Cherson

Die genauen Grenzen der von Russland einverleibten ukrainischen Gebiete stehen noch gar nicht fest, aber schon jetzt ist klar, dass Präsident Wladimir Putin nach jetzigem russischen Recht Fakten geschaffen hat. Gebiete zurückgeben? Kann ein möglicher Putin-Nachfolger jedenfalls nicht so einfach. Von Kevin Schulte

Der ukrainische Generalstab meldet erfolgreiche Artillerieschläge im Gebiet Cherson. Beim Angriff auf eine ehemalige Schule sollen mindestens 30 tschetschenische Soldaten getötet und weitere verschüttet worden sein. Offenbar wurden ihnen ihre Social-Media-Aktivitäten zu Verhängnis.

Vor dem nächsten russischen Rückschlag im Süden der Ukraine eskaliert Präsident Putin weiter: Warnungen des Kremls zu vermeintlichen Nuklearplänen Kiews weist die NATO als Falschmeldung zurück. Die ukrainische Armee meldet in Cherson und im Nordosten Gebietsgewinne.

In den letzten Wochen verzeichnet die Ukraine deutliche Geländegewinne in Cherson. Zur Verteidigung des Gebiets rekrutiert die russische Verwaltung nun Männer für eine "paramilitärische Heimatwehr". Zuvor gab es Gerüchte um den Abzug der russischen Truppen. Das hält Kiew für ein Ablenkungsmanöver.

In Cherson wird die Luft für die Russen immer dünner. Die Besatzer verkünden, dass die Evakuierungsmaßnahmen noch heute abgeschlossen sein müssen. Unterdessen fürchten US-Experten eine Sprengung des Staudamms östlich der Stadt. Die Regierung in London erwägt unterdessen die Lieferung von Kampfpanzern.

In der Ukraine richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf den Süden, auf Cherson und den dortigen Staudamm. Aber auch im Osten sichern die Russen ihre Stellungen. Allerdings rund 50 Kilometer hinter der derzeitigen Front. Gehen sie von einem Gebietsverlust aus?

Der Kachowka-Staudamm in der südukrainischen Region Cherson hält Wassermassen "so groß wie ein Meer". Nach Angaben der ukrainischen Regierung will Russland diese als Waffe einsetzen. Genauso wie iranische Drohnen? Der Iran jedenfalls ruft seine Bürger auf, die Ukraine zu verlassen.

Die Lage der russischen Streitkräfte in der Region Cherson verschärft sich zuletzt immer weiter. Auch russisches Kriegsgerät wird im Angesicht der ukrainischen Offensive bereits evakuiert. Die Besatzungsregierung beharrt allerdings darauf, dass sie die Stadt Cherson nicht aufgeben will.

Kiew warnt eindringlich: Russen sollen die Aggregate und den Damm des Wasserkraftwerks Kachowka vermint haben. Sollte der Damm brechen, würden 80 Siedlungen - darunter die Stadt Cherson - überflutet werden, sagt Selenskyj. Russland wolle das Energiesystem zum "Schlachtfeld" machen.

Vitali B. kommt aus der Region Cherson, vor dem Krieg hat er als Handelskaufmann gearbeitet. Als Russland die Ukraine überfallen hat, ging er zur Armee. "Wir kämpfen für unser Land, sie kämpfen für Geld", sagt der 31-Jährige im Interview mit ntv.de.