
Donald Trump nennt Chinas Präsident Xi einen Währungsmanipulator. Die Wirklichkeit ist komplizierter.
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Für Donald Trump ist die Sache klar: China manipuliert den Wechselkurs des Renminbi, um seiner Wirtschaft mit billigen Exporten unfaire Wettbewerbsvorteile im Handel zu verschaffen. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Der US-Präsident hat sich festgelegt: "China hat schon immer Währungsmanipulation eingesetzt, um unsere Firmen und Fabriken zu stehlen, unsere Arbeitsplätze zu schädigen, die Löhne unserer Arbeiter zu drücken und den Preisen unserer Landwirte zu schaden", twitterte Donald Trump am Montag. Seine Tirade war die Social-Media-Begleitmusik für die jüngste Attacke der US-Regierung auf die Volksrepublik: Am gleichen Tag erklärte das US-Finanzministerium Peking zum Währungsmanipulator, weil China den Renminbi deutlich abgewertet und zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren kurzzeitig die psychologisch wichtige Schallmauer von sieben Renminbi pro Dollar durchbrechen ließ.
Renminbi ist der offizielle Name der chinesischen Währung. Es ist das chinesische Wort für "Volksgeld" und betrifft die Währung als Ganzes. Das Wort "Yuan" ist offiziell nur der Begriff für die Maßeinheit des Geldes - wie Euro oder Cent. In Yuan werden Preise gemessen, das Wort Yuan steht auch auf Geldscheinen. Der Einfachheit halber hat es sich aber in anderen Ländern eingebürgert, immer von "Yuan" zu sprechen.
Peking und Washington erweitern damit das Schlachtfeld: Chinas Präsident Xi Jinping demonstriert mit seinem Wechselkurs-Warnschuss die Bereitschaft, im Handelskrieg zwischen beiden Ländern notfalls auch seine Währung zur Waffe zu machen. Die Trump-Administration prangert China dafür als großen Räuber der Weltwirtschaft an, der seinen Firmen durch die gezielte Abwertung des Yuan unfaire Wettbewerbsvorteile verschafft. Denn je günstiger Chinas Währung ist, desto billiger sind die Produkte der Volksrepublik auf dem Weltmarkt. Zugleich werden ausländische Importe teurer. Doch die Wirklichkeit ist mal wieder komplizierter, als Trump sie haben will.
Wechselkurskontrolle aus dem Politbüro
Auf den ersten Blick stimmt sein Vorwurf: Chinas Zentralbank steuert mit massiven Devisenmarktinterventionen den Wechselkurs des Renminbi schon seit mehr als zwei Jahrzehnten in die vom Politbüro gewünschte Richtung. Schon US-Präsident Bill Clinton hat 1994 den Vorwurf der Währungsmanipulation gegen China erhoben. Denn damals wertete Peking den Yuan über Nacht um mehr als ein Drittel ab (siehe Grafik) und fixierte den Wechselkurs danach zehn Jahre lang künstlich bei rund 8,28 Renminbi pro Dollar, um die Exporte des Landes billiger zu machen und die Wirtschaft des Landes anzukurbeln.
Selbst in der Asienkrise 1997, als die Wechselkurse von Südkorea bis Indonesien verrückt spielten, verteidigte die chinesische Zentralbank erfolgreich den angepeilten Kurs. Erst 2005 erlaubten die Währungshüter dem Yuan, deutlich aufzuwerten: Das Land musste nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO versprechen, sein Währungsregime aufzuweichen. Ab 2008 schraubte Peking den Yuan dann wieder für zwei Jahre bei rund 6,83 Renminbi pro Dollar fest, um die globale Finanzkrise zu überstehen.
Seitdem setzt die chinesische Zentralbank dem Yuan zwar immer noch einen engen Rahmen: Sie greift ein, sobald er mehr als zwei Prozent um den offiziellen Wechselkurs herum schwankt, den sie täglich festlegt. Schon seit 2010 geben die Notenbanker Chinas Währung aber deutlich mehr Bewegungsspielraum, wie das heftige Auf und Ab des Renminbi zeigt. Und sie achten darauf, dass das "Volksgeld" nicht über die Marke von 7 Renminbi je Dollar hinaus abwertet - jedenfalls bis zu diesem Montag.
