Lieber Harris oder Trump? China rüstet sich für neuen Wirtschaftskrieg


Nach den US-Wahlen dürfte es in Shanghais Finanzviertel turbulent werden.
(Foto: REUTERS)
Egal, wer im November den Kampf ums Weiße Haus gewinnt: Für Peking ist es die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Einen neuen Handelskrieg mit den USA wird es so oder so geben - mit verheerendem Schaden für die Weltwirtschaft.
Als Donald Trump noch im Weißen Haus saß, stand der Handelsstreit mit China täglich auf der Agenda. Wie kein Präsident vor ihm nahm Trump Chinas Exportsubventionen, Ideen- und Patentklau und Billigexporte ins Visier. Er verhängte Strafzölle von bis zu 25 Prozent auf chinesische Importe. China übte Vergeltung und belegte US-Agrarprodukte mit drakonischen Einfuhrsteuern. Das jahrelange wirtschaftspolitische Armdrücken, das das globale Wachstum abwürgte und die Börsen zittern ließ, endete mit Gipfeltreffen und einem Patt.
Sollte Trump im November wiedergewählt werden, dürfte all das mit voller Wucht zurückkommen. Und nicht nur dann: Auch wenn Kamala Harris das Rennen macht, ist ein neuer Handelskrieg mit China so gut wie unvermeidbar. Denn sowohl Harris als auch Trump sind darauf aus, neue Zollmauern errichten. Die Frage ist nur, wie hoch und wie löchrig sie werden.
Auch wenn Trump und Harris als Kandidaten kaum unterschiedlicher sein können, und bei Abtreibung, Steuern und Einwanderung völlig gegensätzliche Ansichten haben: in der China-Politik geht es allenfalls um Nuancen. Nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus haben die Demokraten zwar so gut wie alle Entscheidungen aus der Trump-Ära so weit wie möglich zurückgedreht. Doch abgesehen von den Zöllen auf Waschmaschinen, die 2023 ausliefen, und leichten Anpassungen bei den Importen von Stahl, Aluminium und PV-Modulen ließen sie die Eckpfeiler seiner Zollpolitik stehen - vor allem gegenüber China.
Die Biden-Regierung hat die Zollschranken nur feinjustiert: Im Mai hat sie zusätzliche Zölle in Höhe von 18 Milliarden Dollar auf chinesische Produkte vorgeschlagen, darunter eine Steuer von 100 Prozente auf E-Autos. Kamala Harris dürfte diese Politik fortsetzen. Sie prangert die Zollpläne ihres Gegners zwar als "Trump-Steuer" an, die die Kosten für die US-Durchschnittsfamilie um bis zu 4000 Dollar jährlich erhöhen werde. Doch selbst strebt sie laut einem Sprecher "zielgenaue und strategische Zölle an um amerikanische Arbeiter zu unterstützen, unsere Wirtschaft zu stärken und unsere Gegner zur Verantwortung zu ziehen."
"Zwei Schüsseln Gift" für China
Trumps Pläne sind zwar noch um einige Größenordnungen radikaler: Er plant einen Basiszoll von 10 Prozent auf alle Importe und 60 Prozent auf Einfuhren aus China. Doch sowohl unter Trump als auch unter Harris läuft es auf einen neuen Schlagabtausch mit Peking hinaus. "In Wirtschafts- und Handelsfragen bewegen sich beide Parteien in die gleiche Richtung", zitiert die "New York Times" den Vertreter eines protektionistischen Lobby-Verbands. Wer auch immer gewinnt: "Es wird eine Regierung der Zölle sein, und der Industriepolitik".
Entsprechend düster sind die Planspiele in Peking. "Trump und Kamala Harris sind zwei Schüsseln Gift für Peking", zitiert die "Financial Times" Zhao Minghao, einen führenden Professor für Internationale Politik in der Volksrepublik. "Beide betrachten China als Wettbewerber oder sogar Gegner."
Für zusätzliche Verunsicherung sorgt, dass Harris außenpolitisch noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ist. Weder als Senatorin noch als Vizepräsidentin hat sie China bislang besucht, Chinas Präsidenten Xi Jinping 2022 bisher nur am Rande eines Thailand-Besuchs getroffen.
Allerdings hat Chinas Staatsführung dennoch mehr Angst vor einer zweiten Trump-Regierung als vor einem Amtsantritt von Kamala Harris. Denn die Demokraten unter Biden - und vermutlich auch unter Harris - wollen den Konflikt mit Peking nicht grenzenlos eskalieren, sondern behutsam managen. Sie wollen zwar ein De-Risking von China, also die Verringerung strategischer Abhängigkeit von der Volksrepublik. Betonen aber, dass diese Vorstöße nur aufgrund "klar artikulierter und eng begrenzter nationaler Sicherheitsinteressen" erfolgen und sich auf "einige wenige Sektoren" beschränken sollen, wie es US-Finanzministerin Janet Yellen bei ihrem Besuch in China im vergangenen Jahr sagte.
Trump dagegen, so fürchtet Chinas Führungselite, wäre nach seiner Wiederwahl darauf aus, China zu zerstören. Statt begrenztem Wettbewerb würde er den vollständigen "Sieg" in einem neuen Kalten Krieg gegen das Reich der Mitte anstreben, der letztlich in einem Regimewechsel in Peking münden soll, sagt Politik-Professor Zhao der britischen Zeitung. Für Xi Jinping und die Kommunistische Partei wäre dies ein existenzbedrohender Ausblick. Auch wenn es unter Harris für China ungemütlich werden dürfte. Chinesische Außenpolitik-Experten formulierten es kürzlich in "Foreign Affairs" so: "Peking bereitet sich auf den Ausgang der US-Wahl mit großer Vorsicht und begrenzter Hoffnung vor".
Quelle: ntv.de