Überraschung in Wirecard-Skandal Flüchtiger Marsalek meldet sich bei Gericht
18.07.2023, 17:52 Uhr Artikel anhören
Im Sommer 2020 taucht Jan Marsalek unter. Der Hauptverdächtige im Wirecard-Skandal soll sich nach Russland abgesetzt haben. Nun gibt der 43-Jährige erstmals in drei Jahren ein Lebenszeichen von sich: Über einen Brief seines Anwalts meldet er sich bei der Münchner Justiz.
Im Wirecard-Skandal hat sich der seit drei Jahren flüchtige Hauptverdächtige Jan Marsalek über seinen Verteidiger bei der Münchner Justiz gemeldet. Beim Landgericht München I sei ein Brief des Anwalts eingegangen, sagte ein Sprecher des Gerichts. Inhalt und Einzelheiten des Briefs wollten weder das Gericht noch die Münchner Staatsanwaltschaft kommentieren. Laut "Wirtschaftswoche" geht der Anwalt in dem Schreiben nicht konkret auf die gegen den österreichischen Manager erhobenen Betrugsvorwürfe ein.
Der frühere Wirecard-Vorstand hatte sich im Sommer 2020 ins Ausland abgesetzt, als sich der Kollaps des einstigen DAX-Konzerns abzeichnete. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll Marsalek nach Russland geflohen sein.
Wirecard war zwischen Juni und Juli 2020 innerhalb weniger Wochen zusammengebrochen, weil 1,9 Milliarden Euro angeblich auf südostasiatischen Treuhandkonten verbuchte Erlöse nicht auffindbar waren. Marsalek ist als ehemaliger Vertriebschef des Konzerns eine Schlüsselfigur.
Äußerung zu Drittpartnergeschäft
Im seit acht Monaten laufenden Münchner Wirecard-Prozess haben die Verteidiger von Ex-Vorstandschef Markus Braun den abwesenden Marsalek beschuldigt, den Konzern ohne Wissen und Zutun Brauns ausgeplündert und gemeinsam mit Komplizen zwei Milliarden Euro Geschäftserlöse veruntreut zu haben. Der Brief liefert zumindest ein Indiz, dass Marsalek den Prozess aus der Ferne verfolgt. Denn laut Staatsanwaltschaft war das Schreiben an die vierte Strafkammer adressiert, die das Verfahren gegen Braun und dessen zwei Mitangeklagte führt.
Laut "Wirtschaftswoche" soll Marsaleks Anwalt in dem Brief jedoch Stellung zur Existenz des sogenannten Drittpartnergeschäfts bei Wirecard Stellung nehmen. Laut Anklage erfand eine kriminelle Bande in der Führungsriege des Unternehmens mit Beteiligung Brauns Scheingeschäfte, um Banken und Investoren zu täuschen. Braun zufolge waren die Geschäfte keineswegs erfunden, doch sollen die Erlöse von Marsalek und Co. beiseite geschafft worden sein. Marsalek stützte dem Bericht zufolge Brauns Position im Hinblick auf die Existenz des Geschäfts.
Die Staatsanwaltschaft hält die angeblichen Milliardengeschäfte für eine Fälschung und die daraus erzielten Gewinne für erfunden. Der ebenfalls angeklagte ehemalige Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, hat den milliardenschweren Betrug als Kronzeuge eingeräumt. Marsalek habe in dem Schreiben seines Anwalts zu verstehen gegeben, dass Bellenhaus in mehreren Punkten nicht die Wahrheit sage, heißt es in dem Bericht der "Wirtschaftswoche". Bellenhaus' Anwalt Florian Eder sagte dem Magazin dazu: "Man kann viel schreiben und viel sagen, man muss aber nicht alles glauben." Auch Insolvenzverwalter Michael Jaffe hat keine Spuren der Transaktionen gefunden und hält es für erwiesen, dass diese Geschäfte erfunden waren.
Der Prozess wird an diesem Mittwoch fortgesetzt. Im Zeugenstand Platz nehmen soll Brauns und Marsaleks ehemalige Vorstandskollegin Susanne Steidl, die ehedem bei Wirecard für die Produktentwicklung verantwortlich war. Die Managerin - auch sie wie Braun und Marsalek aus Österreich stammend - soll nicht in die kriminellen Geschäfte der Wirecard-Bande eingeweiht gewesen sein.
Quelle: ntv.de, lno/dpa/rts