zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund (3:1) äußerte sich Referee Daniel Siebert gegenüber dem "Kicker" - und er erläuterte dabei das Zustandekommen zweier Versäumnisse von ihm in dieser Begegnung.

Zum einen räumte er ein, dass es in der 59. Minute beim Stand von 2:1 für die Gastgeber nach einem Zweikampf im Münchner Strafraum zwischen dem Bayern-Verteidiger Benjamin Pavard und dem Dortmunder Jude Bellingham einen Strafstoß für den BVB hätte geben müssen. Pavard habe zum Tackling angesetzt, um seinem Gegner "mit seinem rechten Bein den Ball vom Fuß zu grätschen", doch das sei fehlgeschlagen: "Er spielt den Ball nicht, sein Bein stellt stattdessen im Laufweg von Bellingham ein Hindernis dar." Regeltechnisch liege somit ein Zufallbringen, also ein Foul vor. Dass Pavard kurz danach doch noch den Ball berührt habe, sei irrelevant.

Die Verantwortlichen des BVB, allen voran Marco Rose, ärgerten sich also zu Recht. "Es ist ein absolutes Spitzenspiel, es geht um eine Menge, es geht um Renommee Bayern gegen Dortmund, dann erwarte ich einfach, dass die Dinge anständig geregelt werden. Wenn das heute wieder nicht der Fall war, dann muss ich sagen: Hut ab", sagte der Coach des BVB am Samstag bei Sky nach der Partie, in der die Münchner den 32. Meistertitel perfekt machten.

Der BVB hätte (noch) einen Elfmeter bekommen müssen

Dass er im Spiel zu einer anderen Einschätzung kam, erklärt Siebert so: "Auf dem Feld verdeckte mir Pavard mit seiner Grätsche den Blick auf den entscheidenden Kontakt im Fußbereich." Die Fernsehbilder zeigten jedoch, dass ein Vergehen vorliege: "Vor allem in der Kameraeinstellung 'Hintertor hoch' ist der strafbare Kontakt von Pavard an Bellingham deutlich erkennbar." Auch wenn es der Fifa-Schiedsrichter nicht ausspricht, macht dieser letzte Satz klar: VAR Marco Fritz hätte sich einschalten und Siebert ein On-Field-Review empfehlen müssen, weil der Unparteiische ein strafstoßwürdiges Vergehen im Strafraum nicht erkannt hatte. Doch Fritz war offenbar nach dem Betrachten der Bilder der Ansicht, dass es kein glasklarer Fehler war, nicht auf Elfmeter entschieden zu haben.

Die andere falsche Entscheidung, die Siebert anspricht, hatte er zehn Minuten zuvor getroffen. "Das war der größte Fehler in diesem Spiel, und über meine Bewertung dieser Szene ärgere ich mich sehr", sagt er. Gemeint ist ein eindeutiges Foulspiel von Pavard an Julian Brandt, bei dem der Unparteiische gestisch signalisiert hatte: Ball gespielt. Diese Situation schildert Siebert so: "Brandt enteilt in hohem Tempo Richtung Münchner Tor, und Pavard setzt von seitlich-hinten recht kontrolliert zur Grätsche an, um den Ball zu spielen. Er trifft aber nur Brandts Knöchel, es war also ein klares Foul, das zusätzlich zwingend mit Gelb zu ahnden gewesen wäre."

Warum Pavard ohne Gelbe Karte davonkam

Auf dem Feld hatte der Referee die Dinge anders eingeschätzt, denn: "Weil der Ball genau in der Richtung weiterrollte, als hätte Pavard tatsächlich den Ball gespielt, hatte ich im Spiel leider eine falsche Wahrnehmung." Er sei "froh, dass Brandt weiterspielen konnte und sich offenbar nicht ernsthaft verletzt hat". Manche Beobachter fragten sich, ob es nicht gar einen Feldverweis hätte geben müssen. Doch für Fouls mit den Stollen am Knöchel oder darunter sieht die Regelauslegung für die Schiedsrichter in den meisten Fällen nur eine Verwarnung vor, weil ein solches Vergehen regeltechnisch lediglich als rücksichtslos bewertet wird. Volltreffer mit der "offenen Sohle" oberhalb des Knöchels dagegen sollen bei hoher Intensität aufgrund der größeren Verletzungsgefahr als brutal eingestuft werden und eine Rote Karte nach sich ziehen.