Zwischen Management und Manipulation
China war also in der Vergangenheit ganz sicher ein Währungsmanipulator, ist es aber heute nicht mehr unbedingt. Ironischerweise hatte Peking mit seinen Wechselkurstricks längst aufgehört, als Trump das Weiße Haus eroberte. Und die Abwertung des Yuan am Montag hat der US-Präsident selbst ausgelöst: Investoren flüchteten nach seiner Drohung, bald neue Zölle auf weitere Importe aus China in Höhe von 300 Milliarden Dollar zu erheben, aus dem Renminbi und trieben ihn so über die Marke von 7 zum Dollar. Chinas Notenbanker griffen nur - anders als bisher - nicht sofort ein, weil sie Trump die Folterwerkzeuge zeigen wollten.
Zudem ist das chinesische Politbüro längst nicht die einzige Regierung der Welt, die versucht, Wechselkurse in eine gewünschte Richtung zu lenken: Alle Länder der Welt tun das, nur mehr oder weniger offen und mit verschiedenen Methoden. Trump selbst bedrängt seit Monaten fast täglich die Fed auf Twitter, endlich die Zinsen zu senken, um den Dollar zu schwächen. Der einzige Unterschied: Als Präsident in einer Demokratie kann er den gewünschten Kurs nicht einfach befehlen. Chinas Alleinherrscher Xi Jinping dagegen kann es.
Auch die Schweizer Notenbank kämpft seit Jahren gegen die Aufwertung des Franken, den Investoren in der Euro-Krise als sicheren Hafen ansteuern. Ihr erklärtes Ziel ist es, mit milliardenschweren Devisenkäufen die eigene Währung zu schwächen. Trotzdem käme niemand auf die Idee, den Schweizern Währungsmanipulation vorzuwerfen - weil ihre Markteingriffe als legitime Ausnahmen in einer Notsituation gesehen werden. Und weil die Eidgenossen nicht annähernd so wichtig für die Weltwirtschaft sind wie die Chinesen.
Leitplanken der Weltwirtschaft
Von Washington bis Peking wünschen sich Politiker stabile Währungen, die nicht unvorhersehbar schwanken. Sie sind die Voraussetzung für dauerhaftes Wachstum. Denn ein fester - oder zumindest nicht zu volatiler - Wechselkurs macht Handel erst planbar. Er garantiert, dass Importeure nicht plötzlich das Doppelte für die Waren bezahlen müssen, die sie im Ausland einkaufen. Oder Exportunternehmen nicht plötzlich nur noch die Hälfte verdienen, wenn die Kurse einbrechen.
Nicht nur China, auch Indonesien, Vietnam und andere aufstrebende Schwellenländer managen deshalb ihren Wechselkurs mit Eingriffen der Zentralbank oder fixieren ihn um ein gewisses Niveau herum. Rund die Hälfte aller Länder weltweit stabilisiert laut Internationalem Währungsfonds (IWF) mit Deviseninterventionen ihre Währung. Ihnen bleibt auch kaum eine Wahl: Als vergleichsweise kleine Länder, deren Wirtschaft noch nicht voll entwickelt ist, würden sie sonst schnell zum Spielball von Spekulanten werden.
Nur 31 Staaten überlassen ihren Wechselkurs völlig dem freien Markt. Sie sind fast ausschließlich etablierte, große Industrieländer wie die USA oder die EU, die offenes Wechselkursmanagement einfach nur nicht mehr nötig haben. Sie haben über jahrzehntelanges, stabiles Wirtschaften das Vertrauen der Investoren gewonnen. Und sie haben das Kursrisiko für den Handel auf andere Art ausgeschaltet.
Die USA halten Spekulanten mit schierer Marktmacht im Zaum: Um die Leitwährung Dollar aus den Angeln zu heben, sind gigantische Finanzströme nötig, die ein einzelner Investor oder eine einzelne Regierung kaum mobilisieren kann. Und die EU-Länder haben sich untereinander ganz offiziell einen festen Wechselkurs gegeben. Er heißt Euro.
Die Frage ist also, wo Wechselkurs-Management aufhört und Manipulation beginnt. Und was genau ein fairer Wechselkurs ist: Als China ab Mitte der 90er Jahre den Yuan für ein Jahrzehnt festnagelte, war es noch ein Entwicklungsland. Heute ist es die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, die Markteingriffe kaum noch nötig hat. Dass Trump China nun als Währungsmanipulator brandmarkt, ist daher gleichermaßen zutreffend wie auch eine politisch motivierte Retourkutsche. Auch unter Trump hat das US-Finanzministerium China in seinen Berichten schließlich wiederholt von dem Vorwurf freigesprochen. Doch nun, wo die USA im Handelskrieg zum Angriff blasen, kommt er gerade recht.
Quelle: ntv.de