Wirtschaft

Mehr Schein als Sein? "Davos ist ein Jahrmarkt der Eitelkeiten"

Für Davos haben sich knapp 2700 Politiker, Wirtschaftschefs und Vertreter der Zivilgesellschaft angekündigt.

Für Davos haben sich knapp 2700 Politiker, Wirtschaftschefs und Vertreter der Zivilgesellschaft angekündigt.

(Foto: picture alliance/KEYSTONE)

Im Schweizer Bergdorf Davos laufen die Vorbereitungen für das 53. Weltwirtschaftsforum. Hilft der Gipfel, die zentralen Probleme unserer Zeit zu lösen? Der deutsch-schweizerische Wirtschaftsexperte Will verneint. Er fordert mehr "Kante" ein.

Hoch in den Schweizer Alpen macht sich Davos bereit für den Ansturm: Läden werden zu Firmenrepräsentanzen, Hotels sind ausgebucht, denn am Montag startet in dem Kurort das 53. World Economic Forum. Knapp 2700 Politiker, Wirtschaftschefs und Vertreter der Zivilgesellschaft haben sich angekündigt. Der deutsch-schweizerische Wirtschaftsexperte Markus Will wird auch dieses Jahr nicht dabei sein. Denn für ihn ist das Treffen ein "Jahrmarkt der Eitelkeiten".

Für viele Teilnehmer zähle es zum guten Ton, nach Davos zu reisen, ist Will überzeugt. Lösungen für die großen geo- und wirtschaftspolitischen Probleme würden aber nicht entwickelt, "auch wenn da ganz viele wichtige Leute sitzen", bemängelt er im Podcast "Wirtschaft Welt & Weit". Für ihn muss das Weltwirtschaftsforum viel diverser und kontroverser werden. Es reiche nicht aus, einzelne Aktivisten einzuladen. Den chinesischen Staatschef Xi Jinping aber würde er sehr gerne mal mit einem der Corona-Aufdecker diskutieren sehen.

Erwin Bollinger, Botschafter im schweizerischen Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, hat einen anderen Blick auf das Weltwirtschaftsforum. "Davos kann natürlich nicht die Probleme der Welt alleine lösen", sagt er. Die Veranstaltung sei privat organisiert und habe keinerlei Entscheidungsbefugnis. Daher begrüßt er den Austausch und ist froh, wenn in Davos Ideen lanciert werden, die vielleicht nicht unmittelbar, sondern erst später zu einem Ergebnis führen.

Bilaterales am Rande

Das gilt im Großen wie im Kleinen: Denn Davos ist nicht nur eine Bühne für Staats- und Unternehmenschefs, sondern bietet am Rande auch Raum für bilaterale Verhandlungen. So rechnet Bollinger, der im SECO für bilaterale Handelsbeziehungen zuständig ist, mit Gesprächen zwischen Schweizer Bundesräten und deutschen Politikern. Beide Länder sind starke Handelspartner und stehen in engen Wirtschaftsbeziehungen zueinander.

Im Jahr 2021 haben deutsche Unternehmen Waren im Wert von über 60 Milliarden Euro in die Schweiz exportiert. Die Importe in diesem Zeitraum lagen bei rund 50 Milliarden Euro. Oft sind es die gleichen Warengruppen, mit denen die Nachbarn handeln. Bei Deutschland stechen Autos hervor, bei der Schweiz Luxusuhren und Präzisionswerkzeuge, die zum Beispiel in der Autoindustrie benötigt werden. Stark ist auch die Pharmaindustrie der Schweiz.

Zusammenarbeit einer zersplitterten Welt

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63.000 Menschen überqueren auf dem Weg zur Arbeit die deutsch-schweizerische Grenze, weiß Bollinger. Dazu kommen 313.000 Deutsche, die sich in der Schweiz niedergelassen haben. Dazu zählt auch Markus Will, der seit 2011 zusätzlich die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen hat. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg sei ein "perfektes Beispiel für wirtschaftliche Handelsintegration", die dank fehlender Sprachbarrieren und kultureller Nähe weit darüber hinaus gehe.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz ist nur eine positive Randnotiz, denn in Davos richtet sich der Fokus auf "Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt". Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen gegen Russland haben die Energiekrise verschärft, die wiederum läuft den Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels entgegen. Und es gilt, eine globale Rezession zu vermeiden. Die Ausgangslage 2023 ist also schwierig. Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forums, brachte es kürzlich so auf den Punkt: "Es ist nicht verwunderlich, dass wir alle in einer Krisenmentalität feststecken."

Wirtschaft Welt & Weit

Was muss Deutschland tun, um in der Wirtschaftswelt von morgen noch eine wichtige Rolle zu spielen? Von wem sind wir abhängig? Welche Länder profitieren von der neuen Weltlage? Das diskutiert Andrea Sellmann im ntv-Podcast "Wirtschaft Welt & Weit" mit relevanten Expertinnen und Experten.

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Quelle: ntv.de

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