Es ehrt Daniel Siebert, dass er offen und ohne Umschweife einräumt, sich geirrt zu haben, und nachvollziehbar macht, wie er auf dem Feld zu seinen Urteilen kam. Der 37-Jährige, der im vergangenen Jahr bei der Europameisterschaft überzeugte und zuletzt auch ein Viertelfinalspiel der Champions League pfiff, ist nach dem Ende der internationalen Laufbahn von Felix Brych auf FIFA- und UEFA-Ebene die neue Nummer eins unter den deutschen Unparteiischen. Im Spitzenspiel in München aber agierte er zuweilen unglücklich, nicht nur wegen der beiden Fehler, zu denen er sich geäußert hat. Wobei er in weiteren kniffligen Situationen - wie bei den nicht strafbaren Handspielen von Raphael Guerreiro und Emre Can sowie beim Einsatz des BVB-Torwarts Marwin Hitz gegen Lucas Hernández, alle im Dortmunder Strafraum - richtig oder zumindest allemal vertretbar handelte, als er jeweils nicht auf Strafstoß entschied.

Mukiele gegen Gießelmann fast im Kung-Fu-Stil

Sieberts Kollege Daniel Schlager sorgte derweil nach rund einer Stunde in der Partie zwischen RB Leipzig und dem 1. FC Union Berlin (1:2) für einiges Erstaunen. Bei einem Angriff der Berliner - Leipzig führte mit 1:0 - blockte Nordi Mukiele im eigenen Torraum den Ball bei einem Torschuss von Niko Gießelmann mit dem rechten Bein ab, bevor sein linkes Bein nach vorne schnellte und er seinen Gegenspieler fast im Kung-Fu-Stil mit dem Fuß am Knie traf. Schlager ließ gleichwohl weiterspielen; es war in der Realgeschwindigkeit auf dem Feld auch schwierig, den Kontakt einzuordnen, zumal Mukiele zuerst den Ball getroffen hatte, besser gesagt: von ihm getroffen wurde.

Die Fernsehbilder fingen den Tritt gegen das Knie von Gießelmann allerdings aus mehreren Perspektiven gut erkennbar ein. Sie zeigten ein klares, strafstoßwürdiges Foulspiel, und daran ändert sich auch nichts, wenn man Mukiele zugutehält, unabsichtlich gehandelt zu haben. Video-Assistent Johann Pfeifer empfahl dem Unparteiischen deshalb völlig zu Recht ein On-Field-Review. Schlager schaute sich die Szene 80 Sekunden lang am Monitor an, immer und immer wieder war der Treffer zu sehen. Am Ende aber entschied er sich gegen einen Elfmeter - und das verwunderte nicht nur die Berliner sehr.

Schlagers Entscheidung ist rätselhaft

Nach der aktuellen Regelauslegung gibt es zwar durchaus Situationen, in denen ein Treffer gegen den Gegner nach dem Spielen des Balles nicht als Foul zu bewerten ist, sondern als Unfall. Dafür gelten allerdings klare Kriterien: Ein Tritt auf den Fuß etwa, der beim vertikalen Abstellen des Fußes auf den Boden versehentlich geschieht und schon deshalb kaum zu vermeiden ist, weil sich der gegnerische Fuß beim Spielen des Balles noch gar nicht dort befand, ist nicht strafbar. Wer aber zuerst den Ball spielt und dann - zumal in einer zusätzlichen Aktion - den Gegner horizontal mit nahezu gestrecktem Bein und einiger Intensität oberhalb des Knöchels trifft, handelt nicht regelkonform.

Es hätte deshalb einen Strafstoß für Union geben müssen und mindestens eine Gelbe Karte gegen Mukiele, denn als nicht zu ahndender Unfall lässt sich die Aktion des Leipzigers nicht bewerten. Es ist ein bisschen rätselhaft, warum Daniel Schlager trotz der eindeutigen Bilder, die ihm der Video-Assistent präsentierte, anders entschied. Und es war, das muss man so klar sagen, schlicht falsch. Dennoch war die Entscheidung am Ende kein allzu großes Thema mehr, weil Union das Spiel noch drehte und gewann. Vielleicht hat der Schiedsrichter deshalb sogar ein bisschen aufgeatmet.

Quelle: ntv.de

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