Wirtschaft

Infinus-Manager erwarten Urteil Dieser Anlegerskandal bringt den Staat in Not

Die Anleger von Infinus fühlen sich doppelt und dreifach geprellt. Erst von den Ermittlern, dann von den Insolvenzverwaltern.

Die Anleger von Infinus fühlen sich doppelt und dreifach geprellt. Erst von den Ermittlern, dann von den Insolvenzverwaltern.

(Foto: picture alliance / dpa)

2013 stoppen Ermittler bei der Finanzgruppe Infinus angeblich eines der größten Schneeballsysteme Deutschlands. Am Montag wird das Urteil gegen die Ex-Manager verkündet. Den Anlegern hilft das nicht. Für sie gehört auch der Staat vor Gericht.

Als die Dresdner Staatsanwaltschaft 2013 Deutschlands größten Finanzdienstleister Infinus hoppnimmt, will sie ein Zeichen setzen. Die Razzia in der Geschäftsräumen in Dresden und an weiteren Standorten im In- und Ausland soll ein Triumph im Kampf für einen besseren Anlegerschutz werden. Fünf Jahre später gibt es an dieser Geschichte jedoch berechtigte Zweifel. Anders als geplant wird Infinus zu einem der strittigsten Wirtschaftskriminalfälle, die Deutschland je gesehen hat. Die Grenzen zwischen Finanzskandal und juristischem Übereifer verschwimmen.

Schon heute ist klar: Wenn die Richter am Montag ihr Urteil verkünden, wird der Fall noch lange nicht zu den Akten gelegt. Zum einen haben die Angeklagten bereits angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Zum anderen laufen noch Hunderte weitere zivilrechtliche Verfahren wegen Infinus an Gerichten in ganz Deutschland. Was bleibt, ist ein fahler Beigeschmack. Den doppelten und dreifachen Schaden, den die Anleger durch den Prozess erlitten haben, können auch die Richter nicht wiedergutmachen.

757 Seiten dick ist die Anklage der Staatsanwaltschaft. Fast 240 Zeugen wurden an über 160 Prozesstagen gehört, geplant waren 15 Tage. Geholfen hat es den Anlegern nicht. Anderthalb Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft vor Gericht nach handfesten Beweisen für den vermuteten Finanzskandal gesucht. Dabei geriet sie auf immer dünneres Eis. Am Ende wirft der Prozess ein Schlaglicht auf die Arbeit der Justiz und ihrer Ermittler. Er könnte für ihr Vorgehen in ganz Deutschland künftig Signalwirkung haben: Sollen sie erst dann eingreifen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wie beim Windparkbetreiber Prokon oder der Containerfirma P&R? Oder dürfen sie vorbeugend handeln?

Bis heute ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass ihr Einschreiten in Dresden größeren Schaden verhindert hat. Die Anleger kritisieren dagegen, dass die Justiz mit ihrem Übereifer den eigentlichen Schaden erst verursacht hat. Denn als die Handschellen klickten, war für sie die Welt noch in Ordnung. Bis die Ermittler anklopften, hatte Infinus alle Rechnungen und Zinsen stets pünktlich bezahlt. Aus Sicht der Sparer und Anleger wurde ein gesundes und funktionierendes Unternehmen zerschlagen. Statt vom Staat vor kriminellen Machenschaften geschützt, fühlen sie sich von ihm überrumpelt.

Provisionskarussell: Linke Tasche, rechte Tasche

Das Drama beginnt im November 2013, als die Staatsanwaltschaft einem mysteriösen anonymen Hinweis nachgeht, von dem bis heute nicht klar ist, wer ihn eigentlich gegeben hat. Bei einer großangelegten Razzia durchsuchen Ermittler die Infinus-Büros. Gleichzeitig sperren sie die Konten der Gruppe. Alle Vermögenswerte, die greifbar sind - Bilder, Uhren, Bargeld, Immobilien, Luxusautos - werden beschlagnahmt. Sechs Manager landen in Untersuchungshaft.

