Schlüsseldatum 5. November Anonymous kündigt Drei-Fronten-Krieg an
04.11.2011, 15:19 Uhr
Wann kommt der nächste Angriff?
"Remember, remember, the 5th of November." Dieses Zitat aus der Comicverfilmung "V wie Vendetta" ist nicht nur Erinnerung an das Jahr 1605, sondern ein Schlüsseldatum für die Zukunft. Anonymous hat in den vergangenen Monaten Großangriffe angekündigt. Die wichtigsten Ziele: Facebook, Rupert Murdoch und ein paramilitärisches Drogenkartell.
Anonymous ist ein loses Netzwerk, Aktivisten und Helfer finden sich in themenbezogenen, losen Verbindungen zusammen. Die meisten Aktionen finden unter einem Titel statt, einer sogenannten Operation. Die Ziele sind dabei so vielfältig wie die Mitglieder. Von der Politik über Daten- bis zum Umweltschutz ist das Spektrum weit gefasst. Und der 5. November ist ihr Großkampftag. An diesem Datum verübte Guy Fawkes – dessen Maske Anhänger und Sympathisanten von Anonymous tragen - im Jahr 1605 ein Attentat auf Jakob I., den König von England. Drei große Aktionen sind für dieses symbolische Datum geplant - von denen die erste schon Wirkung zeigt.
Spambots für Facebook
Seit Monaten ist die "Operation Facebook" angekündigt. Wie genau sie aussehen wird, war lange unklar. Jetzt, kurz vor der Aktion, hat sich nun ein Mitglied der potenziellen Angreifer über Details geäußert. Die Server des sozialen Netzwerkes sind offenbar zu zahlreich – und eventuell auch zu gut gesichert – um sie direkt in Gefahr zu bringen. "Unsere Kritik richtet sich gegen die Datensammelwut", sagt der Aktivist.
Also will Anonymous die Seite per seit Monaten vorbereiteter Nutzerkonten, die weit vernetzt sind, mit Informationen über die Praktiken des Unternehmens fluten. Auch der Einsatz sogenannter Spambots, von Programmen, die selbsttätig agieren, ist denkbar. Alles hängt davon ab, wie viele Anonymous-Anhänger die Operation unterstützen und auf technischer Ebene ihr Wissen einsetzen.
Ziel von Anonymous ist, dass so viele Nutzer wie möglich ihre Mitgliedschaft bei dem sozialen Netzwerk kündigen und so öffentlich auf die Problematik aufmerksam machen. Die Seite mit massenhaften Anfragen zu Fall zu bringen gelänge den Aktivisten wohl ohnehin nicht. Das sieht auch Facebook so: "Wir erwarten einen möglichen Angriff von Anonymous genauso, wie wir andere Angriffe an jedem anderen Tag erwarten", erklärte das Unternehmen. Man habe geeignete Systeme aufgebaut, um sich allen Herausforderungen im Sicherheitsbereich zu stellen.
Fox News und Rupert Murdoch
Das Netzwerk ist erklärter Unterstützer der Occupy-Proteste und agiert als eine Art technischer Arm. Nicht nur in der Nähe der New Yorker Wall Street, wo Demonstranten seit Wochen im Zucotti Park zelten und ihm mit "Liberty Square" sogar einen neuen Namen gegeben haben, sondern weltweit. Ein Mitglied von Anonymous sagte im Gespräch mit n-tv.de, dass das Netzwerk Demonstranten mit Sach- und Finanzspenden unterstütze. Zudem seien die Hacker auch persönlich vor Ort. Im Internet helfen die Aktivisten auch mit der Programmierung von Software aus, etwa für den Kurzmitteilungsdienst Twitter.
Das Finanzsystem und die Macht der Banken sind die Hauptkritikpunkte der Bewegung, die auch in Deutschland Demonstranten auf die Straße getrieben hat. Zu ihren Prinzipien gehören Gewaltlosigkeit und eine führerlose Struktur – auch wenn in New York zuletzt ein Sprecherrat gegründet wurde, um effektiver Entscheidungen treffen zu können. Verschiedene Interessengruppen sollen so vertreten werden. Als Orientierung dienen Aussagen der Occupy-Bewegung zufolge die "demokratische Struktur indigener Kulturen", der Frauenrechts- sowie Anti-Atom-Bewegung.
Während die "Occupy"-Aktivisten dazu aufrufen, am 5. November Konten bei großen Banken wie Wells Fargo oder der Bank of America abzuziehen, hat Anonymous den konservativen US-Fernsehsender Fox News der News Corporation im Visier. Im Zuge der "Operation Fox Hunt" wollen Hacker die Webseite der TV-Station zu Fall bringen. "Die rechtskonservative Propaganda kann nicht länger toleriert werden", heißt es in einer Videobotschaft des Netzwerkes. Anonymous beklagt darin unter anderem, dass Fox News in seiner Berichterstattung über die Occupy-Bewegung ihre Unterstützer wiederholt als "abstoßend", "dreckig" oder "Parasiten" beschreibt.
Die Aktivisten geben zudem die Webseiten und Webprofile einzelner Personen als Ziel aus. Darunter sind auch der bekannte Fox-Moderator Bill O'Reilly sowie News-Corp-Chef Rupert Murdoch selbst. "Eure Zeit ist gekommen. Am 5. November fängt die Operation Fox Hunt an. Möge die Jagd beginnen.", kündigt eine verzerrte Stimme in einem weiteren Video an.
Drogenkartell Los Zetas
Die Ankündigung einer Aktion gegen das mexikansiche Drogenkartell Los Zetas hat bereits die gewünschte Wirkung erzielt: Die Bande hat ein Mitglied von Anonymous, das sich in der Gewalt der Kriminellen befand, freigelassen. Zuvor hatten die Hacker damit gedroht, einige pikante Details ans Licht zu bringen. Als Druckmittel verfügen sie eigenen Angaben zufolge über eine ganze Reihe Klarnamen von Unterstützern der Kriminellen, etwa Journalisten und Polizisten. Als Warnsignal stellten die Aktivisten bereits den ehemaligen mexikanischen Staatsanwalt und politischen Berater Gustavo Rosario auf dessen eigener Webseite bloß.
Die Aktion war allerdings innerhalb des Hacker-Kollektivs stark umstritten. Schließlich sind die Zetas nicht irgendjemand, sondern nach Angaben der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA eine der gefährlichsten Organisationen im Drogenkrieg überhaupt – technisch hervorragend ausgerüstet und auf paramilitärischem Niveau bewaffnet.
So hieß es zunächst, die Operation Cartel sei zu heikel, es sollten keine Menschenleben gefährdet werden. Bekannte Köpfe des Netzwerkes entzogen ihre Unterstützung. Denn wer enttarnt wird, dürfte sofort ins Fadenkreuz des Kartells geraten und als Folge getötet werden. Ein DEA-Mitarbeiter sagte, die Angst sei berechtigt. Trotz der Bedenken lief die Aktion weiter - wahrscheinlich ermutigt durch den großen Zuspruch von Internet-Nutzern weltweit. Der Erfolg der Operation könnte Facebook und Fox zu denken geben.
Quelle: ntv.de