Wirtschaft

Zulieferer zwischen den Fronten Der Hastor-Clan greift Volkswagen an

Die Grammer-Mitarbeiter befürchten Opfer im Streit zwischen der Hastor-Familie und VW zu werden.

Die Grammer-Mitarbeiter befürchten Opfer im Streit zwischen der Hastor-Familie und VW zu werden.

(Foto: picture alliance / Armin Weigel/)

Mitarbeiter und Management von Grammer wollen verhindern, dass der bosnische Hastor-Clan die Macht beim Autozulieferer ergreift. Denn die Hastors stellen mit rabiaten Methoden die Hackordnung der deutschen Autoindustrie infrage.

"Hastorenschreck treibt Grammers Kunden weg!" stand auf den Transparenten, die mehr als 1000 Mitarbeiter Ende April bei einem Protesttag in den Grammer-Werken bei Amberg schwenkten. Und: "Hast du Hastor erst im Haus, gehen bald die Lichter aus!" Am Werkstor des Zulieferers Grammer im bayrischen Kümmersbruck verläuft zurzeit die Front in einem Krieg, der die deutsche Autoindustrie seit Monaten in Atem hält.

Die bosnische Investorenfamilie Hastor hält inzwischen über 20 Prozent der Aktien von Grammer. Der Clan hat seine Anteile Stück für Stück ausgebaut. Inzwischen greift er offen nach der Macht bei einem der größten deutschen Autozulieferer. Die Hastors wollen das Management auswechseln und ihre Vertreter in den Aufsichtsrat schicken.

Eigentlich könnte es eine ganz normale Übernahme sein. Schließlich produziert die Prevent-Gruppe des Hastor-Imperiums neben Möbeln, Mode und Yachten hauptsächlich Sitzbezüge und Metallteile für die Autoindustrie. Für die Hastors macht es also Sinn, sich an Grammer zu beteiligen, einer bayrischen Firma mit über 12.000 Mitarbeitern, die ebenfalls Sitze, Kopfstützen und Innenausstattung an die Autobauer liefert.

Doch für die Grammer-Chefetage und -belegschaft ist Hastor kein normaler Investor. Die bosnische Unternehmerfamilie hat sich mit dem Autoriesen Volkswagen angelegt. Sie führt einen Guerilla-Krieg, in den Grammer nicht hineingezogen werden will. Mit rabiaten Methoden versuchen die Hastors, die Machtverhältnisse in der deutschen Autoindustrie auf den Kopf zu stellen. Dort diktieren bisher die großen Player VW, Daimler und BMW die Preise. Und die Zulieferer müssen spuren.

Offener Kampf mit Volkswagen

Auch die Hastors arbeiteten jahrelang vertrauensvoll mit VW zusammen. Doch im Sommer rebellierte der Familienclan, nachdem VW die Verträge gekündigt hatte. Firmen der Prevent-Gruppe aus dem Hastor-Imperium lieferten nicht mehr. In Wolfsburg und Emden standen tagelang die Bänder still, Zehntausende Mitarbeiter gingen in Kurzarbeit oder Zwangsurlaub. Es war das erste Mal, dass ein Zulieferer offen die Macht des größten deutschen Autokonzerns herausforderte.

"Nach meiner Einschätzung sind die Namen Hastor und Prevent in großen Teilen der Autoindustrie verbrannt", sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer n-tv.de. Der Familienclan sei durch "sehr ungewöhnliche Methoden" aufgefallen. Nun wolle Hastor über Grammer mehr Einfluss gewinnen, um einen größeren Hebel anzusetzen.

Als großer VW-Zulieferer könnte die bayrische Firma für die Hastors tatsächlich ein wichtiges Druckmittel im Kampf mit Wolfsburg sein. Doch seit dem teuren Lieferstreik im Sommer machen die großen Autokonzerne einen weiten Bogen um das Hastor-Imperium: "So etwas will man kein zweites Mal haben", sagt Dudenhöffer.

Grammer will kein Kollateralschaden sein

Grammer will sich deshalb in den Kampf zwischen VW und den Hastors auf keinen Fall hineinziehen lassen. Zu groß ist die Furcht vor der Rache der Autoriesen. Die hätten angesichts der wachsenden Beteiligung von Hastor bei Grammer gedroht, Aufträge zu streichen, teilte die bayrische Firma mit: "Dies würde eine substantielle Gefährdung der Auftragslage und damit der Zukunft des Unternehmens zur Folge haben", schreibt Grammer in einer Pressemitteilung.

Auch die Beschäftigten von Grammer haben Angst, dass der Machtkampf auf ihrem Rücken ausgetragen wird. "Erfahrungen mit der Hastor-Familie zeigen, dass sie lediglich eine kurzfristige Gewinnoptimierung im Blick hat. Dadurch droht ein großer Schaden für die Kundenbeziehungen. Die IG Metall nimmt nicht hin, dass dadurch Arbeitsplätze gefährdet werden", sagt Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall Bayern.

Abgesehen vom strapazierten Verhältnis zu Volkswagen sorgt auch die Informationspolitik der Hastor-Familie für Misstrauen. Über ihre genauen Pläne für Grammer schweigt sie. Ihre Absicht, die Grammer-Chefs auszuwechseln, begründet sie damit, den Unternehmenswert steigern zu wollen. Eine Änderung der Finanzierungsstruktur oder höhere Gewinnausschüttungen strebe sie nicht an, heißt es in einer Pflichtmitteilung. Selbst die bayrische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner konnte den Hastor-Vertretern am Dienstag bei einem Krisentreffen nicht entlocken, was sie bei Grammer eigentlich vorhaben.

VW will eine Rebellion verhindern

Für VW ist der Angriff der Hastors durchaus gefährlich. Denn der Konzern muss dringend Kosten drücken, um wettbewerbsfähiger zu werden. "Wir bauen zwar hervorragende Autos, verdienen damit aber zu wenig Geld", hat VW-Markenchef Herbert Diess im Winter eingestanden. Mit einem radikalem Sanierungsplan will VW nun gegensteuern: 30.000 Mitarbeiter müssen gehen. Auf der Hauptversammlung konnte VW-Chef Matthias Müller zwar gute Zahlen für das erste Quartal vorlegen, räumte aber ein, dass es womöglich weitere Konflikte mit dem Betriebsrat geben wird.

Neben Jobabbau ist eine weitere Sanierungsstrategie in der Autobranche, Kostendruck an Zulieferer wie Grammer weiterzugeben: "Wenn Sie bei 70 Prozent ihrer Produktionskosten vom Zulieferer abhängen, können Sie sich dort keine hohen Kosten erlauben", sagt Auto-Experte Dudenhöffer. Auch VW ist jahrelang gut damit gefahren, Probleme auf seine Lieferanten abzuwälzen. Sollten außer den Hastors noch weitere Produktionspartner aufmucken, hätten die Wolfsburger ein Problem.

Aber längst nicht alle VW-Zulieferer sind in Stimmung für eine Revolution. Viele machen trotz der Übermacht der Autoriesen ordentliche Gewinne. Bei Bosch und Continental bleibt unterm Strich sogar deutlich mehr vom Umsatz hängen als bei VW. Ob eine größere Revolte ausbricht, ist also auch eine Typfrage.

"Die Frage ist, wie die Regeln im Spiel sind und ob man sich an diese Regeln hält. Auch Boxen ist hart, aber es gibt klare Regeln und jeder, der boxt, kommt damit klar, sonst würde er nicht in Wettkämpfe gehen", sagt Dudenhöfer. Die Hastors wollen bei ihrem Machtkampf mit VW offenbar über zwölf Runden gehen. Spätestens am 24. Mai klärt sich, wer den längeren Atem hat. Dann entscheiden die Grammer-Aktionäre, ob sie dem Antrag der Hastors folgen und das bisherige Management abberufen.

Quelle: ntv.de

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