Die Infinus-Gruppe, bis dahin allem Anschein nach eine sächsische Erfolgsgeschichte, bricht krachend in sich zusammen. Zutage tritt ein schwer durchschaubares Finanzgeflecht. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Der Konzern betreibt ein umfangreiches Schneeballsystem. Dem Gründer der Infinus-Mutter Future Business KGaA (Fubus) Jörg Biehl und vier weiteren Managern werden gewerbsmäßiger Betrug im besonders schweren Fall sowie Kapitalanlagebetrug vorgeworfen. Einem weiteren Mitarbeiter wird Beihilfe zur Last gelegt.  

Die Gruppe - ein Verbund aus 22 Firmen - soll laut den Ermittlern ihre Bilanzen mit Luftgeschäften geschönt haben. Die Prosavus AG -  die als Emissionshaus ebenfalls zu den Fubus-Beteiligungen gehörte - kaufte mithilfe ihrer Vermittler Kapitalversicherungen von Menschen auf, die nach besseren Renditen hungerten. Und dies zu einem etwa zehn Prozent höheren Wert, als die jeweilige Versicherung besaß. Bedingung für diesen höheren Wert war, dass die Kunden das Geld in Genussrechte der Prosavus AG oder Orderschuldverschreibungen der Future Business KGaA investierten. Zuletzt summierte sich das Volumen aller Wertpapiere auf knapp eine Milliarde Euro. Prosavus verkaufte die Versicherungen weiter und machte sie so zu Geld für die Infinus-Gruppe.

Der ehemalige Sitz der Dresdner Finanzfirmengruppe Infinus. Die Villa wurde verkauft - zum Schleuderpreis, wie die IG Infinus motiert.

Der ehemalige Sitz der Dresdner Finanzfirmengruppe Infinus. Die Villa wurde verkauft - zum Schleuderpreis, wie die IG Infinus motiert.

(Foto: picture alliance / Sebastian Kah)

War es ein perfekter Geldkreislauf, der anscheinend mit dem Trick funktionierte, dass Fubus und Prosavus sich die erhaltenen Provisionen gegenseitig vor den Bilanzstichtagen überwiesen, wie Insider damals berichteten? Beiden Bilanzen war damit wohl geholfen: Ausgaben von Fubus wurden zu Gewinnen bei Prosavus und die Ausgaben von Prosavus zu Einnahmen von Fubus. So soll es in den Büchern stehen, in denen die Gewinnabführungsverträge aufgeführt sind. Das angebliche Provisionskarussell hätte sich so noch eine Weile weiterdrehen können - hätte es nicht die schicksalshafte Anzeige im Mai 2012 und die überraschende Razzia im November 2013 gegeben.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Die Kreislaufgeschäfte konnten nur so lange gut gehen, wie mit dem Geld neuer Anleger die Ansprüche von Altinvestoren bedient wurden. Laut Anklageschrift erlitten zwischen 2011 und Anfang November 2013 bereits knapp 22.000 Sparer einen Verlust von 156 Millionen Euro. Es sei erwiesen, dass die Gesellschaften "spätestens ab 2011 wissentlich und willentlich ein betrügerisches, auf systemische Täuschung der Anleger aufbauendes Geschäftsmodell" betrieben. "Vorsätzlich fehlerhafte" Arbeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern hätten ihre Arbeit begünstigt und es den "Angeklagten erleichtert, das was sie taten, zu verdrängen".

Selbst Finanzamt und Ermittler sind uneins

Die Anleger sehen das jedoch völlig anders. So offensichtlich das Schneeballsystem für die Ermittler ist: Es zu beweisen, fällt deutlich schwerer. Ein Jahr nach der Razzia waren die meisten Gesellschaften der Firmengruppe, die bis dahin unbeanstandet von Finanzamt oder Aufsichtsbehörden gearbeitet hatten, bankrott. Mehrere Insolvenzverwalter wurden eingesetzt - mit fatalen Folgen für die Anleger. Ihr Erspartes ist bereits futsch. Doch nun sollen sie auch noch draufzahlen.

