"Qualifizierte_r Fachexpert_in" Audi lehnt Kompromiss in Gender-Prozess ab
14.06.2022, 15:42 Uhr
Im März 2021 wurde aus den bisherigen "Audianern" die "Audianer_innen".
(Foto: picture alliance/dpa)
2021 stellt Audi seinen Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache vor. Ein Mitarbeiter der Konzernmutter Volkswagen verklagt daraufhin das Unternehmen. Den Kompromiss, den Kläger künftig gesondert in herkömmlicher Sprache zu adressieren, weist Audi nun als nicht handhabbar zurück.
In einem Prozess um geschlechtergerechte Sprache bei Audi lehnt das Unternehmen den Kompromiss ab, für einzelne Mitarbeiter von seinem Gender-Leitfaden abzuweichen. Ein Angestellter der Konzernmutter Volkswagen, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeiten muss, hatte Audi verklagt, nachdem das Unternehmen keine Unterlassungserklärung abgeben wollte. Der Kläger sieht durch den Leitfaden seine allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Vorsitzende Richter im Landgericht Ingolstadt schlug zur gütlichen Einigung vor, den Kläger künftig in herkömmlicher Sprache anzuschreiben. Die Audi-Anwälte lehnten dies aber als nicht praktikabel und nicht handhabbar ab.
Der Leitfaden sorgte bereits unmittelbar nach der Einführung im März 2021 für Streit. Audi betonte damals, dass in Zukunft in allen internen und externen Schreiben des Unternehmens gendersensible Formulierungen notwendig seien. Das Unternehmen schlägt entweder neutrale Formulierungen ("Führungskraft" statt "Chef") oder den sogenannten Gender Gap vor, mit dem die männlichen und weiblichen Formen mit einem Unterstrich verbunden werden: So werden aus den bisherigen "Audianern" die "Audianer_innen". Der Kläger zitierte zudem aus Arbeitsanweisungen von Audi an ihn mit Formulierungen wie: "Der_die BSM-Expert_in ist qualifizierte_r Fachexpert_in".
"Möchte in Ruhe gelassen werden"
Klägeranwalt Dirk Giesen sagte, sein Mandant sei klar für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Aber "er möchte in Ruhe gelassen werden mit dieser Gendersprache". Audi solle ihm keine Mails, Mailanhänge und Anweisungen mit Vorgabe des Gender Gaps mehr schicken. Die Anwälte meinen, dass Sprache nicht derart konkret vorgegeben werden dürfe. Sie betrachten das Verfahren auch als Musterprozess, der über Audi hinaus wirkt.
Richter Christoph Hellerbrand stellte hingegen klar, dass seine Kammer kein Grundsatzurteil fällen werde. Es gehe bei diesem Prozess nur um den konkreten Einzelfall: "Es geht um Sie, um Ihre persönliche Betroffenheit durch diesen Gender-Leitfaden", sagte er dem VW-Mitarbeiter.
Unterstützt wird die Klage vom Verein Deutsche Sprache, der das Gendern als Ideologie ablehnt. Andere Organisationen der Sprachpflege sehen eine Notwendigkeit des Genderns, appellieren aber an die Einhaltung der grammatikalischen Regeln. So sieht die Gesellschaft für deutsche Sprache eine Doppelnennung ("Schülerinnen und Schüler") positiv, den Gender Gap hingegen als problematisch.
Audi-Sprecher Wolfgang Schmid betonte im Voraus, das Unternehmen wolle eine Organisationskultur pflegen, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt sei. "Die Verwendung gendersensibler Sprache bedeutet eine Kommunikation, die alle Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten wertschätzt und berücksichtigt."
Quelle: ntv.de, mbu/dpa