"Besonders nicht im Wahlkampf" Ifo-Chef gegen Verstaatlichung von Thyssenkrupp
10.12.2024, 00:43 Uhr Artikel anhören
Der Blick vom Alsumer Berg mit Gipfelkreuz auf das Stahlwerk Schwelgern von Thyssenkrupp mit seinen Hochöfen.
(Foto: picture alliance / Panama Pictures)
Der Stahlriese Thyssenkrupp steht vor einem massiven Stellenabbau. Bundeskanzler Scholz will ausdrücklich auch Staatshilfen nicht ausschließen. Ifo-Chef Fuest bewertet den Vorstoß in Zeiten des Wahlkampfs als nicht sachgerecht. Er hat stattdessen eine andere Idee.
Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnt vor einem Staatseinstieg bei Thyssenkrupp. "Normalerweise sollte der Staat kriselnden Unternehmen nicht helfen. Die deutsche Stahlproduktion sinkt seit vielen Jahren, weil Unternehmen aus Schwellenländern niedrigere Kosten haben und besser geeignet sind, Stahl zu produzieren. Daran müssen deutsche Unternehmen sich anpassen", sagte Fuest der "Rheinischen Post". "Hinzu kommt, dass man über Hilfen für Thyssenkrupp sicherlich nicht zu Wahlkampfzeiten entscheiden sollte. Sonst besteht die Gefahr, dass die Sachfragen in den Hintergrund treten."
Fuest regte andere Instrumente der Hilfe für die Branche an. "Geopolitische Gründe können dafür sprechen, die Stahlproduktion nicht ganz abwandern zu lassen, weil unter anderem die Rüstungsindustrie im Krisenfall nicht von der Versorgung mit Stahl abgeschnitten werden darf. Um das zu berücksichtigen, sollte man in Kooperation mit den europäischen Partnerländern ein Sicherheitskonzept entwickeln und umsetzen. Das sollte aber unabhängig von einzelnen Unternehmen sein, die in einer Krise stecken", so der Ifo-Chef. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Wochenende erklärt, bei Thyssenkrupp keine Option ausschließen zu wollen. Den Funke-Zeitungen hatte der SPD-Politiker zum Thema Staatsbeteiligung gesagt: "Ich nehme hier keine Option vom Tisch." Die Union erteilte der Idee bereits eine Absage.
Ärger über Rückzug von Thyssenkrupp-Finanzchef Schulte
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisierte unterdessen den plötzlichen Abgang des Finanzvorstands von Thyssenkrupp. "Der Abgang von Jens Schulte kommt für Thyssenkrupp zur Unzeit. Der strauchelnde Konzern braucht gerade jetzt eine verlässliche Steuerung der Finanzen. Nun muss der Aufsichtsrat schon wieder einen neuen Vorstand suchen", sagte DSW-Chef Marc Tüngler der Zeitung. Er kritisierte die Umstände von Schultes Demission: "Das Verhalten von Jens Schulte lässt tief blicken. Er tritt bei Thyssenkrupp eine Position mit hoher Verantwortung an, um sich schon nach wenigen Monaten zur Deutschen Börse zu verabschieden. Er hat den Aufsichtsrat enttäuscht", sagte Tüngler. "Dass Schulte für den Start bei Thyssenkrupp auch noch eine Antrittsprämie von insgesamt 1,8 Millionen Euro in drei Tranchen kassiert, ist unanständig." Der DSW-Chef forderte: "Die Aktionäre können erwarten, dass er die bereits geflossenen Gelder zurückzahlt und auf seine Ansprüche verzichtet. Das wäre anständig."
Der Sprecher von Thyssenkrupp teilte dazu mit: "Ein sogenannter Sign-on-Bonus ist bei Vorstandswechseln nicht ungewöhnlich und tritt dann ein, wenn neue Vorstände beim bisherigen Unternehmen höhere Bezüge in Anspruch nehmen durften bzw. bei einem Wechsel auf Leistungen verzichten, die ihnen beim alten Arbeitgeber zugeflossen wären." Nun würden Aufsichtsrat und Schulte über die Details verhandeln: "Herr Schulte hat den Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG um eine einvernehmliche Beendigung seines Vorstandsmandates gebeten. Der Aufsichtsrat wird nun zeitnah über die Ausgestaltung der Beendigung dieses Mandats beraten." Am morgigen Dienstag tagt der Aufsichtsrat der Stahltochter, um über die Eckpunkte des Stellenabbaus beim Stahl zu beraten.
Quelle: ntv.de, mau