Surface ist mehr als ein Tablet Microsoft greift das iPad an
19.06.2012, 08:57 Uhr
Schön bunt: Langweilig ist Microsofts Tablet Surface sicher nicht.
(Foto: Microsoft)
Microsoft nimmt den Kampf um den boomenden Tablet-Markt selbst in die Hand: Der weltgrößte Software-Konzern bringt einen eigenen Herausforderer für das iPad heraus. Doch der Vorsprung von Apple ist riesig und das Unterfangen kann für Microsoft auch gefährlich werden.
Microsoft will die Dominanz von Apples iPad brechen und steigt dazu selbst ins boomende Geschäft mit Tablet-Computern ein. Microsoft-Chef Steve Ballmer stellte die schlanken und leichten eigenen Rechner mit dem Namen Surface in Los Angeles vor. "Der Surface ist ein PC. Der Surface ist ein Tablet. Und der Surface ist etwas ganz Neues", verkündete er. Es ist ein Wendepunkt für Microsoft: Üblicherweise verkauft der Konzern nur sein Windows-Betriebssystem, die Computer bauen dann PC-Hersteller wie Hewlett-Packard oder Dell.
Die Microsoft-Tablets sind in etwa so groß wie ein iPad, haben aber einen etwas breiteren 16:9-Bildschirm mit einer Diagonale von 10,6 Zoll (26,9 cm) sowie einen USB-Anschluss und einen Einschub für MicroSD-Speicherkarten. Die Gehäuse ist aus einer Magnesiumlegierung, die Microsoft "VaporMG" nennt.
Auffälligste Besonderheiten sind der eingebaute Ständer und der abnehmbare Bildschirmschutz, der über eine vollwertige Tastatur samt Touchpad verfügt. Die Variante Type Cover hat klassische Klick-Tasten, das Modell Touch Cover ist etwas dünner durch eine berührungsempfindliche Oberfläche. Tastatur-Cover gibt es auch für das iPad, aber Apple überlässt dieses Geschäft den Zubehör-Anbietern.
Nur die Pro-Version bietet Full HD
Es gibt zwei Surface-Typen: Das leistungsstärkere und dickere Gerät läuft mit dem für PC-Prozessoren entwickelten Betriebssystem Windows 8 in der Pro-Version, der dünnere und leichtere Bruder mit dem für mobile ARM-Prozessoren optimierten Ableger Windows RT. Das Pro-Modell ist mit 64 oder 128 Gigabyte Speicher zu haben, das RT-Gerät mit 16 oder 32. Das große Surface hat ein Full-HD-Display, der Bildschirm des kleinen Bruders bietet nur HD-Auflösung. Beide Touchscreens werden von Gorilla Glass geschützt, das ohne Zwischenschicht direkt auf dem Touchscreen sitzt, was einen steileren Betrachtungswinkel ermöglicht.

Microsoft hat bei Tastatur und Cover des Surface gekonnt die besten Ideen der Konkurrenz abgeguckt und weiterentwickelt.
(Foto: Microsoft)
Mit einem Gewicht von 676 Gramm und einer Dicke von 9,3 Millimetern liegt die RT-Variante auf Augenhöhe mit der dritten iPad-Generation. Die Pro-Version wiegt 903 Gramm und ist 13,5 Millimeter dick. Interessant ist, dass Microsoft das Pro mit einem Eingabestift versieht, der magnetisch andockt. Was der Stylus genau kann, ist noch nicht klar. Auf beiden Geräten ist Microsofts Office-Bürosoftware installiert.
Kleine, aber wichtige Unterschiede
Auch bei den Anschlüssen gibt es kleine Unterschiede. So bietet das RT-Gerät nur USB 2.0, während das Windows-8-Pro-Flaggschiff einen schnelleren USB-3.0-Anschluss hat. Die ARM-Variante kann mit microSD-Karten bis zu einer Größe von 32 Gigabyte gefüttert, der Speicher des Modells mit Intel-Prozessoren (Ivy Bridge) kann um bis zu 64 Gigabyte erweitert werden (microSDXC).
Apples iPad ist auch gut zwei Jahre nach dem Start der ersten Version das Maß der Dinge auf dem stark wachsenden Tablet-Markt. Der Marktforscher IDC geht davon aus, dass in diesem Jahr 107,4 Millionen Tablet-Computer verkauft und davon 62,5 Prozent aus dem Hause Apple stammen werden. Der Großteil der restlichen Geräte läuft mit Googles Betriebssystem Android. Microsoft muss praktisch bei null anfangen.
Ein übergreifendes System
Dabei hatte der Windows- und Office-Konzern schon vor mehr als einem Jahrzehnt die Idee des Tablet-Computers vorangetrieben. Der Erfolg blieb aber aus, vor allem weil die Geräte zu schwer waren, die Batterien zu schnell aufgaben und die Bedienung zu unhandlich war. Erst Apple gelang es mit dem von Ballmer anfangs belächelten iPad, den totgeglaubten Markt zu beleben. Nun versucht Microsoft, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Dabei hat der Software-Riese einen entscheidenden Trumpf im Ärmel: Er kann Desktop-Rechner, Notebooks und Tablets mit demselben Betriebssystem anbieten. Das kann keiner seiner Konkurrenten.
Konzernchef Ballmer verwies darauf, dass Microsoft eine Tradition als Hardware-Hersteller habe. Der Software-Riese verkauft schon seit geraumer Zeit PC-Zubehör wie Mäuse, Tastaturen oder Webcams und ist erfolgreich mit seiner Spielekonsole Xbox. Allerdings gab es auch Flops wie den Player Zune, der nie für Apples iPods gefährlich werden konnte, sowie die schnell wieder eingestellten Kin-Handys.
Zudem macht Microsoft mit den Surface-Tablets nun ausgerechnet seinen wichtigsten Partnern - den PC-Herstellern - direkte Konkurrenz. Konzerne wie Asus planen längst eigene Windows-Tablets.
Aktuell hat Microsoft einen schweren Stand im mobilen Bereich: Das Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 7 hängt trotz eines großen Partners wie Nokia bei Marktanteilen von wenigen Prozent fest. Apple betreibt iPhone und iPad mit dem selben System iOS.
Genaue Preise und ein Erscheinungsdatum für seine Tablet-Computer nannte Microsoft noch nicht. Der Konzern verriet nur, dass die kleinere Surface-Variante zusammen mit der finalen Version des neuen Windows-Systems erscheinen soll. Das dürfte im Herbst sein. Der leistungsstärkere Surface-Typ mit Intel-PC-Prozessor folgt drei Monate später. Zum Preis hieß es nur, er solle im Bereich vergleichbarer Geräte liegen.
Quelle: ntv.de, kwe/dpa