Die Insolvenzverwalter beauftragten Wirtschaftsprüfer damit, die Bilanzen der Gruppe neu zu erstellen. Die aufgekauften Lebensversicherungen in den Infinus-Büchern wurden nunmehr als Umlauf- statt als Anlagevermögen bewertet. Mit der Folge, dass aus satten Gewinnen plötzlich herbe Verluste wurden, weil der Wert der Policen abgeschrieben wurde. Da es nach den neuen Bilanzen keine Gewinne gab, sollen die Anleger, an die Gewinne ausgeschüttet wurden, nun Geld zurückzahlen. Für die Geprellten ist es der Gipfel des Skandals.

Viele Sparer sind betagt, sie haben bereits ihr Erspartes verloren und werden nun noch ein zweites Mal zur Kasse gebeten. 6000 Euro fordern die Insolvenzverwalter im Schnitt pro Person zurück. Und damit nicht genug: Auch die Klagen gegen säumige Zahler werden aus der Insolvenzmasse bezahlt. Die Anleger, die nur noch auf Schadensbegrenzung hoffen, büßen doppelt und dreifach.

Ob es rechtens ist, Geschädigte so zu beuteln, daran gibt es zumindest berechtigte Zweifel. Die Insolvenzverwalter fordern Geld zurück, bevor das Urteil überhaupt gesprochen ist. Alle Angeklagten mussten mittlerweile aus der U-Haft entlassen werden. Außerdem wurden die neuen Bilanzen nie testiert. Im Grunde handele es sich nur um "Gutachten", moniert die Interessengemeinschaft Infinus (IG Infinus), die die geprellten Anleger vertritt. 

Als die Insolvenzverwalter noch einen Schritt weiter gehen und auch die Steuern auf die Unternehmensgewinne von Infinus zurückfordern, stößt der Staat ins selbe Horn. Das Finanzministerium lehnt Rückzahlungen rundum ab. Die offizielle Begründung: Bei dem Geschäftsmodell der Infinus-Gruppe handele es sich "nicht um ein sogenanntes Schneeballsystem". "Die eingereichten Steuererklärungen und Bilanzen für die Geschäftsjahre 2009 bis 2012 seien richtig erstellt, ein Erstattungsanspruch ergebe sich unter keinem Gesichtspunkt", zitiert ein Insolvenzverwalter aus einem Schreiben des Finanzamts. Auch die Bafin kommt zum Schluss: "Die Zahlungsfähigkeit war jederzeit gegeben." Selbst der Staat ist sich über den Fall Infinus demnach uneins.

"Kein klassischer Betrug"

"Ich würde Zweifel anmelden, ob das Vorgehen der Justiz richtig war", sagt Axel Nagel, Vorstand der IG Infinus n-tv.de. Er gehört selbst zu den Betroffenen. Auch er hat seinen Einsatz verloren. "Wie lange das gut gegangen wäre, kann ich auch nicht sagen, aber ich kann sagen, der Beweis für einen vorsätzlichen, klassischen Betrug konnte nicht erbracht werden." In den Verhandlungen seien Finanzmodelle skizziert worden, die hervorragend funktioniert hätten.

Und Nagel kritisiert noch etwas: "Zum Tag der Razzia haben die Ermittler 400 Millionen Euro gesichert. In den fünf Jahren danach war nicht jedes Geschäft der Insolvenzverwalter ein gutes Geschäft." Immobilien zum Beispiel hätte man besser verwerten können. Nagel kennt viele tragische Einzelschicksale. Menschen, die nie in der Lage sein werden, die Forderungen zu begleichen. Die heute vor weniger als nichts stehen. Zwei Geschädigte sollen bereits den Freitod wegen Infinus gewählt haben. Nagel geht fest von einer Verurteilung der Infinus-Manager am Montag aus. Was die zivilrechtlichen Klagen anbelangt, bleibt noch abzuwarten, wie die Richter entscheiden. Aber schon jetzt scheint klar: Ein großer Durchbruch in Sachen Anlegerschutz sieht anders aus.

Quelle: ntv.de

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