Der Kriegstag im Überblick Selenskyj besucht befreites Cherson - Biden und Xi verurteilen Russlands Atomdrohung
14.11.2022, 21:41 Uhr
Besuchte wenige Tage nach der Befreiung der Großstadt Cherson die Menschen und Soldaten vor Ort: Wolodymyr Selenskyj.
(Foto: picture alliance / SvenSimon-ThePresidentialOfficeU)
Nach dem Verlust großer Teile der Region Cherson, inklusive der Gebietshauptstadt, muss Russland auch auf dem diplomatischen Parkett einige Rückschläge wegstecken. China droht,von seinem Partner abzurücken, es verurteilt gemeinsam mit den USA das atomare Säbelrasseln des Kreml. Der G20-Gipfel wird in seiner Abschlusserklärung vermutlich die russische Invasion der Ukraine verurteilen. Und für Außenminister Lawrow läuft es auch alles andere als rund. Der 264. Kriegstag im Überblick.
ISW: Russland wird in Donezk hart angreifen
Nachdem die Russen die Gebiete östlich des Dnipro verloren haben, glauben westliche Experten an eine erneute Verlegung russischer Truppen, diesmal in den Donbass. Das Institute for the Study of War (ISW) geht davon aus, dass ukrainische Streitkräfte im Gebiet Donezk "in Bedrängnis geraten" und wahrscheinlich einige Truppen aus der Region Cherson abziehen müssen, um die erneuten russischen Offensivoperationen abzuwehren. Trotz der erneuten Bemühungen werde Russland dennoch keine nennenswerten operativen Erfolge erzielen, hieß es im Lagebericht. Dafür hätten sich die russischen Truppen als zu unzureichend ausgebildet, schlecht ausgerüstet und kampfunwillig erwiesen.
London: Winter wird russischen Truppen zusetzen
Nach britischen Einschätzungen soll zudem der bevorstehende Winter die Kämpfe erheblich beeinflussen. "Veränderungen bei Tageslichtstunden, Temperatur und Wetter bedeuten einzigartige Herausforderungen für die kämpfenden Soldaten", teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Weil die Tageslichtstunden deutlich abnehmen, werde es weniger Offensiven und dafür mehr statische Verteidigungslinien geben. Die Winterbedingungen mit mehr Regen und starken Winden sowie Schneefall führten zu Kälteverletzungen und würden die ohnehin schon niedrige Moral der russischen Streitkräfte vor zusätzliche Herausforderungen stellen, so das Ministerium weiter. Sie bedeuteten aber auch Probleme für die Wartung der Ausrüstung.
Selenskyj besucht Cherson
Nachdem zahleiche Bewohner der befreiten Großstadt Cherson zuletzt die ukrainischen Soldaten freudig begrüßten, durften sie sich heute über den Besuch ihres Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj, freuen. "Wir bewegen uns vorwärts", sagte er zu den Truppen, die in Formation vor dem Verwaltungsgebäude auf dem Hauptplatz der Stadt standen, als die ukrainische Flagge gehisst wurde. "Wir sind bereit für den Frieden, den Frieden für unser ganzes Land". Selenskyj dankte der NATO und anderen Verbündeten für ihre Unterstützung im Krieg gegen Russland und sagte, die Lieferung von hochmobilen HIMARS-Raketensystemen aus den Vereinigten Staaten habe für Kiew einen großen Unterschied gemacht.
Litauen liefert gepanzerte Fahrzeuge an Ukraine
Militärisch helfen sollen auch gepanzerte Fahrzeuge. Die erhielt die Ukraine nun von Litauen. Das NATO-Land sandte zwölf weitere gepanzerte Fahrzeuge vom Typ M113 als Militärhilfe. Konkret wurden zehn Panzermörser samt Munition vom Kaliber 120 Millimeter und zwei Feuerleitpanzer an Kiew übergeben, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius mit. Damit habe der Baltenstaat bereits insgesamt 62 M113-Fahrzeuge für unterschiedliche Zwecke an die Ukraine geliefert.
Biden und Xi kontern Russlands Atomdrohung
Abseits des Schlachtfeldes machte vor allem die große Politik heute von sich reden. Zunächst berichteten US-Medien, dass US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping gemeinschaftlich die russische Drohung, in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen, verurteilten. Die beiden Staatschefs hatten sich am Rande des G20-Gipfels zu einem Gespräch getroffen. Chinesische Offizielle bestätigten sich Angaben der US-Medien zunächst nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Nein von Biden und Xi zum Einsatz von Atomwaffen begrüßt. Es sei sehr gut, "dass auch die beiden erneut diese Klarheit entwickelt haben, dass der Einsatz von Atomwaffen ausgeschlossen sein soll und eine rote Linie ist, die nicht überschritten werden darf", so Scholz.
G20-Gipfel soll russischen Angriffskrieg verurteilen
Auch von russischer Seite gibt es ungewöhnliche Töne im Rahmen des G20-Gipfels. So berichteten westlichen Diplomaten, dass Russland offenbar bereit sei, einen besonderen Passus in der Abschlusserklärung zu akzeptieren. Darin soll der Ukraine-Krieg verurteilt werden. Konkret soll auch von einem Krieg und nicht wie von Russland stets betont von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede sein. Russlands mögliche Zustimmung zu dem Textentwurf könnte ein Zeichen dafür sein, dass Moskau beim Thema Ukraine in der G20-Gruppe nicht einmal mehr auf die Unterstützung des mächtigen Partners China zählen kann.
Lawrow angeblich im Krankenhaus
Auch in einer dritten Angelegenheit lief es auf dem diplomatischen Parkett nicht gut für Russland. Die Nachrichtenagentur AP berichtete, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow nach seiner Ankunft auf dem G20-Gipfel in Bali zunächst in ein Krankenhaus kam. Nach Angaben indonesischer Behörden habe er über gesundheitliche Probleme geklagt und sei wegen eines Herzleidens im Sanglah-Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Denpasar behandelt worden. Das russische Außenministerium wies die Berichte zurück.
Lawrow in westlichem Konsumgut
Später veröffentlichte das Ministerium ein Video mit Lawrow, der in kurzen Hosen auf der Terrasse seiner Unterkunft in Bali sitzt und Dokumente für den Gipfel studiert. Damit sollte die Darstellung der indonesischen Behörden widerlegt werden. Stattdessen entzündete sich jedoch andere Kritik an dem kurzen Clip. So befindet sich auf dem Tisch des russischen Außenministers ein iPhone, am Handgelenk trägt er zudem eine Apple-Watch. Gekleidet ist er neben Shorts in ein T-Shirt, das an den 1988 verstorbenen US-Künstler Jean-Michel Basquiat erinnert. In sozialen Medien merkten zahlreiche Nutzer an, dass Russland immer wieder den Westen und seine Unternehmen kritisiere, dessen Technik und Kultur aber regelmäßig nutze. All das hielt Lawrow jedoch nicht davon ab, über westliche Journalisten zu schimpfen und deren Berichte er als Falschmeldungen zu bezeichnen.
USA sanktionieren russische Bürger und Unternehmen
Grund zu schimpfen dürften auch 14 russische Bürger und 28 russische Unternehmen künftig haben. Denn US-Finanzministerin Janet Yellen setzte sie auf die US-Sanktionsliste. Die seien an der Beschaffung von Militärtechnologie für Russland beteiligt gewesen, begründete Yellen den Schritt. "Dies ist Teil unserer größeren Bemühungen, Russlands Kriegsanstrengungen zu stören und ihm (Wladimir Putin) durch Sanktionen und Exportkontrollen die benötigte Ausrüstung zu verweigern", sagte sie laut Wall Street Journal.
Russland will 2023 mehr Getreide exportieren
In einem Punkt vermeldete Russland heute zumindest Positives. Die Regierung plant, die Getreideexporte im kommenden Jahr zu verdoppeln. Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium hätten sich auf eine Ausfuhrquote von 25,5 Millionen Tonnen verständigt, teilte Vizeregierungschefin Viktoria Abramtschenko auf ihrem Telegram-Kanal mit. In diesem Jahr beläuft sich die Quote auf 11 Millionen Tonnen. Der Anstieg erfolgt nach Angaben Abramtschenkos wegen der Rekordernte in Russland. Russland wird demnach in diesem Jahr mit mehr als 150 Millionen Tonnen einen historischen Rekord bei der Getreideernte aufstellen.
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Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts