Geplante Fusion mit Praxair Aktionäre gehen Linde-Führung scharf an
10.05.2017, 14:28 Uhr
Linde-Aufsichtsratschef Reitzle erntet auf der Hauptversammlung heftige Kritik.
(Foto: picture alliance / Florian Eckl/)
Auf der Hauptversammlung von Linde soll die Fusion mit dem US-Gasekonzern Praxair abgesegnet werden. Doch bei den Aktionären des Dax-Unternehmens regt sich heftiger Widerstand. Insbesondere gegenüber Aufsichtsratschef Reitzle fallen harsche Worte.
Aktionärsschützer und große Investoren haben dem Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle auf der Hauptversammlung die Leviten gelesen. Sie unterstützten die geplante Fusion von Linde mit dem US-Gasekonzern Praxair zwar grundsätzlich, äußerten aber die Sorge, dass die Linde-Aktionäre und die Beschäftigten dabei den Kürzeren ziehen würden. "Wir haben eher das Gefühl, dass wir uns ein bisschen unter Wert verkaufen", sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), in München. Mehrere Bankenfonds kündigten an, Reitzle die Entlastung zu verweigern.
Linde-Vorstandschef Aldo Belloni will den Fusionsvertrag mit Praxair "in den nächsten Wochen abschließen". Man sei sehr gut vorangekommen und hoffe, den Vertrag bis Ende Juni unterschreiben zu können.
Union-Investment-Manager Ingo Speich sagte: "Wir wollen die Fusion, aber nicht um jeden Preis." Sie verspreche "Größenvorteile, höhere Gewinne und jährliche Synergien von einer Milliarde Euro". Aber "es darf nicht sein, dass unter hohem Zeitdruck Unternehmensteile verschleudert werden", nur um "den Deal schnellstmöglich durchzupeitschen". Die Alarmstimmung an den deutschen Linde-Standorten sei nachvollziehbar. Beschäftigte fürchteten um ihre Jobs, die Unsicherheit lähme den Konzern. "Selten wurde ein Konzern so ins Chaos gestürzt wie Linde durch die angestrebte Fusion mit Praxair", kritisierte Speich. Er werde Vorstand und Aufsichtsrat des Dax-Konzerns die Entlastung verweigern.
Breiter Widerstand
Bergdolt warf Reitzle vor, die Fusion "auf Gedeih und Verderb, auf Biegen und Brechen" voranzutreiben und Praxair zu große Zugeständnisse zu machen. Vielleicht gehe es gar nicht um industrielle Logik, sondern um sein Ego. Eine Hauptversammlung müsse über den Zusammenschluss entscheiden, die Zustimmung des Aufsichtsrats allein reiche nicht. Die DSW behalte sich eine Klage vor.
Praxair-Chef Steve Angel soll den neuen Konzern aus den USA heraus führen, die Holding soll in Dublin angesiedelt werden. Die profitable Gase-Sparte könnte durch kartellrechtlich notwendige Verkäufe geschwächt werden.
Belloni wies die Forderungen nach einer Zustimmung durch die Hauptversammlung zurück. Jeder Linde-Aktionär könne selbst entscheiden, ob er seine Aktien in Anteile des neuen Konzerns tauschen wolle. Die 100 größten Linde-Aktionäre halten 69 Prozent der Linde-Papiere und zugleich 42 Prozent der Praxair-Anteile. Die 8000 Linde-Mitarbeiter in Deutschland seien bis Ende 2021 vor Kündigungen geschützt, sagte Belloni.
Gewerkschaften und Betriebsrat fürchten aber einen massiven Stellenabbau und den Verlust der Mitbestimmung. Der bayerische IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler sagte: "Die beste Lösung für Linde wäre, die Fusion jetzt abzusagen, bevor es zu spät ist."
Quelle: ntv.de, cri/dpa