Aktienkurs steigt Bayer-Aktionäre begrüßen radikale Dividendenkürzung
20.02.2024, 15:26 Uhr Artikel anhören
Die Forderungen an Bayerchef Anderson reichen bis zu einer kompletten Aufspaltung des Traditionskonzerns.
(Foto: picture alliance/dpa)
Trotz der desaströsen Entwicklung nach der Übernahme des Glyphosatherstellers Monsanto zahlt Bayer seinen Aktionären Jahr für Jahr eine stattliche Dividende. Bis jetzt. Bayer-Chef Anderson will die Milliarden lieber in den Schuldenabbau stecken.
Bayer streicht seinen Aktionären gleich für drei Jahre fast die gesamte Dividende - und erntet auch von den Anteilseignern überwiegend Zustimmung. Der Aktienkurs des Leverkusener Chemie-Konzerns steigt am Vormittag nach Bekanntgabe der radikalen Dividenden-Kürzung um etwa 0,7 Prozent - während der Leitindex DAX sogar leicht im Minus notiert. Der Verzicht auf die Ausschüttungen fällt den Bayer-Aktionären offenbar leicht, wenn dafür das Unternehmen insgesamt und damit auch die Anteile daran an Wert gewinnen. Genau das ist der Plan von Bayerchef Bill Anderson.
Im vergangenen Jahr hatte Bayer noch 2,40 Euro Dividende pro Aktie für das Vorjahr 2022 ausgezahlt, insgesamt fast 2,4 Milliarden Euro. Seit zehn Jahren lag die Dividende nie unter zwei Euro pro Aktie. Damit entschädigte der Konzern seine Anteilseigner gewissermaßen für die miserable Kursentwicklung der Aktien. Deren Wert ist seit 2015 von einem einstigen Höchststand bei 141 Euro um mehr als 80 Prozent auf einen Tiefststand von nur noch 27,40 Euro vor wenigen Wochen gefallen. Dieser Wertverlust ging einher mit der Übernahme des amerikanischen Agrarchemie-Unternehmens Monsanto. Der Deal erwies sich als finanzielle Katastrophe. Monsanto brachte mit seinem Unkrautvernichter Glyphosat Milliardenrisiken in Form von Schadensersatzforderungen krebskranker Kunden ins Unternehmen ein. Umsatz und Gewinn blieben dagegen hinter den Erwartungen zurück. Bayer sitzt nun auf 35 Milliarden Euro Schulden - bei steigenden Zinsen.
Die Bayer-Führung um den 2023 abgelösten Vorstandschef verfolgte die Strategie, die Ausschüttungen trotz dieser Entwicklung hochzuhalten, um den Aktionären Verlässlichkeit zu demonstrieren und den Aktienkurs nicht ins Bodenlose fallen zu lassen. Gemessen am jeweils aktuellen Aktienkurs bot Bayer in diesen Jahren stattliche Dividenden-Renditen. Für viele Anleger steht im Rahmen einer sogenannten Dividenden-Strategie eine solche verlässliche Ausschüttung im Fokus und weniger die Kursentwicklung einer Aktie.
"Beste kurzfristige Lösung"
Doch bei Bayer funktionierte diese Strategie auch aus Sicht der Aktionäre nicht mehr. Der Wertverlust der Anteile ließ sich offenkundig nicht mehr aufhalten. Derzeit ist das Gesamtunternehmen an der Börse nicht einmal mehr die Hälfte dessen Wert, was Bayer einst für die Übernahme von Monsanto bezahlte. Um das Ruder herumzureißen, will Baumanns Nachfolger Anderson die Milliarden, die bislang jährlich an die Aktionäre flossen, in den Schuldenabbau stecken. Komplett streichen kann ein Konzern die Dividende nach deutschem Recht nicht so einfach. Wenn eine Aktiengesellschaft Gewinn macht, steht den Anteilseignern ein Mindestanspruch in Höhe von vier Prozent des Grundkapitals zu. Daraus ergibt sich im Fall von Bayer eine Mindestdividende von elf Cent. Das will Bayer auch dieses und die kommenden beiden Jahre zahlen, aber keinen Cent mehr.
Nach Einschätzung von Analyst Martin Schnee von der Baader Bank ist die Kürzung der Dividende zwar die "beste kurzfristige Lösung" für Bayer. Damit zahlten die Aktionäre aber - zusätzlich zu dem niedrigen Aktienkurs - den Preis für schlechte Management-Entscheidungen. Ob ihm nach Jahren des Niedergangs eine Trendwende gelingt, muss Konzernchef Anderson jedoch erst unter Beweis stellen, etwa indem er bald eine umfassende strategische Neuausrichtung für Bayer präsentiert.
Anderson will auf dem Kapitalmarkttag von Bayer am 5. März seine Pläne zur Zukunft von Bayer vorstellen. Anleger erwarten von ihm eine grundlegende Überprüfung der Strukturen - die Forderungen reichen bis zu einer kompletten Aufspaltung des Konzerns, zu dem noch das Pharma- und das Agrargeschäft gehören. Insidern zufolge will Anderson zunächst aber weniger radikale Maßnahmen ergreifen, etwa die Einführung des neuen Betriebsmodells, mit dem er Hierarchien abbauen, Strukturen verschlanken und Entscheidungen beschleunigen will.
Quelle: ntv.de, mbo/rts