Wirtschaft

"Echter Neustart" nötig Im Gastgewerbe will jeder Dritte aussteigen

Lockdowns, Kurzarbeitergeld, Angst vorm Jobverlust: Hunderttausende verlassen während der Corona-Krise das Gastgewerbe. Aktuell kann sich über ein Drittel der Beschäftigten nicht vorstellen, lange in der Branche zu bleiben, wie eine Umfrage zeigt. Ein Gewerkschafter fordert einen "echten Neustart".

Mehr als ein Drittel der Beschäftigten im Gastgewerbe kann sich einer Gewerkschafts-Umfrage zufolge einen längeren Verbleib in der Branche nicht vorstellen. Lediglich 37 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, noch lange in der Branche zu arbeiten, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mitteilte. Mehr als zwei Drittel findet demnach die Entlohnung zu niedrig, 70 Prozent vermissen Wertschätzung seitens ihrer Vorgesetzten. Die Befragung wurde online zwischen Anfang Mai und Anfang August dieses Jahres durchgeführt. Bundesweit nahmen demnach mehr als 4000 Beschäftigte teil.

"Wenn der Großteil der Gastronomen und Hoteliers weiterhin so tut, als hätte der Fachkräftemangel in der Branche nichts mit ihnen zu tun, dreht sich die Abwärts-Spirale aus fehlender Wertschätzung, entgrenzten Arbeitszeiten und Beschäftigtenflucht immer weiter", teilte der Gewerkschaftsvorsitzende Guido Zeitler mit. "Wir müssen damit rechnen, dass die Abwanderung nochmal voranschreiten wird, wenn nicht gegengesteuert wird."

Wichtig seien höhere Löhne, die mit anderen Branchen konkurrieren könnten. Der durchschnittliche Lohn von 2338,38 Euro brutto 2021 für Fachkräfte müsse auf mindestens 3000 Euro steigen - "sonst wird der Exitus der Beschäftigten im Gastrogewerbe weitergehen und die Probleme in den Betrieben immer größer werden".

Tarifbindung sinkt auf 23 Prozent

Die Gründe, dem Gastgewerbe den Rücken zu kehren, sind laut Umfrage eindeutig: geringe Löhne, fehlende Wertschätzung, schlecht planbare und überlange Arbeitszeiten, Personalmangel, psychische und körperliche Belastungen. "Das Gastgewerbe braucht einen echten Neustart", betonte Zeitler. Entscheidend seien neben höheren Löhnen auch eine stärkere Tarifbindung. Denn diese sei im Gastgewerbe von 37 Prozent 2010 auf 23 Prozent 2018 gesunken. Aktuell dürfte der Wert noch niedriger sein, sagte der NGG-Vorsitzende. "Was wir regeln, kommt nur bei einem Viertel der Menschen überhaupt noch an."

Insbesondere die Corona-Krise hat den Fachkräftemangel in der Branche weiter verschärft. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war im ersten Jahr der Krise um mehr als 100.000 auf unter eine Million zurückgegangen, wie aus Daten des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Im vergangenen Jahr hatte sich die Situation insbesondere in der Gastronomie wieder etwas entspannt. Im Beherbergungsgewerbe ging die Zahl der Mitarbeitenden hingegen weiter zurück. Für das laufende Jahr liegen noch keine aktuellen Daten vor.

Um die Fachkräfte der Zukunft zu sichern und erst einmal anzuheuern, müssten Hotellerie und Gastronomie für Berufseinsteigende deutlich attraktiver werden. Denn die Zahl der Auszubildenden sei von rund 100.000 im Jahr 2007 dann 2021 auf gut 43.000 gesunken.

Zeitler warnte davor, die Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden auszuweiten. "Finger weg vom Arbeitszeitgesetz." Dies sei ein "Brandbeschleuniger" und würde sonst weitere Beschäftigte aus der Branche treiben. Seit der Virus-Pandemie habe das Gastgewerbe bereits Zehntausende Menschen verloren - etwa an den Einzelhandel, die Logistik, die Ernährungsindustrie sowie Arztpraxen und Anwaltskanzleien.

Quelle: ntv.de, mbu/rts/dpa

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