Wirtschaft

Debatte um "Familienunternehmer"Diese Unternehmen verlassen Lobbygruppe wegen AfD-Kurs

27.11.2025, 15:42 Uhr
Rossmann_Vorwerk
Die Lobbygruppe hat auch bereits einige ihrer Mitglieder verprellt.

Wie steht es um die Brandmauer in der deutschen Wirtschaft? Eine Annäherung des Verbands "Die Familienunternehmer" an die AfD zeigt: Nicht alle Mitglieder sind mit einem Schulterschluss der Partei einverstanden.

Mit der Entscheidung, sich für Gespräche mit der AfD zu öffnen, hat der Verband "Die Familienunternehmer" nicht nur eine Debatte darüber angestoßen, wie es um die Brandmauer in der deutschen Wirtschaft steht. Die Lobbygruppe hat auch bereits einige ihrer Mitglieder verprellt.

Die Interessensgemeinschaft hatte im Oktober zu einem Parlamentarischen Abend in einer Niederlassung der Deutschen Bank in Berlin erstmals auch Vertreter der AfD eingeladen. Präsidentin Marie-Christine Ostermann sagte dem "Handelsblatt", das "Kontaktverbot" zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei aufgehoben worden. Die Deutsche Bank hat für diese Veranstaltung Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, hatte aber laut einem Unternehmenssprecher keine Kenntnis von der Gästeliste und auch keinen Einfluss darauf. Aus Kreisen heißt es, man ist übereingekommen, die Räumlichkeiten künftig dem Verband nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Während einige Unternehmen daraufhin ihre Mitgliedschaft überprüfen wollen, haben andere bereits ihren Austritt bekannt gegeben. Eine Übersicht.

Unternehmen, die aus dem Verband ausgetreten sind:

  • Harald Christ

    Noch bevor die Debatte richtig hochgekocht ist, hat Unternehmer Christ bereits Konsequenzen gezogen: "Seit Längerem hörte ich von Verbandsmitgliedern, man solle sich der AfD stärker öffnen", sagte er dem Portal The Pioneer. "Das war für mich einer der Gründe, vor wenigen Wochen aus dem Verband 'Die Familienunternehmer' auszutreten."

  • Drogeriekette Rossmann

    Als erstes Unternehmen hat Rossmann zu der Entscheidung des Verbands Stellung bezogen. In einer Mitteilung heißt es: "Wir unterstützen die Haltung des Verbands 'Die Familienunternehmer' nicht und haben die Mitgliedschaft gekündigt". Darüber hinaus wollte sich das Unternehmen auf Nachfrage nicht äußern.

  • Hausgerätehersteller Vorwerk

    Das Unternehmen hat sich dazu entschlossen, seine bereits seit längerer Zeit ruhende Mitgliedschaft im Verband nicht wieder aufleben zu lassen und aus dem Verband auszutreten. Das Unternehmen hatte zuvor von dem Umgang des Verbands mit der AfD distanziert. "Für uns gilt unverändert: Die Positionierung von Unternehmen muss jederzeit klar auf demokratischen Grundwerten basieren", teilte der Hausgerätehersteller mit.

  • Limohersteller Fritz Kola

    Auf Nachfrage von ntv teilt das Unternehmen mit, es habe seine Mitgliedschaft in dem Verband beendet. "Die Entscheidung der Verbandsführung, die bisherige Distanz gegenüber der AfD aufzugeben, steht nicht im Einklang mit den Grundsätzen, die Fritz Kola als Unternehmen vertritt. Eine offene, demokratische Gesellschaft bildet für uns die Grundlage wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handelns", so das Unternehmen.

  • Werbeagentur TAS Emotional Marketing

    Auf Linkedin findet Unternehmer Thomas Siepmann noch deutlichere Worte: "Mit Rechtsextremismus führt man keine ‚normalen Gespräche‘. Nicht als Unternehmer. Nicht als Teil der Zivilgesellschaft. Nicht als Demokraten."

Unternehmen, die ihre Mitgliedschaft überprüfen:

  • Kaffeespezialist Melitta

    "Wir sind darüber sehr überrascht und lehnen den Beschluss ab", heißt es in der Mitteilung. Das Unternehmen habe über die veränderte Position aus den Medien erfahren. Grundsätzlich befürworte man den Dialog zwischen Politik und Wirtschaft. "Jedoch suchen wir ihn nicht mit Parteien, die auch nur in Teilen als extremistisch eingestuft werden." Die Melitta-Gruppe sei politisch neutral. "Wir haben unsere Haltung dem Verband mitgeteilt und halten uns offen, unsere Mitgliedschaft im Verband zu überdenken."

  • Schuhhändler Deichmann

    Ähnliches berichtet Deichmann auf Anfrage von ntv. Das Unternehmen sei selbst von der Meldung überrascht worden. Hätte man im Vorfeld davon gewusst, hätte Deichmann von einem solchen Vorgehen abgeraten. "Wir prüfen nun sorgfältig, ob wir aus dem Verband austreten werden – auch hierbei handeln wir besonnen und verantwortungsvoll", teilt ein Unternehmenssprecher mit. Der Schuhhändler stehe als international tätiges Unternehmen für Vielfalt, Respekt und Toleranz und lehne jede Form von Extremismus ab.

  • Bauunternehmen Gladbeck

    Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, Gladbeck wolle in den kommenden Tagen sorgfältig prüfen, ob eine Mitgliedschaft noch mit unseren Werten des Unternehmens vereinbar sei. "Die Werte, auf denen unser Handeln und unsere Entscheidungen beruhen, sind Menschlichkeit, Vertrauen, Verantwortung, Leistung und Pioniergeist", zitiert der RND einen Unternehmenssprecher. "Diese Werte sind unser Kompass – bei Entscheidungen und in der Zusammenarbeit mit anderen. Unser Ziel ist ein gutes Miteinander sowie ein verantwortungsvolles, wirtschaftliches und menschliches Handeln." Der Bielefelder Konzern gehört zu den größten deutschen Bauunternehmen. Nach eigenen Angaben ist er seit vielen Jahren Mitglied im Verband "Die Familienunternehmer".

Unternehmen, die Mitglied bleiben:

  • Drogeriekette dm

    Der Rossmann-Konkurrent sieht sich gerade in den sozialen Medien massiver Kritik ausgesetzt. Zuletzt ist vielen Kunden eine Äußerung von Geschäftsführer Christoph Werner in der "Süddeutschen Zeitung" vielen Kunden sauer aufgestoßen. Anfang der Woche hatte Werner dem Blatt gesagt, er halte es für statthaft, Parlamentarier aller im Bundestag vertretenen Parteien zu einem Parlamentarischen Abend einzuladen. "Statt permanent über andere Parteien zu sprechen, sollten sich die politischen Verantwortungsträger in der Tiefe mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger beschäftigen und Lösungen anbieten, die überzeugen und wirksam sind", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) Werner. Besonders auf Instagram sammeln sich seitdem viele entrüstete Kommentare, die dem Unternehmen eine fehlende Abgrenzung zur AfD. Werner machte daraufhin erneut deutlich, er halte eine "Diabolisierung für wenig hilfreich", denn sie banalisiere die Situation in Deutschland. Das Unternehmen werde sich weiterhin für eine differenziert über Inhalte geführte politische Auseinandersetzung einsetzen. "Auch wenn uns manche dafür kritisieren."

  • Kaffeerösterei Darboven

    Auf Anfrage von ntv will das Unternehmen Mitglied bleiben.

  • anonym

    Ein Mitglied, das sich gegenüber ntv nicht öffentlich äußern will, tritt nicht aus dem Verband aus, lehnt die politische Haltung der AfD und ihre Wirtschaftspolitik aber entschieden ab. Viele Mitglieder würden aktuell ihre Verbindung zum Verband verbergen, aus Angst vor Anfeindungen aus dem linken Spektrum.

Zur Einordnung: Mitglieder des Verbands können nur einzelne Personen sein. Um Mitglied zu werden, muss die Firma mehr als zehn Mitarbeiter haben und mindestens einen Umsatz von einer Million Euro machen. Die Interessengruppe hat eigenen Angaben zufolge 6500 Mitglieder.

Quelle: ntv.de, jki/jhi

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