Aushilfskräfte kommen zu spät Flug-Chaos: Kritik an "langsamer" Bundesregierung
08.07.2022, 17:23 Uhr
Arbeitgeber, die Gewerkschaft Verdi und die Opposition kritisieren, die Bundesregierung habe beim Flughafen-Chaos zu spät gehandelt.
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
Nach der Zustimmung der Bundesregierung dürfen bis zu 2000 Aushilfskräfte an deutschen Flughäfen helfen. "Zu spät", sagt die Unions-Tourismus-Sprecherin Karliczek. Auch Arbeitgeber und Verdi beklagen das Tempo. Verkehrsminister Wissing kontert.
Angesichts der Personalengpässe an deutschen Flughäfen und der Folgen für den Flugverkehr in diesem Sommer wächst die Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung. Das Abfertigungschaos habe sich schon lange abgezeichnet, sagte die tourismuspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Anja Karliczek. Die Ministerien hätten zu lang weggeschaut und sogar Warnungen von Gewerkschaften und der Reisebranche ignoriert. "Warum brauchen dann die Bundesregierung und die beteiligten Ministerien über fünf Wochen, um die Genehmigung für das Anwerben der 2000 Mitarbeiter aus der Türkei auf den Weg zu bringen?"
Am Donnerstag war jene Erlaubnis der Regierung ergangen, mit der nun vor allem die Bodendienstleister auf dem Vorfeld Aushilfskräfte aus Drittstaaten, überwiegend aus der Türkei, rekrutieren können. Für die neuen Mitarbeiter stehe nun noch eine Zuverlässigkeitsprüfung an, die einige Wochen dauere, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Matthias von Randow.
Die derzeit auf drei Monate befristete Genehmigung helfe vielen Unternehmen deshalb nur bedingt weiter, verdeutlichte der BDL-Chef. Die Bodendienstleiter hätten aufgrund der langen Vorlaufzeit den Bedarf bereits nach unten angepasst, sodass voraussichtlich weniger als die ursprünglich 2000 geplanten Aushilfen gebraucht würden.
Am Tag zuvor hatte bereits der Arbeitgeberverband der Bodenabfertigungsdienstleister im Luftverkehr (ABL) mitgeteilt, dass die Unternehmen weniger als 1000 Helfer angefordert hätten. "Man hat die Situation schlicht verschlafen, und jetzt ist es einfach zu spät, um kurzfristig für Entspannung zu sorgen", sagte auch der Luftverkehrsexperte der Gewerkschaft Verdi, Özay Tarim, dem "Handelsblatt". Entspannung für die Reisenden sei daher nicht in Sicht. "Es ist sogar noch schlimmer gekommen, als wir vermutet haben."
Bundesregierung prüft Ausweitung von Arbeitsmigration
Bundesverkehrsminister Volker Wissing wies die Kritik zurück. "Die Regierung hat die Wünsche der Wirtschaft binnen Tagen erfüllt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Jetzt sind die Unternehmen am Zug. Sie müssen die verfügbaren ausländischen Arbeitskräfte so schnell wie möglich einstellen." Der Staat könne niemanden zwingen, eine bestimmte Arbeit aufzunehmen.
Nach Verhandlungen mit der Bundesregierung wird auf eine Prüfung verzichtet, ob für die Jobs nicht doch deutsche Arbeitnehmer zur Verfügung stünden. Bestehen bleiben die Sicherheitsprüfungen durch die Länderbehörden. In der Bundesregierung gibt es Überlegungen, eine vergleichbare Arbeitsmigration auch für andere Branchen mit akutem Arbeitskräftemangel zu ermöglichen - etwa für die Gastronomie.
BDL-Hauptgeschäftsführer von Randow richtete den Blick auf langfristige Lösungen - bei der Rekrutierung von Arbeitskräften, aber auch bei der Technik sowie bei behördlichen Prüfungen. "Wir brauchen in Deutschland ein Einwanderungs-Erleichterungsgesetz", sagte er. Von Randow forderte zudem eine schnellere Bearbeitung bei der behördlichen Zuverlässigkeitsprüfung, der sich alle neuen Beschäftigten unterziehen müssen. Außerdem werde langfristig auch die Digitalisierung dazu beitragen, dass Abläufe für Passagiere am Flughafen unkomplizierter werden. "Wir wollen perspektivisch Passagierprozesse an Flughafenstandorten mit Biometrisierung und Digitalisierung deutlich vereinfachen." Kurzfristige Abhilfe für die Reisenden ist damit allerdings nicht in Sicht.
Quelle: ntv.de, Matthias Arnold und Anne-Béatrice Clasmann, dpa