Wirtschaft

Sparkurs trotz Milliardengewinn Bei VW "wird ein Stück weit übertrieben"

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Das Wolfsburger Markenkonglomerat sei kaum noch beherrschbar, sagt Autoexperte Schwope.

Das Wolfsburger Markenkonglomerat sei kaum noch beherrschbar, sagt Autoexperte Schwope.

(Foto: picture alliance/dpa)

Volkswagen kündigt für seine Kernmarke eine seit Jahrzehnten geltende Jobgarantie auf. Erstmals stehen sogar Werksschließungen in Deutschland zur Diskussion. Dabei steckt der Konzern keineswegs in einer akuten Krise, sagt Branchenkenner Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover. Sowohl bei Unternehmensleitung als auch bei Arbeitnehmervertretern erkennt er viel "Verhandlungsfolklore".

ntv.de: Sparprogramme inklusive Standortschließungen sind für die meisten großen Konzerne nichts Ungewöhnliches, ganz anders bei VW. Wie ist die gestrige Ankündigung einzuordnen?

Frank Schwope ist langjähriger Kenner der deutschen Automobilbranche und Lehrbeauftragter unter anderem an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover.

Frank Schwope ist langjähriger Kenner der deutschen Automobilbranche und Lehrbeauftragter unter anderem an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover.

(Foto: Frank Schwope)

Frank Schwope: Einen möglicherweise so großen Stellenabbau hat es bei Volkswagen seit Jahrzehnten nicht gegeben. Dabei wird das ganze aber auch ein Stück weit übertrieben. Immerhin hat der Konzern in den letzten Jahren satte Gewinne eingefahren und auch dieses Jahr dürften deutliche Milliardengewinne übrig bleiben. Die mögliche Aufkündigung der Beschäftigungssicherung beziehungsweise die Schließung von Werken sind sehr sensible Themen.

Öffentlichkeit und Mitarbeiter wurden von der Ankündigung dieser drastischen Überlegungen überrascht. Gab es keine Anzeichen, dass etwas von dieser Tragweite kommen würde?

Die Tragweite hat sich in den letzten Monaten respektive Jahren aufgebaut. Ein ernsthafter Stellenabbau wurde jahrelang verschleppt. Im Gegenteil: Der Konzern ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Wenn man sich dann auch noch überlegt, dass der ehemalige Vorstandschef Herbert Diess sogar noch ein neues Werk in Wolfsburg bauen wollte, dann ist man schon perplex.

Die Maßnahmen, die die Konzernleitung jetzt ankündigt, beziehungsweise sich offen hält, klingen dramatisch. Geht es VW wirklich so schlecht?

Der Konzern ist nicht in einer dramatischen Krise, schließlich hat er im letzten Jahr operativ 22,6 Milliarden Euro verdient. Auch am Ende dieses Jahres werden Milliarden übrig bleiben. Allerdings ist es immer angenehmer, in guten Jahren zu sparen als in schlechten. Diese vermeintliche Dramatik gehört zur Verhandlungsfolklore zwischen Vorstand und Betriebsrat dazu.

Spart die Konzernleitung nur gegen die Probleme an oder gibt es auch einen langfristigen Plan, die Zukunft aktiv zu gestalten?

Die nächsten Jahre werden Sparmaßnahmen alle Konzerne in der Automobilindustrie begleiten, wobei die Automobilhersteller noch besser aufgestellt sind als die Zulieferer. Die Autoindustrie ist natürlich von politischen Entscheidungen auch sehr abhängig, wie zum Beispiel bezüglich der Elektromobilität, und muss sich Änderungen beziehungsweise Marktgegebenheiten stets anpassen. Insofern können Pläne sehr schnell Makulatur werden.

Der Betriebsrat hat die Ankündigung des Vorstands als Kampfansage aufgenommen. Steht VW jetzt ein offener Machtkampf bevor?

Diese verbalen Äußerungen gehören zur Verhandlungsfolklore dazu und sollten nicht überbewertet werden. Immerhin schreibt der Volkswagen-Konzern noch schwarze Zahlen.

Ist der riesige Konzern mit seiner komplexen Struktur überhaupt noch reformierbar?

Dieses Markenkonglomerat ist in der Tat nur noch schwer zu beherrschen. Insbesondere die Lkw-Sparte Traton oder die Marke Ducati braucht der Konzern nicht. Ein Verkauf würde Geld in die Kasse bringen und der Vorstand wäre diesbezüglich entlastet.

Mit Frank Schwope sprach Max Borowski

Quelle: ntv.de

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