55 Milliarden Stunden Beschäftigte arbeiten mehr als je zuvor
17.04.2024, 13:18 Uhr Artikel anhören
Vor allem die gestiegene Erwerbstätigkeit von Frauen trägt zu dem Anstieg des Gesamtarbeitsvolumens bei.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung arbeiten die Deutschen im Jahr 2023 mehr als je zuvor. Das liegt demnach an dem Anstieg von Frauen unter den Erwerbstätigen. Oft sind gerade sie von Doppelbelastungen betroffen. Dafür schlägt die Studie Lösungen vor.
Trotz der Konjunkturflaute wird in Deutschland einer Studie zufolge so viel gearbeitet wie noch nie. Die abhängig Beschäftigten kamen im vergangenen Jahr auf insgesamt rund 55 Milliarden Stunden, wie aus einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht. Das sei der höchste Wert seit der Wiedervereinigung.
1991 seien es noch 52 Milliarden Stunden gewesen, auf dem Tiefpunkt 2005 sogar nur 47 Milliarden Stunden. Gleichzeitig sinke aber die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Beschäftigten kontinuierlich. "Das Gesamtarbeitsvolumen dieser Gruppe ist vor allem gestiegen, weil immer mehr Frauen erwerbstätig sind", sagte Studienautor Mattis Beckmannshagen. "Allerdings ist fast die Hälfte der Frauen in Deutschland teilzeitbeschäftigt, obwohl einige gern mehr arbeiten würden. Ihr Potenzial für den Arbeitsmarkt bleibt also teilweise ungenutzt." Das führe zu einer im europäischen Vergleich relativ geringen durchschnittlichen Arbeitszeit aller Beschäftigten von 34,7 Wochenstunden, während sie etwa in Spanien bei 37,6 liege.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland ist den Angaben zufolge zwischen 1991 und 2022 um 16 Punkte auf 73 Prozent gestiegen. Darin spiegele sich der gesellschaftliche Wandel vom Einverdiener- zum Zweiverdienerhaushalt wider. Allerdings würden Frauen immer noch deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit aufwenden als Männer. Bei der Erwerbsarbeit ist es indessen nach wie vor umgekehrt: Frauen arbeiten durchschnittlich etwa 33 Stunden, Männer hingegen 40 Stunden.
Reform der Lohnsteuerklassen gefordert
Zwar sei die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Männern seit 2011 leicht rückläufig. Bei der Sorge- und Hausarbeit holten sie aber nur langsam auf. Setze sich der aktuelle Trend fort, werde es insbesondere bei der Kinderbetreuung noch Jahrzehnte dauern, bis Männer und Frauen gleich viel Zeit dafür aufwenden.
Die realisierten Arbeitszeiten entsprechen nicht zwangsläufig den Wünschen der Beschäftigten: Der Anteil von Frauen, die ihre Arbeitszeit aufstocken wollen, ist der Studie zufolge höher als bei Männern. "Um dem Fachkräftebedarf zu begegnen, sollten das Arbeitsmarktpotenzial von Frauen besser genutzt und Fehlanreize behoben werden", sagte Studienautorin Annika Sperling.
Reformen der Lohnsteuerklassen und des Ehegattensplittings könnten dazu beitragen, dass es sich für Frauen als Zweitverdiener mehr lohne, ihre Arbeitszeit über die Minijob-Grenze hinaus auszuweiten. Dazu bedürfe es aber auch einer gerechteren Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern bei Kinderbetreuung und Haushalt. Die Politik könne diese Entwicklung mit zusätzlichen Kita-Plätzen und Elternzeitregelungen für Väter unterstützen.
Zahlen aller Erwerbstätigen spiegeln anderen Trend wider
Das DIW hat für die Studie unter anderem Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Das ist eine repräsentative Befragung von Privathaushalten in Deutschland und zudem die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie der Bundesrepublik.
Nicht in die Studie miteingeflossen sind die Zahlen der unabhängig beschäftigten Personen in Deutschland, insbesondere der selbstständig Beschäftigten. Dazu gibt jedoch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Aufschluss: Dem Jahresbericht 2023 zufolge lag das Gesamtarbeitsvolumen aller Erwerbstätigen in Deutschland bei 61,66 Milliarden Stunden. Im Vergleich zum Jahr vor der Pandemie sei dieser Wert allerdings um 0,8 Prozent niedriger. Es seien also mehr Erwerbstätige dazugekommen, pro Person werde aber nicht mehr so viel gearbeitet wie zuvor.
Quelle: ntv.de, mes/rts