Motoren fürs Militär Zeitenwende lockt Kölner Traditionskonzern ins Rüstungsgeschäft
24.06.2024, 12:25 Uhr Artikel anhören
Seit mehr als 150 Jahren bauen Deutz und seine Unternehmensvorgänger Motoren, die vom Traktor über Lokomotiven bis zu Panzern alle möglichen Fahrzeuge angetrieben haben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Vom aktuellen Rüstungsboom können nicht nur etablierte Waffenschmieden profitieren. Auch bislang rein zivile Unternehmen sehen neue Chancen. Für das Kölner Traditionsunternehmen Deutz ist es eine Rückkehr in ein altes Geschäftsfeld. Die Anleger sind von der Idee offenbar begeistert.
Die "Zeitenwende" sorgt auch mehr als zwei Jahre, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Begriff geprägt hatte, für überraschende Kurssprünge an der Börse. Am Morgen steigen die Aktien des Kölner Motorenherstellers Deutz zeitweise um 18 Prozent. Der Grund: Unternehmenschef Sebastian Schulte hatte am Wochenende in einem Interview angekündigt, der Traditionskonzern wolle in neue Geschäftsfelder expandieren. Eines davon sei die Rüstungsbranche.
Demzufolge erwägt das Unternehmen, Motoren nicht mehr nur für die zivile Nutzung, sondern auch für militärische Zwecke etwa in Radpanzern, Mannschaftstransportern und Versorgungsfahrzeugen anzubieten. Außerdem könnte Deutz Batteriespeicher für militärische Einsatzbereiche liefern, etwa für die Stromversorgung von Lazaretten. "Das ist sicherlich ein attraktives Feld, das bringt die Zeitenwende mit sich", sagte Schulte der "Welt am Sonntag".
Nicht nur die Bundesregierung hat nach der Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 ihren Verteidigungsetat stark erhöht und unter anderem ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr eingerichtet. Weltweit stiegen die Militärausgaben 2023 laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI auf geschätzt 2,3 Billionen Euro, den höchsten je erfassten Wert. In diesem Jahr dürfte sich die Summe weiter erhöhen. Davon profitieren zum einen die etablierten Rüstungskonzerne. Deutschlands Branchenführer Rheinmetall meldete in den vergangenen Quartalen einen Umsatz- und Ergebnis-Rekord nach dem anderen. Der Aktienkurs hat sich seit Kriegsbeginn in der Ukraine rund verfünffacht.
Energiewende treibt Nachfrage nach Notstromaggregaten an
Doch die enorme Rüstungsnachfrage zieht auch Unternehmen, die in dem Bereich zuvor nicht tätig waren. So kündigte Lufthansa Technik kürzlich an, seine Dienstleistungen für "waffentragende" Systeme - sprich Kampfflugzeuge - der Bundeswehr und die Luftwaffen anderer Staaten anzubieten. Für Deutz wäre der Bau von Motoren für Panzer und andere militärische Fahrzeuge eine Rückkehr zu einem einst bedeutenden Geschäftszweig. Im Zweiten Weltkrieg war die Produktion wie in vielen deutschen Industriebetrieben zum Großteil auf den militärischen Motoren- und Fahrzeugbau umgestellt worden. Als zeitweise größter Nutzfahrzeughersteller der jungen Bundesrepublik belieferte Magirus-Deutz auch die Bundeswehr mit militärischen Lkw. Dieser Unternehmensteil ging später in den Iveco-Konzern über, der bis heute verschiedene militärische Nutzfahrzeuge produziert.
Das zweite von Schulte ins Visier genommene Geschäftsfeld sind Notstromaggregate. Deutz liefert bereits Motoren für solche Systeme, die etwa für Krankenhäuser oder Kühlanlagen unentbehrlich sind. Künftig will Deutz selbst auch komplette Anlagen anbieten. Schulte rechnet damit, dass der Markt dafür wachsen wird. "Das ist kurioserweise eine Folge der Energiewende, weil es gerade in Ländern wie den USA, wo die Stromnetze in einem desolaten Zustand sind, teilweise mehrfach im Monat in bestimmten Regionen Stromausfälle gibt", erklärt der Deutz-Chef.
Quelle: ntv.de, mbo