Wirtschaft

"Überfälliger Weckruf" Experte sieht in VW-Beben Zeichen für Standortprobleme

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
"In Summe ist zu viel Kapazität da", sagt ein Analyst.

"In Summe ist zu viel Kapazität da", sagt ein Analyst.

(Foto: picture alliance/dpa)

Analysten reagieren wenig überrascht über den Sparkurs bei Volkswagen. Dies sei die Folge von Standortproblemen, Strukturveränderungen - aber auch Fehlentscheidungen. Und der Autobauer dürfte nicht der letzte Großkonzern sein.

Neues Sparprogramm, womöglich erste Werkschließungen: Chefvolkswirte sehen im verschärften Sparkurs bei Volkswagen ein Synonym für die aktuellen Standortprobleme Deutschlands. "Das zeigt wieder einmal, was die langfristigen Folgen von jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation und struktureller Veränderung in einem Umfeld ohne Wachstum sind", sagte ING-Chefökonom Carsten Brzeski. "Die Automobilindustrie ist ja nicht nur symbolisch so wichtig für Deutschland, sondern auch eine Schlüsselindustrie für die Volkswirtschaft."

VW Vorzüge
VW Vorzüge 92,92

Ähnlich sieht das der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. "Die Standortfaktoren in Deutschland verschlechtern sich seit Jahren", sagte er. "Da wundert es nicht, dass Unternehmen und Branchen in Schwierigkeiten geraten, vor allem, wenn sie international operieren." Dass nun auch Schwergewichte betroffen seien, zeige die Dimension der Standortproblematik. Klar sei aber auch, dass mancher Trend zu spät erkannt worden sei.

ING-Experte Brzeski verwies darauf, dass es in letzter Zeit schon einen stetigen Anstieg der Insolvenzen und Arbeitslosigkeit in Deutschland gebe. "Sollte jetzt so ein industrielles Schwergewicht wirklich den Sparkurs verschärfen und Werke schließen müssen, ist es vielleicht der überfällige Weckruf, dass die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen deutlich aufgestockt werden müssen", sagte der Chefvolkswirt.

Analyst: Nicht der letzte Großkonzern

Es sei nur "eine Frage der Zeit" gewesen, meint Marktleiter Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG. Die sinkende Inflation bedeute, dass Unternehmen ihre Kosten nicht mehr an die Kunden weitergeben können und somit die Margen in Zukunft sinken. "Heute kündigt VW ein krasses Sparprogramm an, was genau auf die zukünftigen Margen des VW-Konzerns abzielt. VW wird nicht der einzige Großkonzern sein, es wird noch eine Reihe von Unternehmen folgen und Druck auf den Arbeitsmarkt aufbauen", betonte Bouhmidi.

Volkswagen verschärft seinen Sparkurs drastisch und stellt erstmals in seiner Geschichte Werke in Deutschland auf den Prüfstand. Ohne schnelles Gegensteuern könne nicht ausgeschlossen werden, dass Autowerke und Komponenten-Fabriken geschlossen würden, teilte das Unternehmen intern mit. Zudem soll die seit 1994 geltende und bis 2029 laufende Beschäftigungssicherung gekündigt werden. Ein Umbau allein entlang der demografischen Entwicklung reiche nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Nach Berechnungen der "Automobilwoche" lag die Auslastung in den VW-Werken deutlich niedriger als bei den anderen Autobauern. Schlusslicht war demnach 2023 das Werk in Osnabrück mit einer Auslastung von weniger als 20 Prozent, gefolgt von der gläsernen Manufaktur in Dresden mit 30 Prozent Auslastung. "In Summe ist zu viel Kapazität da", sagte Stifel-Analyst Daniel Schwarz. Letztlich dürfte dort ein Werk geschlossen werden, wo es politisch am besten durchgesetzt werden könne.

Sparprogramm verfehlt Ziel

Mehr zum Thema

VW ist der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland. Bereits mit den Halbjahreszahlen hatte Finanzchef Arno Antlitz zusätzliche Anstrengungen angemahnt, um die Margenziele zu erreichen. In der ersten Jahreshälfte hatte der Autobauer zwar mehr eingenommen, allerdings weniger verdient. VW verwies auf die Kosten für Abfindungen und die mögliche Schließung des Audi-Werks in Brüssel.

Doch dem Unternehmen macht auch der steigende Anteil von Elektroautos zu schaffen. Mit den strombetriebenen Fahrzeugen erwirtschaftet VW noch auf längere Sicht nicht so hohe Renditen wie mit Verbrennern. Dazu kommt, dass das 2023 aufgelegte Sparprogramm nicht so gut wirkt, wie erhofft. Das Unternehmen wollte damit bis 2026 zehn Milliarden Euro in der Kernmarke einsparen, für das laufende Jahr hatte sich VW ein Ziel von etwa vier Milliarden Euro gesetzt. Medienberichten zufolge fallen die Einsparungen in diesem Jahr um mehrere Milliarden Euro geringer aus als eigentlich geplant.

Quelle: ntv.de, jwu/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen